Madrid/Berlin. Vaterschaftsklage: Legendärer spanischer Maler Salvador Dalí soll für einen DNA-Test exhumiert werden. Er galt als sexuell gestört.

Als der Meister des Surrealismus 1989 mit 84 Jahren starb, sollte sein Leichnam die Zeit überdauern. Auf Salvador Dalís Wunsch hin wurde er nach seinem Tod einbalsamiert – mindestens drei Jahrhunderte sollte sein Körper fortbestehen. Doch nun wird Dalí exhumiert: Eine Spanierin behauptet, seine Tochter zu sein – und will das mittels eines DNA-Tests beweisen.

Eine Richterin in Madrid ordnete die Ausgrabung am Montag an. Pilar Abel Martínez hatte die Vaterschaftsklage eingereicht. Martínez wurde 1956 in Dalís katalanischem Heimatort Figueres geboren und in Spanien bekannt, seit sie vor Jahren im Fernsehen als Wahrsagerin aufgetreten ist. Sie behauptet bereits seit 2007, ihre Mutter habe als Hausangestellte eine Liebesbeziehung zu dem legendären Maler, Bildhauer, Grafiker und Schriftsteller unterhalten.

Sexuelle Störungen

Sie sei das Resultat dieser Affäre, das habe ihr ihre Mutter erzählt, schreibt die spanische Zeitung „El País“: „Mir fehlt nur der Schnurrbart, ansonsten bin ich ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.“ Die Entscheidung des Gerichts kommt für viele Dalí-Kenner überraschend: Der Maler – offiziell kinderlos – litt angeblich unter schweren sexuellen Störungen. Er gab an, impotent und in erotischen Dingen vollkommen unerfahren zu sein. Angeblich litt er unter einer „Vagina-Phobie“. Ob er das ernst meinte, darf hinterfragt werden.

„Sexuelle Besessenheit ist Voraussetzung für jedes künstlerische Schaffen“, erklärte er einmal. Und, wie so häufig von sich in der dritten Person sprechend: „Alle seine erotischen Fantasien sublimiert Dalí in wunderbaren Werken.“ Ob Dalí tatsächlich der Vater ist, muss die DNA-Analyse klären. Falls sich sein Verhältnis mit dem Dienstmädchen nachweisen lässt, wäre das ein deutlicher Hinweis darauf, dass seine schweren sexuellen Störungen nur ein Marketingtrick waren. Dass Frauen in seinem Leben eine große Rolle spielten, ist unter seinen Bewunderern längst bekannt. Dalí war eine exzentrische Figur.

Umstrittener Geschäftemacher

Sein Markenzeichen: der stilvoll gezwirbelte Schnurrbart, den er nach eigenen Angaben allmorgendlich mithilfe der Exkremente seines zahmen Ozelots in Form brachte. Als Reporter des Magazins „Stern“ um ein Interview baten, lud er sie sofort ein. Einzige Bedingung, so schilderte es später der deutsche Fotograf: „Wir müssten ein hübsches Model mitbringen, an dem sich seine Inspiration entzünden könne.“

Die Inspiration seines Lebens war seine Ehefrau Gala (bürgerlich: Helena Deluwiana Diakonoff). Sie war nicht nur seine Managerin, sondern vor allem seine Muse. Zusammen vermarkteten sie seine Kunst. Dalí war auch ein umstrittener Geschäftemacher. Er schmeichelte dem spanischen Faschistenführer Franco und verkaufte in seinen letzten Lebensjahren signierte Blanko-Bögen. 1984 machte er deswegen Schlagzeilen: Dalí, so der Vorwurf damals, habe Fälschungen seiner Werke billigend in Kauf genommen. Experten gehen davon aus, dass etwa 90 Prozent der auf dem Markt befindlichen Dalí-Grafiken gar nicht vom Meister gemalt wurden.

Anspruch auf Erbe

Trotzdem oder gerade deswegen wurde er zu einem der populärsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Zu den berühmtesten Werken des Surrealisten gehört das Bild von den schmelzenden Uhren. Dalí malte „Die Beständigkeit der Erinnerung“, auch „Die zerrinnende Zeit“ oder „Die weichen Uhren“ genannt, 1931 mit 27 Jahren, es ist im New Yorker Museum of Modern Art zu sehen.

Die Exhumierung Dalís werde womöglich im Juli stattfinden, sagte Martínez’ Anwalt. Einzigartig ist die Untersuchung nicht: Auch der Leichnam des Sängers James Brown wurde wegen einer Vaterschaftsklage wieder ausgegraben. Bei ihm war es allerdings schwierig, an DNA zu kommen, da sein Leichnam voller Einbalsamierungsflüssigkeit war. Um ans Knochenmark zu gelangen, sägte man dem legendären Tänzer schließlich die Beine ab. Sollte Dalí tatsächlich Pilar Abel Martínez’ Vater sein, hätte sie wohl Anspruch auf einen Teil des Erbes. Dalí galt als einer der reichsten Künstler seiner Zeit.