Köln. Michael Wendler hat an fast allen denkbaren Promi-Shows im TV teilgenommen. Doch Schlager singt er noch immer – auf einem neuen Album.
Es ist nicht ganz einfach, bei Michael Wendler über Musik zu reden. In den vergangenen Jahren ist er durch derart viele Promi-Sendungen getingelt („Dschungelcamp“, „Schlag den Star“, „Promi Big Brother“, „Let’s Dance“, „Goodbye Deutschland“), dass man meinen könnte, das sei sein eigentlicher Job. Hinzu kamen mal wieder allerhand kuriose Schlagzeilen („1,5 Tonnen Wendler-CDs in Altkleidercontainer entsorgt“, wir berichteten), die zwar seinen Ruf als Promi-Phänomen festigten, meist aber nichts bis wenig mit dem künstlerischen Wirken des singenden Speditionskaufmanns aus Dinslaken zu tun hatten.
Aber: Michael Wendler ist Schlagersänger, immer noch. Den aktuellen Nachweis dafür stellt er am Freitag (28. Juli) in die Platten-Regale. Er heißt „Flucht nach vorn“ und ist der „neueste, extrem persönliche Longplayer“ des 45-Jährigen, wie ihn seine Plattenfirma bewirbt.
Wendler-Songs handeln oft von Liebe, Trennung und Nächten
Ein „Gefühlsalbum“ und „zu 100% von ihm selbst geschrieben“. Es ist das 17. Studioalbum des Wendler, der von sich selbst ja gern in der dritten Person spricht. Vorherige Alben erreichten regelmäßig die Top Ten der Charts. Man sollte also doch mal über die Musik von Michael Wendler reden.
Macht man das, kann man sich mit seiner neuen Platte in eine Welt vertiefen, in der es oft um Liebe, Trennungen und Nächte geht. Wendler hat dafür seinen angestammten Produzenten Hermann Niesig in die USA einfliegen lassen, wie es heißt. Nach Amerika ist er – begleitet von der Vox-Dokusoap „Goodbye Deutschland“ – ausgewandert. Hält er sich in Deutschland auf, wohnt er allerdings auch weiterhin auf seiner Ranch in Dinslaken, wie eine Sprecherin bestätigt.
Ruhige Nummer auch als Discofox-Version
Man tritt der Platte nicht zu nahe, wenn man sie musikalisch eher Dinslaken als den USA zuordnet. Der Sound ist bekannt, mit wummernden Tanz-Beats, schon oft gehört. Mit „Immer noch“ ist auch die obligatorische Anleihe an seine Erfolgs-Single „Sie liebt den DJ“ zu hören. Die erste Auskopplung „Gut, dass Männer nie weinen“ – eine vergleichsweise ruhige Nummer – ist zur Sicherheit auch noch mal als Discofox-Version abgemischt.
So lebt der Wendler jetzt in Florida
Textlich greift Wendler dabei mitunter ganz schön in die Phrasen-Kiste des Popschlagers, zu dessen König er sich selbst ernannt hat („Wir tanzen im Herztakt, ich lass' dich einfach nicht mehr los. Und alles scheint unendlich groß.“). Manchmal kippt das auch in ziemlich verrutschte Sprachbilder, etwa wenn Wendler über „Küsse aus Beton“ sinniert.
Fans werden neues Wendler-Album mögen
Seinen Fans dürfte es gleichwohl ziemlich schnurz sein, dass aus ihrem Idol kein großer Poet mehr wird. Im schlageresken Großraumdisco-Milieu ist das traditionell auch kein Kriterium. Die Wendler-Anhänger haben einst aus einem Nobody, der durch Diskotheken am Niederrhein tingelte, ein etabliertes Medien-Phänomen gemacht. Sie werden auch diese Platte mögen. Der Wendler liefert.
Alle anderen werden dem Wendler wohl erst wieder in irgendeinem Promi-Special im Fernsehen begegnen und sich womöglich freuen, dass es etwas gibt, über das sie bei Twitter lästern können. Ganz leise könnten sie sich allerdings auch fragen, ob sie damit nicht Teil des großen Wendler'schen Gesamtkunstwerkes sind, das ihn in den Zeiten zwischen seinen Platten im Gespräch hält. (dpa)