Landshut. Nur zwei Polizisten im Einsatz, aber eine Frau, die stört? In Bayern fesselten Beamte die Tochter eines Unfallopfers an einen Masten.

Ein 76-jähriger Rollerfahrer wird nach einem Unfall vom Rettungsdienst behandelt – und seine aufgewühlte Tochter (45) muss an einen Fahnenmasten gefesselt zusehen. „Wie am Marterpfahl, das kann nur unrechtmäßig sein“, sagt ihr Anwalt unserer Redaktion. Die Frau stand vor einem Trachtengeschäft an der viel befahrenen Straße im Gewerbegebiet, die mit Handschellen gefesselten Arme um den Pfosten.

Die Frau hatte sich besorgt bei der Versorgung ihres Vaters durch die Einsatzkräfte eingemischt – und sie war offenbar den Unfallverursacher verbal angegangen. Laut Polizei hatte dieser Autofahrer einen einbiegenden Rollerfahrer übersehen und erfasst – den Vater der Frau.

Platzverweis hatte noch Berechtigung

Die Enkelin des 76-Jährigen hatte den Unfall mit ansehen müssen und sofort ihre Mutter gerufen. Und die machte dem Autofahrer dann an der Unfallstelle Vorwürfe. Nicht einmal Bremsspuren gebe es. „Ich habe ihn gefragt, was er denn für ein Spinner ist“, sagte sie dem örtlichen „Wochenblatt“. Angst um den Vater und Wut auf den Verursacher kommen zusammen.

Was dann zunächst passiert sein soll, dürfte auch ihr Anwalt noch nachvollziehen können, der Ergoldinger Strafverteidiger Hans Ulrich Jeromin. „Wenn das stimmt, ist die Polizei an der Stelle völlig zu Recht dazwischen gegangen“, erklärt der Jurist, der vor dem Studium als Polizist gearbeitet hat. „Die Polizei muss eine geregelte Unfallaufnahme sicherstellen, da gehen Diskussionen um die Schuldfrage nicht.“ Ein Platzverweis könne dann angebracht sein. Aber davon will die Frau nichts mitbekommen haben.

Passanten lachten über die weinende Frau

Wie die Polizei dann aber im weiteren Verlauf gehandelt habe, das war nach Schilderungen seiner Mandantin „demütigend und menschenunwürdig “. Sie leide nach wie vor unter der beschämenden Situation.“ Der „tz“ sagte die Frau, Umstehende hätten sich über sie amüsiert, während sie geweint habe. „Ich bin keine durchgeknallte Frau, die man fesseln muss.“

Landshuts Polizeichef Helmut Eibensteiner räumt ein, die Art und Weise des Gewahrsams sei „sehr ungewöhnlich. Ich kann mir vorstellen, dass es für die Dame nicht angenehm war.“ Sie sei aber „mehrfach“ aufgefordert worden, zu gehen, so der Leiter der Polizeiinspektion Landshut zu unserer Redaktion. Sie habe das nicht richtig realisiert, sagt dagegen die Frau, die zwischen Unfallverursacher und ihrem Vater hin- und herlief. Damit hatte sie aus Sicht der Polizei dem Platzverweis nicht Folge geleistet und auch die Rettungsarbeiten behindert.

Sorge vor Panikanfall des Vaters

Rechtsanwalt Hans Ulrich Jeromin vertritt die Frau, die Polizisten an einer viel befahrenen Straße an einen Masten gefesselt haben.
Rechtsanwalt Hans Ulrich Jeromin vertritt die Frau, die Polizisten an einer viel befahrenen Straße an einen Masten gefesselt haben. © FMG | FMG

Ihr Anwalt erklärt das: Wegen der medizinischen Vorgeschichte ihres Vaters habe die Frau auf sein Geheiß gedrängt, die Halsmanschette dürfe nicht so eng angelegt werden. Der 76-Jährige bekomme sonst Panik. Nun fixierten die Polizisten die aufgeregte Frau, die sich nicht von ihrem Vater wegschicken lassen wollte, am Masten.

Rechtsanwalt Jeromin meint, der Polizeibeamte an der Unfallstelle hätte einen anderen Weg finden können und müssen, seine „verständlicherweise aufgeregte“ Mandantin zu beruhigen. Nach seiner ersten Einschätzung war „die Fesselung in dieser Form bzw. an einer solchen Stelle unverhältnismäßig und deshalb schon rechtswidrig“.

Er hat die Akteneinsicht beantragt. Die Frau hat ihn derzeit lediglich beauftragt, sämtliche getroffenen Maßnahmen der Polizei auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Rechtliche Schritte gegen den oder die Verantwortlichen würden derzeit noch geprüft.

Polizeichef: Ins Polizeiauto setzen ging nicht

Polizeichef Eibensteiner hält das Fesseln an den Fahnenmasten „im Prinzip noch für die mildere Maßnahme“. Wenn man die Frau in den Polizeiwagen hätte verfrachten wollen, hätte man das vielleicht nur mit größerer Gewalt geschafft. Die Möglichkeit dazu habe es aber auch nicht gegeben: Die Beamten waren zu zweit an der Einsatzstelle, einer hätte dann auch bei der Frau im Wagen bleiben müssen, so Eibensteiner. „Als der Verletzte versorgt war, wurde sie auch sofort wieder befreit.“ Fünf bis sechs Minuten habe sie da gestanden. Die Frau dagegen spricht von 20 Minuten.