Walbrzych. 2015 begann in Polen der Hype um einen unterirdischen Nazi-Zug. Gefunden wurde nichts. Nun starten die Schatzjäger eine neue Suche.

Er muss doch da sein, dieser sagenumwobene Panzerzug der Nazis, vollbeladen mit Schätzen, irgendwo im Nirgendwo Niederschlesiens. Zumindest Piotr Koper und Andreas Richter scheinen davon fest überzeugt zu sein. Mittlerweile sind schon zwei Jahre vergangen, seitdem sich die beiden Hobbyhistoriker aufmachten, der Legende hinterherzujagen. Und noch immer furchen sie durch den Waldboden nahe der Bahnstrecke zwischen Wroclaw und Jelenia Gora.

Nachdem die ersten Grabungen im vergangenen Jahr nichts Überraschendes zutage gefördert hatten, wollen die Schatzjäger in diesen Tagen einen neuen Versuch starten. Wie das polnische Portal „onet“ berichtet, haben Koper und Richter in der vergangenen Woche die letzten Genehmigungen bekommen, um die Suche nach dem mysteriösen Nazi-Tunnel fortsetzen zu können. Diesmal soll nicht gebaggert, sondern mit elektronischem Gerät das Erdreich gescannt werden.

Experten schließen Existenz des Goldzugs aus

Im Sommer 2015 sorgten der Pole Koper und sein deutscher Kollege Richter mit ihrer Behauptung, sie hätten einen unterirdischen „Goldzug“ aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gefunden, für einen europaweiten Medien-Hype. Eine Geschichte wie aus dem Drehbuch eines Indiana-Jones-Films. Schnell gab es T-Shirts mit „Goldzug“-Aufdruck, Erkundungstouren zum angeblichen Fundort. Schatzsucher, Touristen, Journalisten machten sich auf nach Walbrzych (Waldenburg), von wo aus Koper und Richter auf die Suche gingen. In der 120.000-Einwohner-Stadt klingelten die Kassen.

Die beiden Schatzsucher Andreas Richter (links) und Piotr Koper zu Beginn der Grabungen nach dem Nazi-Goldzug bei Walbrzych im August 2016.
Die beiden Schatzsucher Andreas Richter (links) und Piotr Koper zu Beginn der Grabungen nach dem Nazi-Goldzug bei Walbrzych im August 2016. © imago/Eastnews | imago stock&people

Nur die Experten wollten nicht so recht mitmachen bei der euphorischen Fantasterei. Die dubiosen, schemenhaften Aufnahmen, von Koper und Richter als Georadarbilder verkauft, die die Existenz des Nazi-Zugs beweisen sollen, wurden mehrfach als Fälschung abgetan. Krakauer Geophysiker untersuchten das fragliche Terrain und schlossen die Existenz des Zuges aus.

Suche soll in diesen Wochen weitergehen

Auch Historiker zweifeln die Geschichte an. Ingo Loose vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin etwa sagte unserer Redaktion, die Nazis hätten wohl kaum Schätze in einem Gebiet versteckt, von dem sie gegen Kriegsende hatten annehmen müssen, dass es in die Hände der Roten Armee fällt. Trotz alledem fingen Koper und Richter 2016 an zu buddeln.

Kamerateams begleiteten die Bagger auf ihrem Weg zur Ausgrabungsstelle, bei Facebook konnte man am ersten Tag des Unternehmens live dabei sein. Bis heute hat die Suche 15.000 Euro gekostet – und nichts eingebracht. Trotzdem soll sie nun weitergehen. „Vielleicht noch in diesem Monat“, sagte Piotr Koper der Deutschen Presse-Agentur. Koper scheinen sie nicht loslassen zu wollen, die Puzzleteile, die sich zu einer hübschen Geschichte zusammenbauen lassen – wenn man denn bauen mag.

Nazi-Tunnelbau bei Walbrzych gibt Rätsel auf

Die Nazis schafften in den letzten Kriegsmonaten eilig allerlei geraubte Schätze davon. Nicht wenige wurden von den Alliierten in unterirdischen Verstecken wiederentdeckt. Gerade in diese Zeit der Versteckerei fällt auch ein riesiges NS-Bauvorhaben in der Region um Walbrzych. Unter dem nahen Schloss Fürstenstein wurde ein riesiges Stollensystem gegraben. Ob es ein weiterer Führerbunker oder eine unterirdische Waffenschmiede werden sollte – das „Projekt Riese“ gibt bis heute Rätsel auf. Vor dem Eintreffen der Roten Armee wurden alle Pläne und Dokumente zerstört. Nur ein kleiner Teil der weitläufigen Tunnel-Anlage ist heute touristisch erschlossen.

Ein Stollen des Projekts „Riese“, bei dem die Nazis in Niederschlesien viele Kilometer unterirdische Gänge anlegten.
Ein Stollen des Projekts „Riese“, bei dem die Nazis in Niederschlesien viele Kilometer unterirdische Gänge anlegten. © imago/Forum | imago stock&people

Da verwundert es auch nicht, dass die Schatzsuche in Niederschlesien kein ganz neues Phänomen ist. Schon seit Jahrzehnten versuchen Hobbyhistoriker und ­-archäologen herauszufinden, ob an den alten Geschichten etwas dran ist. Angeblich soll Ende 1944 oder Anfang 1945 ein Zug mit dem „Schatz des Dritten Reiches“ aus Breslau aufgebrochen sein – Richtung Walbrzych.

Die Lokomotive des gepanzerten Zuges soll zwölf Waggons gezogen haben, die jeweils bis zu 20 Tonnen Wertsachen enthielten. Selbst vom legendären Bernsteinzimmer ist die Rede. Die Geschichte hat ein blutiges Ende: Irgendwo auf der Strecke soll der Zug gestoppt worden sein, die deutschen Eisenbahner und Soldaten, die den Transport sicherten, wurden angeblich ermordet und durch SS-Truppen ersetzt. Was dann aus dem Zug wurde, ist unbekannt.