Berlin. Der Lions Club feiert am 7. Juni sein 100-jähriges Bestehen. Vorurteile gibt es viele. Wie kann sich die Organsiation modernisieren?

„Wir sind nämlich keine Sekte“, erklärt Ulrich Stoltenberg, Chefredakteur vom Lions Club vorsorglich, wenn auch im Scherz. Da kennt jemand offenbar die Vorurteile ganz genau, die es zu der weltweiten Organisation gibt: Ein versnobter Zirkel, in dem betagte Herren unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit Seilschaften pflegen.

Man ist vorsichtig geworden in Zeiten, in denen Eliten zunehmend mit Misstrauen begegnet wird. Und wie über jede geschlossene Gesellschaft schwirren auch über den Lions Club, dem auch Politiker wie Sigmar Gabriel und Markus Söder, aber auch Künstler wie Heinz Mack oder Chemienobelpreisträger Manfred Eigen angehören, Verschwörungstheorien durchs Internet.

„Club bietet beständige Hilfe“

Sind sogenannte Service-Clubs wie Lions, der am 7. Juni sein 100-jähriges Bestehen feiert, noch auf der Höhe der Zeit? „Engagement für andere ist immer zeitgemäß“, sagt der Governorratsvorsitzender Lutz Baastrup, hauptberuflich Anwalt. 10,5 Millionen Euro Spenden haben die 1562 Clubs in Deutschland im vergangenen Jahr gesammelt und 315.000 Stunden wohltätiger Arbeit geleistet.

Davon wurde etwa eine Augenklinik in Sambia finanziert, aber auch Flüchtlingen geholfen. „Es gibt heutzutage zwar viel Aktivismus, wenn ein Thema gerade hochkocht. Unser Club aber bietet beständiger Hilfe an“, sagt Baastrup.

Gefühl entscheidet, wer mitmachen darf

Wenn das Ziel karitativer Natur ist, warum aber dann die recht komplexen Aufnahmerituale? Warum ist dann nicht jeder willkommen, der helfen will?

„Wir sind ein Freundeskreis“, sagt der Flensburger. Feste Kriterien für eine Aufnahme gebe es nicht. „Wie in jedem Freundeskreis entscheiden wir nach Gefühl, wer zu uns passt.“ Scheint, als greift hier die berühmte Habitustheorie des Soziologen Pierre Bourdieu von den „feinen Unterschieden“: Menschen mit einem ähnlichen Status erkennen einander und können meist nicht einmal sagen, woran.

Interessenten können sich im Netz vorstellen

Dabei sei man, versichert Baastrup, für alle Berufsgruppen offen, Krankenschwestern oder Handwerker habe man gezielt angeworben, der Erfolg allerdings sei noch mäßig. Dennoch: Das Aufnahmeverfahren scheint undurchsichtig und uneinheitlich.

„Jeder Club regelt es selbst“, erklärt Baastrup. „Grundsätzlich braucht es die Einladung eines Mitglieds, um sich bei den Lions vorzustellen. Aber heute kann man auch auf lions.de sein Interesse für ein Engagement erklären und wir sind dann bemüht, den Interessenten an Clubs zu vermitteln.“

Mitgliederzahl steigt – das Alter aber auch

Mit seinen 49 Jahren ist Lions-Chef Baastrup noch so etwas wie ein Youngster, das Durchschnittsalter liegt bei 59 Jahren. Überalterung ist ein Problem, auch wenn die Zahl der Mitglieder in Deutschland in den letzten zehn Jahren um 6000 auf 52.000 stieg.

„Gerade in ländlichen Clubs, man muss es so sagen, sterben die Mitglieder weg“, sagt Deborah Herlan von der Lions-Jugendabteilung Leo Club. Die 23-jährige Jurastudentin aus Münster konnte schon einigen Nachwuchs rekrutieren, auch Skeptiker. „Viele sagen: Oh, da steht man doch im schicken Kleid auf dem Charity-Ball rum und sammelt Spenden.“

Den Zahn müsse sie ziehen: Gerade bei den Leos werde angepackt. „Ich habe an meinem ersten Tag direkt Glühwein für den guten Zweck verkauft. Das gefiel mir.“

Zwei Drittel sind reine Männer-Clubs

Baastrup ist bewusst, dass der Lions Club sich modernisieren muss, um Jüngere anzuziehen. „Die Clubs sollen vernetzter und weniger regional agieren.“ Eine entsprechende App für Lions werde vorbereitet. Interne Vorgänge würden schon seit einiger Zeit für jedermann zugänglich ins Netz gestellt, auch Gästen wolle man sich öffnen: „Wir haben ja nichts zu verbergen.“

Herlan wünscht sich, dass es in Zukunft nur noch gemischte Clubs gibt – im Moment sind nur ein Drittel aller Clubs in Deutschland Männer und Frauen offen. Dass der Lions Club da hinterherhinkt, weiß auch Baastrup, der es „beschämend“ findet, dass Frauen erst seit 1987 zugelassen sind.

Club ist auch Heiratsmarkt

Die Faszination für die Lions wurde bei Herlan während ihres Highschool-Jahrs in Florida geweckt worden, als der Club auf ihrem Schulweg lag. Im Laufe des Gesprächs erwähnt sie dann, dass auch ihr Vater schon ein Lion gewesen sei. Auch der Vater von Baastrup war bereits Mitglied, so wie seine Frau.

Herlan bestätigt, dass der Leo Club auch als Heiratsmarkt funktioniert: „Ich bin allein in diesem Frühling schon auf drei Leo-Hochzeiten eingeladen, darunter ein estnisch-holländisches Paar.“ Der Lions-Mitglieder sind Weltbürger, sagt Baastrup. „Beim 100-Jahres-Treffen in der Gründungsstadt Chicago kommen 30.000 Menschen aus aller Welt zusammen, die alle ähnlich ticken“, freut er sich.

Es gilt unter Lions-Mitgliedern ebenso wie auch anderswo: Mit einem Unbekannten aus Australien hat man oft mehr Gemeinsamkeiten als mit Menschen aus einem anderen Stadtviertel.