London. Das Feuer in dem Londoner Hochhaus breitete sich schnell aus. Die Mieter sollen schon 2016 über Mängel beim Brandschutz geklagt haben.

  • Im Grenfell Tower im Westen Londons ist in der Nacht zum Mittwoch ein Feuer ausgebrochen
  • Mindestens sechs Menschen kamen bei dem Brand ums Leben, Dutzende wurden verletzt
  • Der Brandschutz war schon früher bemängelt worden

London erlebt die nächste Katastrophe. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wütete ein Großbrand in einem Hochhaus im Westteil der Stadt. Mehrere hundert Anwohner waren betroffen, mehrere Menschen starben, über 70 wurden verletzt.

Der Labour-Chef Jeremy Corbyn twitterte: „Bin tief bestürzt über das, was im Grenfell Tower passierte.“ Der Bürgermeister von London Sadiq Khan sprach den Opfern sein Beileid aus: „Meine Gedanken sind mit ihnen“. Der Bürgermeister wies auch darauf hin, dass Anwohner schon seit geraumer Zeit besorgt gewesen waren über Mängel beim Brandschutz des Hochhauses: „Es wird über die nächsten Tage sehr viele Fragen über die Ursachen dieser Tragödie geben, und ich möchte den Londonern versichern, dass wir dazu die Antworten finden“, sagte Khan.

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Löschzug traf innerhalb von sechs Minuten ein

Das Unglück nahm seinen Lauf in den frühen Morgenstunden am Mittwoch. Um 0.54 Uhr wurde die Londoner Feuerwehr benachrichtigt: Brand im „Grenfell Tower“, einem 24-stöckigen Hochhaus in Nord-Kensington. Innerhalb von sechs Minuten trifft der erste Löschzug ein, im Laufe der Nacht rücken mehr als 40 Löschzüge und über 200 Feuerwehrleute an.

Das Feuer breitet sich schnell aus, gegen drei Uhr früh steht der Wohnblock in einem Flammenmeer. Fast das gesamte Hochhaus brennt aus. Über 70 Bewohner wurden inzwischen in die umliegenden Krankenhäuser gebracht, 20 von ihnen seien in einem kritischen Zustand, teilten die Rettungskräfte am Mittwochmittag über Twitter mit Am Dienstagmorgen gab die Polizei bekannt, dass mindestens sechs Menschen umkamen, die Zahl der Opfer aber noch steigen könne. Am Abend korrigieren die Beamten die Zahl der Toten auf zwölf. Die Ursache des Unglücks sei noch nicht geklärt, hieß es.

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Kinder in nasse Handtücher gewickelt

Eine mögliche Ursache erwähnt Mahad Egal, der im vierten Stock des Grenfell Tower wohnt. Sein Nachbar von Nummer 16, sagte er gegenüber der BBC, habe ihm erzählt, dass dessen Kühlschrank explodiert sei und den Brand ausgelöst habe. Egal ist Vater von einem drei- und einem vierjährigen Kind. Er war gegen ein Uhr früh aufgewacht, weil jemand gegen die Wohnungstür geklopft habe, einen Feueralarm habe er nicht gehört.

Egal wickelte seinen Kindern nasse Handtücher um den Kopf und flüchtete mit ihnen und seiner Frau über die Treppen nach unten: „Alles war dunkel, alles war voller Rauch. Wir gehörten zu den ersten, die es aus dem Gebäude geschafft haben.“

„Wie bei 9/11“

Draußen habe er gesehen, dass das Feuer noch lediglich im vierten Stock gebrannt habe. „Doch dann ist es ganz schnell nach oben geklettert.“ Auch Anwohner Mark Thomas berichtet, wie sich der Brand sehr schnell ausgebreitet hat: „Die Fassadenverkleidung hat wie Papier gebrannt“.

