Washington/Berlin. Am 21. August zieht eine totale Sonnenfinsternis über die USA. Der Hype ist gigantisch: Das Land fiebert dem „Eclipse Day“ entgegen.

„Und denken Sie bitte unbedingt an ausreichend Trinkwasser, Kekse, Bargeld und Toilettenpapier.“ Wie oft Steve Pagano diesen Satz in den vergangenen Monaten bei Anrufern aus aller Welt hinterlassen hat, kann der Chef-Ranger im Gorges State Park in Transylvania County „wirklich nicht mehr zählen“. Am kommenden Montag erwartet der Hüter über das idyllisch abgelegene Naturkleinod in den Hügeln von North Carolina auf einen Schlag gut 10.000 Besucher. „Wir sind im Epizentrum eines Jahrhundertereignisses, über das ganz Amerika spricht“, sagt Pagano.

Die erste totale Sonnenfinsternis seit fast 100 Jahren, die wie eine galaktische Roadshow von Küste zu Küste reist, wird am 21. August für wenige Minuten alles in den Schatten stellen; „gewiss auch Donald Trump“, feixt der Parkaufseher. Zwischen Lincoln Beach an der Felsküste Oregons, wo das Himmelsspektakel um 9.05 Uhr Ortszeit startet und der Südstaatenperle Charleston/South Carolina, wo die „total eclipse“ um 14.48 Uhr über dem Festland endet, zieht sich ein gut 110 Kilometer breiter Korridor, in dem rund zwölf Millionen Menschen leben.

Nur in Nordwesteuropa ist ein Teil der Sonnenfinsternis zu sehen

Oregon, Idaho, Wyoming, Montana, Nebraska, Iowa, Kansas, Missouri, Illinois, Kentucky, Tennessee, Georgia, North und South Carolina, nur hier wird das Naturschauspiel, das erst im Jahr 2045 wieder zurückkehrt, seine ganze Pracht entfalten. Am längsten wird sich der Mond über Carbondale, Illinois, vor die Sonne schieben und seinen Schatten auf die Erde werfen – zwei Minuten und 40 Sekunden. Die Temperaturen werden in dieser Zeit um bis zu fünf Grad sinken und Vögel das Zwitschern einstellen.

Auch in Europa wird die Finsternis zu sehen sein, aber nur partiell in Nordwesteuropa am Abend – in Großbritannien, Norwegen, den Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal. Bei besten Wetterbedingungen soll es im äußersten Nordwesten Deutschlands und auf Borkum möglich sein, einen ziemlich kleinen Schatten zu sehen.

300 Millionen Menschen werden wenigstens einen Teil des Schattens sehen können

Eine Sonnenfinsternis (Sofi) entsteht, wenn sich der Mond zwischen Erde und Sonne schiebt und letztere vollständig verdeckt – zu beobachten ist sie nur bei Neumond, wenn sich Erde, Mond und Sonne auf einer geraden Linie befinden. Nur in einem schmalen Streifen auf der Erdoberfläche, höchstens einige Hundert Kilometer breit, wird die totale Sonnenfinsternis sichtbar – dort, wo der Kernschatten des Mondes auf unseren Planeten fällt. Wer sich in seinem Halbschatten aufhält, kann eine partielle Finsternis erleben, der Mond macht dann nur einen Teil der Sonne unsichtbar.

Im Gorges State Park in Transylvania County rechnet man mit totaler Finsternis. „Hoffentlich bleiben die Menschen bei Verstand“, sagt Steve Pagano. Wie er sehen Tausende Organisatoren mit großer Anspannung auf das Datum 8/21. Laut Weltraumagentur Nasa werden 300 Millionen Menschen wenigstens einen Teil des Schattens erleben können. Gerade in den westlichen National-Parks, die im Korridor liegen, gibt es wegen der Trockenheit zwei Hauptsorgen: Verkehrsstaus und Waldbrandgefahr. Schlimmer: beides zusammen.

Die Begeisterung übertrifft selbst die bei Olympischen Spielen

Die Begeisterung für die „Große Amerikanische Finsternis“ hat in den vergangenen Monaten die Dimension von Olympischen Spielen hoch 3 angenommen. Ob im Fernsehen oder im Internet, wo sich eine eigene kleine Industrie rund um das Ereignis entwickelt hat (allein 100 Smartphone-Apps sind auf dem Markt) – nirgends kann man dem „Eclipse Day“ entrinnen.

Viele Städte, die entlang der Strecke liegen, haben schon vor Jahren Vorbereitungskomitees gegründet, um mit dem erwarteten Ansturm fertig zu werden und die wirtschaftlichen Impulse in die richtigen Bahnen zu lenken. Gastronomie, Hotellerie, Tankstellen – überall erwartet man Rekorderlöse, wenn die „Sofi-Touristen“ mit Teleskopen und Kameras einfallen. „Noch nie war die Lust auf Verdunkelung so groß“, hieß es bereits im Winter im Tourismusbüro von Hopkinsville/Kentucky.

Für Quartiere wurden astronomische Summen von 4000 Dollar aufwärts aufgerufen

Das Städtchen hat rund 30.000 Einwohner und bereits vor zehn Jahren mit den Vorbereitungen angefangen. Unter anderem wurde der kleine Flughafen erweitert. Erwartet werden bereits dieses Wochenende dreimal so viele Gäste. Hotelzimmer dort sind seit über zwei Jahren ausgebucht. Für AirBnB-Quartiere wurden vereinzelt astronomische Summen von 4000 Dollar aufwärts aufgerufen – pro Nacht.

Fallstricke? Zuvorderst: das Wetter. „Wird’s wolkig, wird’s ganz duster“, sagt ein Meteorologe der Umweltbehörde NOAA in Washington. Darum ist der Westküstenstaat Oregon als Ziel so begehrt, dort wird ein klarer Himmel erwartet. Dann die Technik: Auch wenn die Mobilfunkriesen ihre Sendemasten-Kapazitäten schwerpunktmäßig entlang der Strecke ausgebaut haben – bei Millionen Besuchern, die ihre Sofi-Selfies gebündelt versenden wollen, „wird es garantiert hier und da Staus auf der Datenautobahn geben“, sagte ein Experte dem Sender ABC.