Lissabon. Dutzende Menschen sind bei einem Brand in Portugal gestorben, Dörfer blieben isoliert. Nun wächst Kritik am Vorgehen der Feuerwehr.

  • Mindestens 62 Menschen sind in Portugal durch einen Waldbrand gestorben
  • Mehrere Dörfer waren von den Flammen völlig eingekesselt
  • Die Kriminalpolizei vermutet inzwischen einen Blitzschlag als Ursache

Beim einem der schlimmsten Waldbrände in Portugals Geschichte sind mindestens 61 Menschen ums Leben gekommen. Viele der Opfer verbrannten in ihren Autos bis zur Unkenntlichkeit, mehrere Dörfer wurden von den Flammen in Mitleidenschaft gezogen, Dutzende Häuser wurden zerstört. Ein Blitzeinschlag hatte den Brand laut Polizei am Samstagnachmittag in der Region Pedrógão Grande ausgelöst. Die Gegend liegt knapp 200 Kilometer nordöstlich von Lissabon. Das Feuer breitete sich dann vor allem am späten Samstagabend wegen starker Winde rasch aus.

Nach dem nächtlichen Feuerinferno bot das sonst beschauliche Naturparadies Pedrógão Grande ein Bild des Grauens. Während die Feuerwehr einige Hundert Meter weiter die Flammen weiter unermüdlich bekämpfte, irrten am Sonntag einige Menschen in ausgebrannten Dörfern und Feldern umher, hilflos und verzweifelt. Schreie waren zu hören: „Wo ist meine Mutter?“ und „Ich finde meine Tante nicht“. Dort, wo bis Samstag noch Pinien und schmucke Häuschen standen, wo sich Wanderer und Wassersportler auf Lagunen und Stauseen vergnügten, waren nur noch schwarzgraue Asche und viel Rauch zu sehen.

Die Zahl der Todesopfer wurde am frühen Sonntagabend von Ministerpräsident António Costa von 62 auf 61 korrigiert. Es wurde aber noch mit einem Anstieg der Opferzahlen gerechnet. Einige betroffene Dörfer habe man wegen der noch stark wütenden Flammen nicht erreichen können, sagte der Staatssekretär im Innenministerium Jorge Gomes. Es ist der Waldbrand mit den meisten Todesopfern in Portugal seit Beginn der Aufzeichnungen.

Starke Winde behindern die Löscharbeiten

Verheerender Waldbrand in Portugal

Im Norden der portugiesischen Hauptstadt Lissabon richten Waldbrände große Schäden an. Bilder zeigen das Ausmaß der Katastrophe. Ein Mann beobachtet auf dem Balkon eines Hauses einen Waldbrand auf einem Hügel nahe der Stadt.
Im Norden der portugiesischen Hauptstadt Lissabon richten Waldbrände große Schäden an. Bilder zeigen das Ausmaß der Katastrophe. Ein Mann beobachtet auf dem Balkon eines Hauses einen Waldbrand auf einem Hügel nahe der Stadt. © dpa | Armando Franca
Feuerwehrleute versuchen den Waldbrand zu löschen. Starke Winde fachen die Flammen weiter an.
Feuerwehrleute versuchen den Waldbrand zu löschen. Starke Winde fachen die Flammen weiter an. © dpa | Armando Franca
Bei den Waldbränden sind Dutzende Menschen getötet und verletzt worden. Vor allem traf es viele überraschte Autofahrer, die von den Flammen eingekesselt wurden und in ihren Fahrzeugen umkamen.
Bei den Waldbränden sind Dutzende Menschen getötet und verletzt worden. Vor allem traf es viele überraschte Autofahrer, die von den Flammen eingekesselt wurden und in ihren Fahrzeugen umkamen. © REUTERS | STAFF
Die Gegend Pedrógão Grande gilt unter Naturliebhabern in Portugal als Geheimtipp. Aus Spanien und Frankreich wurden Löschflugzeuge angefordert.
Die Gegend Pedrógão Grande gilt unter Naturliebhabern in Portugal als Geheimtipp. Aus Spanien und Frankreich wurden Löschflugzeuge angefordert. © REUTERS | STAFF
Dichter Rauch zieht sich über eine Straße, die durch einen Wald führt. Die EU hat bereits ihre Unterstützung zugesagt.
Dichter Rauch zieht sich über eine Straße, die durch einen Wald führt. Die EU hat bereits ihre Unterstützung zugesagt. © REUTERS | RAFAEL MARCHANTE
Auf manchen Straßen stehen ausgebrannte Autos. Die Insassen haben sich meist nicht retten können.
Auf manchen Straßen stehen ausgebrannte Autos. Die Insassen haben sich meist nicht retten können. © dpa | Armando Franca
Die Löscharbeiten gingen am Sonntag auf Hochtouren weiter.
Die Löscharbeiten gingen am Sonntag auf Hochtouren weiter. © dpa | Armando Franca
Auf dieser Landstraße zwischen Castanheira de Pera und Figueiro dos Vinhos rollt der Verkehr wieder - am ausgebrannten Auto vorbei.
Auf dieser Landstraße zwischen Castanheira de Pera und Figueiro dos Vinhos rollt der Verkehr wieder - am ausgebrannten Auto vorbei. © dpa | Armando Franca
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Dutzende Menschen wurden bei dem verhängnisvollen Waldbrand zum teil schwer verletzt. Wie groß die betroffene Fläche ist, war zunächst unklar. Am Sonntagnachmittag hatte die Feuerwehr zwei der vier Feuerfronten unter Kontrolle, sagte Gomes. Knapp 700 Feuerwehrmänner kämpften am Abend mit mehr als 215 Fahrzeugen und vier Löschflugzeugen gegen die Flammen.​