Als der Londoner Grenfell Tower brannte

Am 14. Juni 2017 zerstörte ein gewaltiges Feuer den Grenfell Tower in London. Es war der schlimmste Hochhausbrand der britischen Geschichte. Bei dem verheerenden Unglück starben 71 Menschen.
Am 14. Juni 2017 zerstörte ein gewaltiges Feuer den Grenfell Tower in London. Es war der schlimmste Hochhausbrand der britischen Geschichte. Bei dem verheerenden Unglück starben 71 Menschen. © dpa | Matt Dunham
Feuerwehr und Polizei wurden um 1 Uhr nachts alarmiert. Die Behörden entsandten daraufhin Helfer und Spezialisten.
Feuerwehr und Polizei wurden um 1 Uhr nachts alarmiert. Die Behörden entsandten daraufhin Helfer und Spezialisten. © dpa | Uncredited
200 Feuerwehrleute rückten an. „Das ist ein großer und sehr schwerwiegender Vorfall“, sagte damals Dan Daly von der Londoner Feuerwehr.
200 Feuerwehrleute rückten an. „Das ist ein großer und sehr schwerwiegender Vorfall“, sagte damals Dan Daly von der Londoner Feuerwehr. © REUTERS | REUTERS / TOBY MELVILLE
Auch während die Flammen loderten, sahen Augenzeugen noch Menschen in dem Gebäude.
Auch während die Flammen loderten, sahen Augenzeugen noch Menschen in dem Gebäude. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Kilometerweit waren die Rauchwolke und das Feuer zu sehen.
Kilometerweit waren die Rauchwolke und das Feuer zu sehen. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Auch Helikopter kamen in der Brandnacht am 14. Juni zum Einsatz.
Auch Helikopter kamen in der Brandnacht am 14. Juni zum Einsatz. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Das Feuer produzierte Unmengen an Rauch.
Das Feuer produzierte Unmengen an Rauch. © dpa | Matt Dunham
Die verkohlte Ruine ragte einen Monat nach dem Brand wie ein Mahnmal über dem Viertel.
Die verkohlte Ruine ragte einen Monat nach dem Brand wie ein Mahnmal über dem Viertel. © REUTERS | REUTERS / STRINGER
Schaulustige versammelten sich in Sichtweite und beobachteten das Feuer.
Schaulustige versammelten sich in Sichtweite und beobachteten das Feuer. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Doch nicht nur Schaulustige, sondern auch Helfer waren schnell vor Ort. In einer Turnhalle wurden provisorische Schlafplätze eingerichtet.
Doch nicht nur Schaulustige, sondern auch Helfer waren schnell vor Ort. In einer Turnhalle wurden provisorische Schlafplätze eingerichtet. © dpa | Jack Hardy
Vor allem in nahegelegenen Gemeindezentren gaben Londoner Bürger Spenden für die ehemaligen Bewohner des Hochhauses ab.
Vor allem in nahegelegenen Gemeindezentren gaben Londoner Bürger Spenden für die ehemaligen Bewohner des Hochhauses ab. © Getty Images | Carl Court
Zudem wurden zahlreiche Spenden von Firmen und Hilfsorganisationen in die Nähe des Brandortes gebracht.
Zudem wurden zahlreiche Spenden von Firmen und Hilfsorganisationen in die Nähe des Brandortes gebracht. © Getty Images | Jack Taylor
Die Feuerwehr schickte nach eigenen Angaben rund 40 Löschfahrzeuge an den Einsatzort.
Die Feuerwehr schickte nach eigenen Angaben rund 40 Löschfahrzeuge an den Einsatzort. © dpa | Matt Dunham
Riesige Rauchsäulen breiteten sich über dem Himmel Londons aus.
Riesige Rauchsäulen breiteten sich über dem Himmel Londons aus. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Mit Wasserwerfern gingen die Einsatzkräfte gegen die um sich schlagenden Flammen vor.
Mit Wasserwerfern gingen die Einsatzkräfte gegen die um sich schlagenden Flammen vor. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Nach Zeugenberichten standen viele Menschen verzweifelt im brennenden Hochhaus an den Fenstern und schrien um ihr Leben.
Nach Zeugenberichten standen viele Menschen verzweifelt im brennenden Hochhaus an den Fenstern und schrien um ihr Leben. © dpa | Matt Dunham
Trümmerteile lösten sich von dem Gebäude ...
Trümmerteile lösten sich von dem Gebäude ... © REUTERS | TOBY MELVILLE
... und fielen noch brennend zu Boden.
... und fielen noch brennend zu Boden. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Die Behörden warnten zunächst davor, dass das Hochhaus womöglich einstürzen könnte.
Die Behörden warnten zunächst davor, dass das Hochhaus womöglich einstürzen könnte. © REUTERS | NEIL HALL
Das gesamte Gebiet um den Tower wurde deshalb abgesperrt.
Das gesamte Gebiet um den Tower wurde deshalb abgesperrt. © REUTERS | TOBY MELVILLE
Laut Nachbarn soll das Gebäude auch einen Kindergarten und einen Boxclub beherbergt haben.
Laut Nachbarn soll das Gebäude auch einen Kindergarten und einen Boxclub beherbergt haben. © dpa | Ray Tang
Eine Schule in der Nähe des brennenden Hochhauses in London blieb an dem Tag geschlossen.
Eine Schule in der Nähe des brennenden Hochhauses in London blieb an dem Tag geschlossen. © Getty Images | Leon Neal
Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte waren vor Ort. „Wir müssen die Leute in Sicherheit bringen und sie so schnell wie möglich medizinisch versorgen“, sagte der Leiter der Rettungskräfte, Stuart Crighton.
Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte waren vor Ort. „Wir müssen die Leute in Sicherheit bringen und sie so schnell wie möglich medizinisch versorgen“, sagte der Leiter der Rettungskräfte, Stuart Crighton. © REUTERS | NEIL HALL
Dutzende Verletzte wurden in verschiedene Krankenhäusern in der Stadt untergebracht. 71 Menschen kamen ums Leben. Dazu zählt auch ein nach dem Feuer tot geborenes Baby.
Dutzende Verletzte wurden in verschiedene Krankenhäusern in der Stadt untergebracht. 71 Menschen kamen ums Leben. Dazu zählt auch ein nach dem Feuer tot geborenes Baby. © dpa | Rick Findler
Dan Daly von der Feuerwehr sagte, die Feuerwehrleute würden Atemmasken tragen, die Arbeit sei extrem hart und die Bedingungen sehr schwierig – dementsprechend waren auch Pausen notwendig.
Dan Daly von der Feuerwehr sagte, die Feuerwehrleute würden Atemmasken tragen, die Arbeit sei extrem hart und die Bedingungen sehr schwierig – dementsprechend waren auch Pausen notwendig. © dpa | Matt Dunham
Die Polizei kümmerte sich um die Bewohner der Gegend. Hunderte Menschen wurden in Sicherheit gebracht.
Die Polizei kümmerte sich um die Bewohner der Gegend. Hunderte Menschen wurden in Sicherheit gebracht. © REUTERS | NEIL HALL
Das Areal rund um das brennende Hochhaus war weiträumig abgesperrt worden.
Das Areal rund um das brennende Hochhaus war weiträumig abgesperrt worden. © dpa | Matt Dunham
Nach Angaben des Stadtbezirks Royal Borough of Kensington and Chelsea befanden sich in dem Hochhaus 120 Wohnungen.
Nach Angaben des Stadtbezirks Royal Borough of Kensington and Chelsea befanden sich in dem Hochhaus 120 Wohnungen. © dpa | Uncredited
Auch am Vormittag stieg der Rauch noch aus dem Gebäude auf.
Auch am Vormittag stieg der Rauch noch aus dem Gebäude auf. © Getty Images | Leon Neal
Aus den angrenzenden Gebäuden beobachteten Anwohner das Feuer.
Aus den angrenzenden Gebäuden beobachteten Anwohner das Feuer. © Getty Images | Leon Neal
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Der Brand wird zum Inferno. Muna Ali, eine Nachbarin, sagte: „Diese Flammen – so etwas habe ich noch nie gesehen, das erinnerte mich an 9/11“, womit sie die Terroranschläge vom 11. September 2001 meint.

