Washington. Popstar Taylor Swift verklagt einen DJ, der ihr an den Po gefasst haben soll. Sie will damit anderen Frauen Mut machen, sich zu wehren.

Von wegen „Abschütteln“. Taylor Swift demonstriert seit gestern in einem kleinen Gerichtssaal in Denver im US-Bundesstaat Colorado so ziemlich das Gegenteil von dem, was einer ihrer umsatzstärksten Hits („Shake it off“) propagiert. Die 27-jährige Multimillionärin, die es vom Country-Teenager in Nashville zur globalen Radio-Pop-Königin gebracht hat, will vor Justitia eine Sieg für den Feminismus erstreiten. Der Vorwurf der Po-Grabscherei steht im Raum. Aber es steht Aussage gegen Aussage.

Weil im „Butt Grab Trial“ nur 32 Sitzplätze für Besucher zur Verfügung stehen, werden bis zum Mitte des Monats erwarteten Urteil 160 Millionen „Swifties“ (so heißen ihre eingefleischten Fans) via Twitter und Instagram mitverfolgen, was die achtköpfige Jury entscheidet. Rückblick: Am 2. Juni 2013 wohnt Frau Swift, damals 23, vor einem Konzert in der Stadt am Fuße der Rocky Mountains einem Stelldichein mit Presse und Sponsoren bei. Dabei posiert sie gemeinsam mit dem örtlich prominenten Radio-DJ David Mueller, Spitzname: „Jackson“, und dessen Freundin für ein Foto.

DJ wurde vor dem Konzert herausgeworfen

Während der Lichtbildaufnahme, so steht es in der Anklage, soll Mueller seine Hand unter das schwarze Kleid der Pop-Diva geschoben und ausdauernd ihre nackte Gesäßhälfte betatscht haben. „Es war kein Unfall. Es war vollkommene Absicht“, sagt Swift, „ich bin mir noch nie im Leben über etwas so sicher gewesen.“ Und weiter: „Ganz egal, wie sehr ich wegrutschte, die Hand blieb da.“ Sie sei „verzweifelt, verletzt und erschüttert“ gewesen wie noch nie.

Kursierendes Foto-Material, das die Szene bezeugen soll, gibt allerdings keinen genauen Aufschluss darüber. Man sieht, wie Mueller die Sängerin auf Hüft-Höhe mit dem rechten Arm von hinten umgreift. Was seine Hand veranstaltet, wird vom Körper der grazilen Künstlerin verdeckt. Swift machte zunächst professionelle Miene, ließ aber unmittelbar vor Beginn des Konzert vor 13 000 Zuschauern Mueller von ihren Bodyguards hinauswerfen. Die Polizei schaltete sie nicht ein.

Die Sängerin will einen symbolischen Dollar

Zwei Tage später setzte der umgehend informierte Sender KYGO, Muellers Arbeitgeber, dem damals 51-Jährigen den Stuhl vor die Tür. Mueller kämpft gegen sein Karriereende, wirft dem Superstar vor, ihn fälschlicherweise beschuldigt zu haben, handgreiflich sei jemand anders geworden, und setzte im September 2015 zum Gegenangriff an: Per Ziviklage will er von Swift, die 2016 mit Einnahmen von 170 Millionen Dollar der ökonomisch erfolgreichste Popstar des Planeten war, drei Millionen Dollar Schadensersatz für Verdienstausfall und Reputationsverlust erzwingen. Swift konterte darauf mit einer Klageschrift auf sexuelle Nötigung, macht aber kein Schmerzensgeld geltend.

Nur die symbolische Summe von einem Dollar soll im Falle einer Verurteilung von Mueller herausspringen. Im Vordergrund, so betont die aus Pennsylvania stammende Swift, stehe für sie, ein Urteil zu erstreiten, dass andere, weniger prominente und solvente Frauen ermutigt, auch die Justiz einzuschalten, wenn sie Opfer vergleichbarer Attacken werden. Nach Schätzung der Organisation „Rainn“, die sich gegen sexuelle Gewalt wendet, werden in den USA pro Jahr 320 000 Frauen im Alter von zwölf Jahren aufwärts Opfer von sexueller Belästigung und Vergewaltigung.

Frauenfeindlichkeit von Donald Trump

In über 60 Prozent der Fälle, so das nationale Informationszentrum für sexuelle Gewalt, scheuen die Opfer den Gang zur Polizei; aus Scham oder der Befürchtung, nicht ernstgenommen zu werden. Taylor Swift, von der Groß-Feministin Camille Paglia als gesellschaftspolitisches Leichtgewicht belächelt, hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich eingeschaltet, wenn Geschlechtsgenossinnen Unrecht geschah. Oder wenn – Stichwort: Kanye West – männliche Stars ihr Macho-Gehabe nicht unter Kontrolle brachten. Hip-Hop-Star West hatte sich in einem Song gerühmt, „das Miststück berühmt gemacht“ zu haben.

Swift setzte sich öffentlich zur Wehr. Außerdem unterstützte sie unter anderem die Pop-Kollegin Kesha in ihrem Prozess wegen Vergewaltigung und Missbrauch durch einen Musik-Manager mit 250 000 Dollar. Umso verwunderter waren viele „Swifties, dass sich die einflussreiche Sängerin bisher nie prominent zu den einschlägig frauenfeindlichen Einlassungen von US-Präsident Donald Trump („fass ihnen zwischen die Beine“) geäußert hat. Auch dem von Millionen besuchten Frauen-Marsch in Washington im Januar blieb sie fern.