Berlin/Arnschwang. Trotz Überwachung konnte ein Asylbewerber im bayerischen Arnschwang einen fünfjährigen Jungen töten. Der Fall wirft viele Fragen auf.

Die Hoffnung auf ein besseres Leben hatte sie nach Deutschland geführt. Doch ausgerechnet hier traf eine russische Familie das Grauen: Ein 41-jähriger Asylbewerber erstach am Sonnabend im oberbayrischen Arnschwang einen fünfjährigen Jungen und verletzte dessen 47-jährige Mutter schwer. Der sechsjährige Bruder musste die Tat in der Gemeinschaftsunterkunft mitansehen und erlitt einen Schock.

Der Angreifer wurde von der Polizei erschossen. Während die genauen Hintergründe unklar sind, drängt sich eine Frage auf: Wie konnte eine solche Tat passieren? Denn der Afghane Mostafa J. war nicht nur ein verurteilter Verbrecher, die Behörden gingen durch ihn sogar von einer „schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ aus. J. musste daher zuletzt auch eine elektronische Fußfessel tragen. Der Fall bekommt dadurch auch politische Brisanz.

Keine Abschiebung wegen Konvertierung

Mostafa J. war 2005 nach Deutschland eingereist – ganz legal mit einem Visum, um eine eingebürgerte, aus Afghanistan stammende Frau zu heiraten. Bis 2008 blieb er unauffällig. Dann aber setzte er seine Wohnung in einem Münchner Wohnblock in Brand. Die Tat versuchte er auf seinen ebenfalls in München lebenden Cousin zu schieben, gestand aber später. Hintergrund war offenbar ein Familienstreit. Der Cousin soll eine Affäre mit der Frau des Bruders von Mostafa J. gehabt haben. Nur Monate später ermordete der Bruder seine Ehefrau.

J. selbst wurde 2009 wegen schwerer Brandstiftung zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Während der Haftzeit wurde seine Abschiebung beschlossen, gegen die J. aber Klage einlegte und verlor. Er klagte erneut und konvertierte zum Christentum. Aufgrund dessen verhängte ein Gericht 2014 schließlich ein Abschiebeverbot. Denn als konvertierter Christ drohe ihm in Afghanistan der Tod.

Die Abläufe lassen die Frage aufkommen, ob J. tatsächlich seinen Glauben wechselte oder dies nur als Vorwand nutzte, um in Deutschland bleiben zu können. Für Ulf Küch, Vizechef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), ist die Lage eindeutig: Er hält die Konversion für einen „Trick“. Seine Begründung: „Muslime dürfen den Glauben nicht wechseln. Da muss schon viel passieren, dass sie ihre Religion aufgeben.“ Wenn die Abschiebung daran gescheitert sei, dass er seinen Glauben gewechselt habe, „dann muss man nur eins und eins zusammenzählen“.

Kriminalexperte hält Fußfessel für „Scheininstrument“

Selbst in seiner Haftzeit fiel J. immer wieder durch aggressives Verhalten auf. Wie aus Gerichtsakten hervorgeht, wurde er mehrfach abgemahnt und vier Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Seine inzwischen geschiedene Frau berichtete damals vor Gericht von Drohungen ihres Mannes. Die Richter attestierten dem Mann eine „hohe kriminelle Energie, Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber möglichen Opfern sowie eine Missachtung der Rechtsordnung“. Wiederholungsgefahr: hoch.

Nach dem Ende der Haft im Januar 2015 kam Mostafa J. in die Asylbewerberunterkunft Arnschwang. Seine Duldung wurde vom Landkreis Cham nur noch monatlich verlängert. Nach Angaben des Kreissprechers sollte er abgeschoben werden, sobald das Abschiebeverbot aufgehoben worden wäre. Er durfte den Landkreis nicht ohne Erlaubnis verlassen, bestimmte Angehörige nicht kontaktieren und musste Orte meiden, an denen sie sich aufhalten.

Um ihn überwachen zu können, musste J. eine elektronische Fußfessel tragen. An der Tat freilich hinderte ihn das nicht. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hält die Fußfessel in solchen Fällen und bei echten Gefährdern deshalb für ein „reines Scheininstrument, das Sicherheit vielfach nur vorgaukelt“, kritisiert Ulf Küch im Gespräch mit dieser Redaktion.

Der Hintergrund der Tat ist noch nicht geklärt

Mit der Bluttat am Wochenende erfüllten sich aber nun offenbar die schlimmsten Befürchtungen der Behörden. Warum J. die Frau und ihre Kinder angegriffen hat, ist noch völlig unklar. In der Unterkunft lebte ein knappes Dutzend Menschen. Nach Angaben der Polizei gab es bereits häufiger Streit zwischen J. und der Mutter der Kinder wegen Lärmbelästigung. Ob das auch diesmal der Fall war, sollen weitere Ermittlungen zeigen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert nun eine genaue Prüfung von zum Christentum konvertierten Asylbewerbern: „Klar ist auch, dass wir sowohl von den Kirchen als auch vom Verwaltungsgericht erwarten, (...) dass sie sich sehr genau anschauen, ob einer wirklich zum Christentum übertritt – was ich hier im Einzelfall noch nicht beurteilen kann – oder ob es vorgeschoben sein könnte, nur um einer Abschiebung zu entgehen.“