Manila. Als kleiner Junge war er auf einem Markt verloren gegangen. Erst 30 Jahre später findet der Philippiner seine Mutter in Manila wieder.

Die Geschichte von Joel De Carteret klingt wie ein Roman: Als Kleinkind geht er verloren, wird von Menschen aus dem Ausland adoptiert und findet nach 30 Jahren seine leibliche Mutter in der Heimat mit 100 Millionen Einwohner wieder – ohne einen Namen oder ein Gesicht zu kennen.

Fünf Jahre war der kleine Philippiner alt, als er in der Wohnung seiner alleinerziehenden Mutter aufwachte und losmarschierte, um sie zu suchen. Sie war auf dem Weg zur Arbeit als Näherin in einer Fabrik. Eine Mitbewohnerin hätte sich um den Jungen kümmern sollen, doch Joel wanderte unbemerkt davon. Dabei geriet er auf einen Markt in der Nähe und irrte dort stundenlang umher. Ein Taxifahrer nahm sich seiner schließlich an und brachte ihn in ein Waisenhaus.

Joel de Carteret wuchs bei einer Familie in Australien auf

18 Monate blieb der kleine Philippiner dort und wartete jeden Tag sehnsüchtig auf seine Mutter. „Ich fragte mich, ob sie kommen und mich abholen würde“, erzählte er dem australischen Sender Channel 9. Doch niemand kam, und das Waisenhaus konnte seine Mutter, deren Namen Joel nicht wusste, ebenfalls nicht finden. Als er nach eineinhalb Jahren von einer australischen Familie adoptiert wurde, war Joel glücklich, ein neues Leben zu starten.

Ein Markt in der philippinischen Hauptstadt Manila. Stundenlang irrte Joel de Carteret vor 30 Jahren im Menschengewirr umher. (Symbolbild)
Ein Markt in der philippinischen Hauptstadt Manila. Stundenlang irrte Joel de Carteret vor 30 Jahren im Menschengewirr umher. (Symbolbild) © imago/ZUMA Press | imago stock&people

In Australien wuchs der Junge in einer liebevollen Familie auf, schloss die Schule ab, tanzte Hip-Hop und wurde Filmemacher. „Er war ein lieber kleiner Junge, sah niedlich aus und hatte ein freundliches Naturell“, schwärmte seine Adoptivmutter. Immer wieder habe sie Schuldgefühle empfunden, ihre Zeit mit Joel so zu genießen. „Ich hatte das Gefühl, als hätte ich dieses Glück auf dem Rücken einer Frau gehabt, die ihr Kind verloren hat“, sagte sie.

De Carteret plagten Schuldgefühle

Auch Joel De Carteret dachte oft mit Schmerz an seine leibliche Mutter zurück: „Wenn ich an all die Jahre des Schmerzes, der Trennung, des Verlusts und der Trauer denke, die sie durchgemacht hat, bekomme ich Schuldgefühle, weil ich ein so gutes Leben geführt habe“, sagte er.

30 Jahre nach der Trennung entschied sich der heute 35-Jährige, der scheinbar aussichtslosen Suche nach seiner leiblichen Mutter zumindest eine Chance zu geben. Doch wie sollte er sie in einem Land mit 100 Millionen Menschen ohne Namen und Gesicht je finden? Der junge Mann fragte auf dem Markt herum, auf dem er einst verloren ging, hängte Plakate mit einem Kinderfoto von sich aus.

Philippinische Radio- und Fernsehsender halfen bei der Suche

Nach einem Monat stieß er tatsächlich auf eine Frau, die auf dem gleichen Markt in den 80er-Jahren einen Sohn verloren hatte. Die Frau und auch Joel waren überglücklich – doch DNA-Tests ergaben, dass die beiden nicht verwandt waren.

Doch Joel De Carteret wollte die Suche nicht aufgeben. Er trat in einer philippinischen Fernseh- und Radioshow auf. Dann wollte er gerade abreisen, als sich eine weitere Frau meldete. Die beiden verabredeten sich am Markt für ein erstes Treffen. Beide waren zunächst schüchtern. „Aber nach fünf bis zehn Minuten fing ich an zu spüren, dass das meine Mutter ist“, sagt De Carteret.

Adoptivmutter und leibliche Mutter lernen sich kennen

Ein DNA-Test lieferte den Beweis. „Ich hoffe, dass meine Geschichte auch Hoffnung und Trost für andere Menschen bringt“, so De Carteret, dem es gelang, seine leibliche und seine Adoptivmutter zusammenzubringen. Als er mit beiden zu seiner philippinischen Familie zurückkehrte, kam die Nachbarschaft auf die Straße gelaufen und feierte die drei wie Stars.