Berlin. Eine Frau hört Schreie und wählt den Notruf. Kurz darauf ist sie tot, erschossen von der Polizei. Die Hinterbliebenen sind fassungslos.

  • Eine ganze Stadt ist traurig und wütend, nachdem eine Frau von der Polizei erschossen wurde
  • Das Opfer hatte zuvor Schreie gehört und den Notruf gewählt
  • Die Behörden hüllen sich weitgehend in Schweigen

Mehrere Dutzend Angehörige, Freunde, Nachbarn und andere Menschen waren am Montag gekommen, um Don Damond zu unterstützen. Damond wollte sich an die Öffentlichkeit richten, wegen seiner Trauer, vor allem aber wegen seiner Wut. Zwei Tage zuvor war seine Verlobte erschossen worden, mutmaßlich von einem Polizisten. Doch die Behörden hüllten sich zunächst in Schweigen.

Der Fall, über den unter anderem der „Guardian“ breit berichtet, beschäftigt beinahe ganz Minneapolis. Also die Stadt, in der die Australierin Justine Damond bis zu ihrem Tod drei Jahre lang lebte, unter anderem als Meditationscoach und Yoga-Lehrerin arbeitete. Am späten Samstagabend hatte sie offenbar Schreie einer Frau gehört, einen sexuellen Übergriff befürchtet und den Notruf gewählt. Wenig später war sie tot, einer der beiden Polizisten, die auf ihren Notruf reagiert hatten, soll geschossen haben. Allerdings haben die Menschen in Minneapolis keine Klarheit darüber.

Bodycams der Polizisten waren ausgeschaltet

„Leider haben ihre Familie und ich von den Behörden fast keine Informationen darüber bekommen, was passiert ist, nachdem die Polizei ankam“, berichtete Don Damond am Montag. Mehrere Male muss er pausieren, seine Stimme bricht. Vielen seiner Zuhörer geht es ähnlich, sie beschreiben die Verstorbene als eine fröhliche Person, die so gerne anderen Menschen geholfen hat.

Don Damond, der seine Verlobte durch Schüsse der Polizei verlor, richtete sich in einer öffentlichen Ansprache an die Behörden. Viele Nachbarn und Freunde kamen, um ihn dabei zu unterstützen.
Don Damond, der seine Verlobte durch Schüsse der Polizei verlor, richtete sich in einer öffentlichen Ansprache an die Behörden. Viele Nachbarn und Freunde kamen, um ihn dabei zu unterstützen. © REUTERS | Adam Bettcher

Offenbar war sie am Samstag in ihrem Pyjama auf die Beifahrerseite des Polizeiautos zugelaufen, nachdem es eingetroffen war. Ein Beamter, ein Mann mit Wurzeln in Somalia, eröffnete das Feuer, traf Justine Damond in den Bauch. Es gibt einen Audio-Mitschnitt von dem Einsatz, viel mehr aber nicht. Die Body-Cams der Polizisten waren nicht angeschaltet. „Es gibt eine Menge offener Fragen“, sagte auch Betsy Hodges, Bürgermeisterin der 400.000-Einwohner Stadt Minneapolis im Norden der USA.

Mehr als 500 Menschen von US-Polizisten erschossen

Die „Washington Post“ berichtet, dass die somalische Gemeinde in Minneapolis nun Gegenreaktionen fürchtet, dass Islamgegner den Vorfall nutzen, um Stimmung zu machen. An anderen Stellen des Landes entflammt die Debatte über Polizeigewalt neu. Laut der „Washington Post“ ist Damond der 524. Mensch, der in diesem Jahr durch die Kugel eines US-Polizisten getötet wurde.

Wie genau es dazu kam, soll nun eine unabhängige Untersuchungskommission herausfinden. So wird wohl auch Don Damond noch warten müssen, bis er Genaueres über den Tod seiner Verlobten erfährt. Die Polizei, das hat sie mitgeteilt, will keinen weiteren Kommentar abgeben, bis der Fall „gelöst“ ist.