Paris . Jessica Chastain scheut keine heiklen Themen. In ihrem neuen Film „Die Erfindung der Wahrheit“ legt sie sich mit der Waffenlobby an.

Hollywood heiratet europäischen Adel. Das erinnert an Grace Kelly und ihren Fürsten von Monaco. Im Juni wurde ein ähnliches Märchen für die Kalifornierin Jessica Chastain (40, „Interstellar“) wahr. In einem Palast bei Venedig heiratete die Golden-Globe-Gewinnerin den italienischen Grafen Gian Luca Passi de Preposulo (34). Doch Chastain ist nicht nach Paris gekommen, um darüber zu sprechen. Lieber sind ihr politische Themen – leidenschaftliche Antworten sind da sicher.

In Ihrem neuen Film „Die Erfindung der Wahrheit“ (aktuell im Kino) nehmen Sie es als „Miss Sloane“ mit der US-Waffenlobby auf. Wie steht es um Ihr eigenes Verhältnis zu Schusswaffen?

Jessica Chastain: Ich wuchs in einer Familie auf, die Schusswaffen besaß. Wir sind regelmäßig rausgegangen und haben auf Dosen geballert. Ich war auch ziemlich gut. Und wenn ich in einem Film eine Polizistin spielte, habe ich auf dem Schießstand geübt. Übrigens mag es sehr wohl sein, dass Frauen bessere Schützen als Männer sind. Denn die machen alles über ihre Muskelkraft, aber tatsächlich liegt der Trick in der richtigen Atmung. Das ist fast so etwas wie Meditation.

Sie klingen ja richtig begeistert, wenn Sie davon erzählen ...

Na ja, es gibt schon Dinge, die ich lieber tue. Aber ich kann halt gut schießen.

Was halten Sie dann davon, dass Amerikaner so leicht an Waffen kommen?

Ich habe kein Problem damit, wenn sich jemand eine Waffe besorgt, weil er auf die Jagd geht oder sie zu seinem eigenen Schutz braucht. Aber es kann nicht angehen, dass Stalker oder Gewalttäter an Waffen kommen. Da muss es Einschränkungen und Regulierungen geben.

Die Waffengesetzgebung ist freilich nur eines von vielen politischen Themen, mit denen Ihr Land uns derzeit irritiert.

Mich auch. Aber ich muss zugeben, dass ich früher in Sachen Politik viel schlechter informiert war. Erst im Zuge der Entstehung dieses Films habe ich richtig recherchiert. Ich habe von Senatoren gehört, die drei Veranstaltungen zum Spendensammeln besuchen – pro Tag, wohlgemerkt. Wie sollen sie da eigentlich unser Land regieren? Ihr Job scheint darin zu bestehen, Geld aufzutreiben. Geld, das man viel besser verwenden könnte. Seither äußere ich mich auch viel offensiver zu politischen Themen. Auch wenn ich dabei was auf die Nase bekomme.

Inwiefern?

Auf sozialen Netzwerken werde ich ständig attackiert – zum Beispiel, wenn ich einen Beitrag veröffentliche, wie Texas die Gesundheitsversorgung für Frauen radikal zusammenstreicht.

Halten Sie sich selbst für stark?

Ich denke es schon. Aber die Frage ist auch, wie du Stärke definierst. Ich war auf der Theaterhochschule sehr ehrgeizig und selbstfixiert, aber ich habe im Leben gelernt, dass zu wahrer Stärke mehr dazugehört. Ein ganz wichtiger Mentor für mich war Terrence Malick, der Regisseur von „Tree of Life“. Er zeigte mir, was es bedeutet, ein guter Mensch zu sein.

Ich habe zur Vorbereitung spirituelle Exerzitien gemacht, habe viel meditiert und lernte, was Dankbarkeit ist. Du sollst keine vorgefertigten Meinungen haben, sondern im Moment leben, ganz frei, für alles offen.

Mit Ihrem Erfolg wurden Sie auch Teil der Medienöffentlichkeit. Wie gehen Sie damit um?

Ich empfinde es nicht so, als wäre ich Teil einer Öffentlichkeit oder Branche. Ich gehe nur auf Partys, wenn ich muss. Als ich den Golden Globe gewann und jeder mit mir feiern wollte, blieb ich gerade mal 15 Minuten lang. Ich muss nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.

Sie haben angeblich auch noch ein anderes Pro­blem, das Ihr Erfolg verschärft haben dürfte: Angst vor dem Fliegen.

Richtig. Aber ich habe dafür auch eine Lösung: Jedes Mal, bevor ich ein Flugzeug betrete, küsse ich die Maschine.