Washington. Wegen des Mordes an seiner Frau wurde er freigesprochen – in Haft landete Sportstar O.J. Simpson dennoch. Jetzt könnte er freikommen.

Am Donnerstag entscheidet sich, ob Amerikas prominentester schwarzer Häftling – Nr. 1027820 – in Freiheit kommt. Und wie so oft, wenn der Name O.J. Simpson auftaucht, spielen viele US-Medien wieder verrückt. 250 Journalisten wollen dabei sein, wenn die Justizbehörde im US-Bundesstaat Nevada darüber befindet, ob der 70-Jährige ehemalige Football-Superstar eine Verkürzung seiner Haftstrafe verdient hat.

Simpson war 2008 wegen eines bizarren Raubüberfalls und einer Entführung in Las Vegas zu bis zu 33 Jahren verurteilt worden. Der Mann, den viele Amerikaner immer noch „The Juice“ (der Saft) nennen, hatte gemeinsam mit Komplizen zwei Trophäenhändler überfallen. Begründung: Sie waren im Besitz von Football-Andenken, Erinnerungsstücken und privaten Fotos, von denen Simpson behauptete, sie seien ihm gestohlen worden.

Schaulustige verfolgten Simpsons Flucht vor der Polizei

Für seine Tat wanderte O.J. ins Lovelock Correctional Center. Von dort wird der inzwischen ergraute, aber durch regelmäßiges Training physisch stark gebliebene Ex-Spitzensportler per Video in die Verhandlung zugeschaltet, die der Sportkanal ESPN federführend übertragen wird. Live wie damals, Mitte der 90er Jahre, als Simpson weltweit Mediengeschichte schrieb.

Als die Polizei nach dem Mord an seiner Frau Nicole Brown Simpson und deren Liebhaber Ronald Goldman aufkreuzte, um den dringend tatverdächtigen Simpson abzuholen, lieferte das damalige Idol von Millionen Amerikanern den Fahndern ein surreales Katz-und-Maus-Spiel. Stundenlang kurvte er in einem weißen Ford Bronco durch Los Angeles, im Schlepptau eine Kolonne von Polizeiwagen, ein Dutzend Fernseh-Hubschrauber und Tausende Schaulustige an den Straßen.

Spektakulärer Freispruch nach Mordprozess

Der nachfolgende Indizien-Prozess, der das Land monatelang in Atem hielt und die Debatte um Rassismus und Voreingenommenheit der Justiz befeuerte, endetet mit einem spektakulären Freispruch, über den das schwarze Amerika jubelte, während viele Weiße die Faust in der Tasche ballten.

Denn Simpson nährte immer wieder den Verdacht, dass er doch schuldig war. In seinem Skandalbuch „If I Did It“ (Wenn ich es getan hätte) schildert er das bestialische Verbrechen so, als sei er damals der Mörder gewesen.

Nach Verurteilung wegen Raubs gilt Simpson als Musterhäftling

Diese Koketterie hat sich Simpson in den vergangenen neun Jahren seiner Inhaftierung wegen des Raubs von Las Vegas abtrainiert.

Er gilt als Vorzeigehäftling, hat sich disziplinarisch nie etwas zu Schulden kommen lassen und alle Regeln befolgt. Weswegen sein früherer Anwalt Yale Galenter fest davon ausgeht, dass der vierköpfige Bewährungsausschuss in Carson City ihm ab 1. Oktober die Freiheit gewähren wird. Bereits 2013 erhielt er für einen Teil der Strafe wegen guter Führung „Nachlass“.

Was Simpson in seinem „neuen“ Leben machen würde, ist unklar. Tatsache ist: das Medien-Interesse an ihm ist ungebrochen. Zuletzt beschäftigte sich eine preisgekrönte TV-Serie und ein Marathon-Dokumentar-Film mit seiner Biografie. Klatschblätter spekulieren daher über einen künftigen Auftritt in einer Reality-TV-Serie. Denn Simpson benötigt dringend Einnahmequellen. Nach dem Doppelmord an seiner Ex und deren Liebhaber wurde er in einem Zivilverfahren zur Zahlung von rund 34 Millionen Dollar an die Hinterbliebenen der Toten verurteilt. Er hat bis heute nicht gezahlt.