„Ein Mann fing das Baby“

Es spielen sich herzzerreißende Szenen ab. Die Fluchtroute aus dem Gebäude ist ein Treppenaufgang, der von Flammen und Rauch verschlungen ist. In den höheren Stockwerken sind Menschen gefangen. Augenzeugen sehen Menschen, die von ihrem Balkon in die Tiefe springen.

„Leute haben verzweifelt an die Fenster geschlagen und geschrien“, berichtet Samira Lamrani. „Ein Fenster stand leicht auf. Eine Frau hat gestikuliert, dass sie ihr Baby aus dem Fenster werfen wolle und dass jemand es auffangen soll. Ein Mann rannte vorwärts und fing das Baby.“

Feuerwehr konnte viele Menschen retten

In den höheren Stockwerken erscheinen Kinder an den Fenstern, die das Licht ihrer Handys ein- und ausschalten, um zu signalisieren: Wir sind hier, rettet uns. Aber von außen kommt die Feuerwehr nicht an sie heran, denn die Leitern reichen bis höchstens zum 10. Stock.

Das sind die wichtigsten Regeln bei einem Brand

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    Später wird die Chefin der Londoner Feuerwehr Dany Cotton melden, dass Feuerwehrleute über die Innentreppen bis zum 20. Stock vorgedrungen sind und viele Menschen retten konnten. Doch was aus den Menschen in den vier höchsten Stockwerken geworden ist, mag man sich nicht ausmalen.

    Warum hörte man keinen Feueralarm?

    Noch in der Nacht werden Vorwürfe laut. Warum konnte sich das Feuer so schnell ausbreiten? Warum war kein Feueralarm zu hören? Und warum war die Fluchtroute, die Treppenaufgänge, durch Feuer und Rauch so schnell unpassierbar geworden?

    Besonderes Augenmerk richtet sich jetzt auf die Fassadenverkleidung, die erst kürzlich angebracht worden ist. Sie hat anscheinend eine zentrale Rolle dabei gespielt, wie sich der Brand an der Außenseite des Gebäudes nach oben ausbreiten konnte.

    Von „gefährlichen Lebensbedingungen“ ist die Rede

    Der Grenfell Tower ist ein Sozialwohnungsbau, der von einer Wohnungsgesellschaft im Auftrag der Kommune Kensington gemanagt wird. Die Wohnungsgesellschaft scheint auf Kriegsfuß mit den Anwohnern zu stehen. „Die haben nie auf uns gehört“, ist ein oft ausgedrückter Vorwurf am Mittwoch.

    Die „Grenfell Tower Action Group“, ein Zusammenschluss von Mietern, hatte in einem Internetblog vom November 2016 vor den Mängeln beim Brandschutz gewarnt und schon damals beklagt, dass Sorgen nicht ernst genommen werden und auf Bitten um Abhilfe nicht eingegangen wird.

    Von „gefährlichen Lebensbedingungen“ und einer „Vernachlässigung von Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften“ war die Rede und führte zu der düsteren Prophezeiung: „Nur eine Katastrophe wird die Unfähigkeit und Inkompetenz unseres Vermieters aufdecken.“ Die ist jetzt eingetreten. Es sind tatsächlich, wie Bürgermeister Sadiq Khan andeutete, eine Menge Fragen zu beantworten.