London. Traditionell und umkämpft: Das Moorhuhn-Schießen ist ein exklusiver Sport im Königreich. Tierschützer wollen das Ritual verbieten.

Mit dem Computer kann man das ganze Jahr auf Moorhühner ballern. Was aber Weihnachten für Gänse und Truthähne ist, ist der 12. August für die echten schottischen Moorschneehühner. Am „Glorious Twelfth“ beginnt nämlich die Jagdsaison für die Vögel.

Die Jagd ist ein exklusiver Sport, den es nur im Königreich gibt, weil nirgendwo sonst auf der Welt und nur in den für Nordengland und Schottland so typischen Heidemooren Lagopus lagopus scoticus oder das schottische Moorhuhn zu finden ist. Die Moorhuhnjagd gilt als „das feinste Schießen in der Welt“, weil die Hühner so schnell fliegen und in unberechenbarem Zickzack zu entkommen versuchen. Und zudem schmeckt der fettarme Vogel auch ausgesprochen gut, da er sich ausschließlich auf würziger Heide ernährt. Die Londoner Edelrestaurants wetteifern damit, wer die Tiere als Erstes auf die Tafel bringt.

Tierschützer wollen „Blutsport“ verbieten

Das Traditionsschießen ist umstritten. Wie in jedem Jahr brechen auch diesmal wieder die Auseinandersetzungen zwischen Jägern und Tierschützern aus, die den „Blutsport“ am liebsten verbieten würden. Die Kritik geht über Tierschutz­aspekte hinaus. Die Moorhühner sind längst zum Symbol eines Klassenkampfes geworden zwischen den Eliten und dem großen Rest des Landes.

Denn der „Glorious Twelth“ zieht Aristokratie und internationale Hochfinanz an. Hedgefonds-Manager hoffen durch einen erfolgreichen „Shoot“ auf den gesellschaftlichen Aufstieg. Russische Oligarchen haben schottische Schlösser aufgekauft, um sich ein Revier zu sichern.

Seit 1831 ist das Datum für den Beginn der Knallerei gesetzlich festgelegt. Ein ungeschriebenes, aber striktes Protokoll gilt für die Jagdgäste. Wer in nagelneuer Kluft antritt, könnte sich auch gleich ein Schild mit der Aufschrift „Neureicher“ um den Hals hängen. Die obligatorischen Tweedanzüge und Wachstuchjacken müssen abgegriffen aussehen. Und wenn sie noch etwas strenger riechen als der Jagdhund, umso besser.

150 Pfund für den Abschuss eines Moorhuhnpaars

Ein billiges Vergnügen ist die Moorhuhnjagd gewiss nicht. Schon die Ausrüstung kostet ein kleines Vermögen. Und dann werden rund 150 Pfund für den Abschuss eines Moorhuhnpaars berechnet. Eine typische Jagdgesellschaft von acht Schützen kommt an einem Tag Ballerei leicht auf rund 20.000 Pfund, umgerechnet 22.000 Euro.

„Die Moorhuhnjagd stärkt die ganze Region wirtschaftlich“, hält Sir Barney White Spunner von dem Landverband Countryside Alliance dagegen. Hotels, Pubs, Geschäfte, Taxifahrer – alle würden profitieren. Volkswirtschaftlich bringt die Saison tatsächlich an die 170 Millionen Euro und sichert über 2000 Arbeitsplätze. Außerdem, so Spunner, sei die Moorhuhnjagd ein wichtiger Beitrag für den Naturschutz. Von den gehegten Moorgebieten, in denen Jäger natürliche Hühnerfeinde wie Füchse als Konkurrenten dezimieren, profitierten auch andere Tiere wie Kiebitze und Brachvögel. Eine aktuelle Studie der Universität Newcastle bestätigt das: 76 Vogelarten nehmen in 18 untersuchten Moorgebieten zu.

Gegner der Hatz verdammen sie als „obszön“

Doch Gegner der Hühnerhatz behaupten, die Nachteile würden überwiegen: Das Abfackeln der winterdürren Heide schädige die Ozonschicht. Seltene Raubvögel wie die Kornweihe würden heimlich getötet, weil sie Moorhühner als ihr Futter schlagen.

Andrew Tyler, Direktor der Tierschutzorganisation Animal Aid, verdammt die Jagd gegenüber dieser Zeitung als „obszön und primitiv“. „Es ist ein schwerer Eingriff in eine empfindliche Landschaft, den Bestand von Moorhühnern zu steigern, um möglichst viele dann aus reinem Vergnügen abzuknallen.“

Freilich vermeidet man heute Exzesse. Lord Walsingham hält bis heute den Rekord. Er schoss im Jahre 1888 an einem Tag 1070 Hühner.