Der Einsatz von Löschflugzeugen und Hubschraubern sei am Sonntag zunächst aufgrund der starken Rauchentwicklung unmöglich gewesen, sagte Gomes. Die extreme Trockenheit und die starken Winde behinderten weiterhin die Löscharbeiten. In der Region ist es derzeit sehr heiß mit Temperaturen von deutlich über 30 Grad.

Ministerpräsident Costa kündigte eine dreitägige Staatstrauer von Montag bis Mittwoch an. Zudem wurde am Sonntag mit einem Moment des Schweigens vor der Confed-Cup-Partie Portugal gegen Mexiko der zahlreichen Todesopfer gedacht. Cristiano Ronaldo & Co. trugen im russischen Kasan Trauerflor.

„Wir haben alles verloren“

Das Leiden stand den unzähligen Betroffenen der Region ins Gesicht geschrieben. „Wir haben alles verloren, unser Haus, unsere Tiere, alles“, erzählte eine ältere Frau unter Tränen dem TV-Sender RTP. Ein Mann sagte kopfschüttelnd: „In meinen 53 Jahren habe ich so etwas nicht gesehen.“

Es gebe einige Dörfer, die „von den Flammen völlig eingekesselt“ seien, hatte in der Nacht der Bürgermeister von Pedrógão Grande, Valdemar Alves, der Zeitung „Público“ gesagt.

Nach Angaben des Innenministeriums waren etliche der später tot geborgenen Menschen mit ihren Fahrzeugen unterwegs, als die Flammen sie plötzlich einschlossen. Auf Bildern waren ausgebrannte Autos, brennende Bäume und Häuser zu sehen.

Feuerwehr zu Beginn völlig überfordert

Das Feuer wurde nach Angaben der Polizei durch einen Blitzschlag ausgelöst. „Alles deutet ganz klar auf natürliche Ursachen hin“, sagte der Direktor der Kriminalpolizei, José Almeida Rodrigues, der portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa. Zuvor hatte Bürgermeister Alves noch gesagt, er sei überzeugt, dass das Feuer gelegt wurde.

Zu Beginn war die Feuerwehr nach Angaben von Augenzeugen völlig überfordert. „Als die Flammen in der Nacht unseren Häusern immer näherkamen, habe ich stundenlang keinen einzigen Feuerwehrmann gesehen“, sagte eine ältere Frau dem Fernsehsender RTP. Bürgermeister Alves hatte zuvor eine „ungenügende Zahl von Einsatzkräften“ beklagt.

„Wir hatten weder Wasser noch Strom und wurden zu allem Übel unserem Schicksal überlassen“, schimpfte auch António Pires. Der angesehene Forstwissenschaftler Paulo Fernandes von der Universität Trás-os-Montes versicherte sogar, man hätte die Tragödie vom Wochenende verhindern können. Oder zumindest das Ausmaß der Katastrophe etwa durch rechtzeitiges Sperren von Straßen in Grenzen halten können. Man müsse unter anderem die meteorologischen Daten besser nutzen, fordert er.

EU unterstützt Portugal mit Löschflugzeugen

Die EU sagte Portugal Hilfe zu. Auf Bitte des Landes würden Löschflugzeuge organisiert. Frankreich habe sofort drei Maschinen zugesagt. Zusätzlich helfe Spanien mit zwei Flugzeugen.

Auch die Bundesregierung bot Portugal Hilfe an, wie Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter schrieb. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe gegenüber dem portugiesischen Ministerpräsidenten António Costa zudem die Anteilnahme der Deutschen zum Ausdruck gebracht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schickte Rebelo de Sousa ein Kondolenzschreiben. Darin heißt es: „Die dramatischen Bilder von dem zerstörerischen Waldbrand in Portugal, dem so viele Menschen nicht entfliehen konnten, haben mich sehr betroffen.“ (dpa)