Berlin. Viele berufstätige Frauen fühlen sich trotz Partner mit ihren Kindern alleingelassen. Das hat Folgen für die Gesundheit der Mütter.

Sie liegen beide nachts noch wach im Bett, und sie überlegt, ob sie ihm sagen soll, dass die Waschmaschine noch ausgeräumt werden muss, weil die Wäsche über Nacht nicht nass in der Trommel liegen soll. Minuten später steht sie auf und macht es selbst. Gibt sonst nur Stress. Als sie sich wieder hingelegt hat und er schon schläft, geht sie im Kopf die Liste für den morgigen Tag durch. Die Kinder zum Kindergarten fahren, auf dem Weg zur Arbeit noch beim Arzt vorbei, das Attest abholen, der Babysitterin Bescheid sagen, dass Sohn Anton alle zwei Stunden die Salbe braucht.

Auf dem Rückweg vom Job Körnerbrot, Bananen und Mülltüten kaufen. Kann er eigentlich machen, aber bis sie es ihm erklärt hat, kann sie es auch gleich selbst machen. Immer noch klassische Szenen einer Ehe mit Kindern. Sogar, wenn Eltern ihren Nachwuchs gemeinsam aufziehen, fühlen sich viele berufstätige Frauen alleingelassen. Sie schlafen weniger als ihre Partner, fühlen sich oft ausgebrannt und zu wenig wertgeschätzt.

Partner wird gesehen als „weiteres Kind“

Eine Studie des Rheingold-Instituts bestätigte jetzt, dass sich neun von zehn Frauen als Managerin der Familie sehen, die den Alltag mit den Kindern organisiert. Jede Zweite nimmt alle anfallenden Aufgaben lieber selbst in die Hand, als sie mit dem Partner abzusprechen. Ein Drittel der Frauen betrachtet den Vater der Kinder nicht etwa als Entlastung, sondern sogar als „weiteres Kind“. Nur vier Prozent aller Frauen können in den eigenen vier Wänden zur Ruhe kommen.

Was als Studienfazit für den Stresspegel und die Gesundheit von Frauen mittleren Alters und den jüngeren in Deutschland alarmierend klingt, wundert Anne Schilling, die seit 16 Jahren Geschäftsführerin des Müttergenesungswerkes in Berlin ist, keineswegs. „Das Ergebnis spiegelt die Belastung der Frauen wider, die bei uns eine Kur durchführen“, sagt die Politikwissenschaftlerin.

Burn-out und Angstzustände

Rund 49.000 Frauen gehen über das Muttergenesungswerk Deutschland jährlich in Kur, bei 87 Prozent von ihnen werden laut Schilling bei der ärztlichen Eingangsuntersuchung schwere Erschöpfungszustände, Burn-out und Angstzustände diagnostiziert. Eine andere Studie von US-Forschern, die jüngst beim jährlichen Treffen der American Academy of Neurology in Boston vorgestellt wurde, brachte ans Tageslicht, dass sich die Schlafzeit von Männern, unabhängig davon, ob sie Kinder haben (offenbar dank Ohropax und getrennter Schlafzimmer) oder nicht, nicht verringert.

„Viele junge Frauen planen, wenn sie schwanger werden, ihre Kinder gemeinsam mit dem Partner großzuziehen“, sagt Anne Schilling. Sobald das erste Kind auf der Welt ist, komme es allerdings häufig zu einer Retraditionalisierung der Rollenbilder. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums unter Leitung des Wissenschaftlers Carsten Wippermann legt dies nahe.

Traditionelles Rollenmodell noch Alltag

So kippe die Traumvorstellung einer gleichberechtigten Elternschaft nach Wippermanns Untersuchungen oft beim ersten Kind oder dem vielversprechenden Karrieresprung des Mannes. „Diese Zäsuren führen dazu, dass die gleichgestellte Vision schlagartig in ein traditionelles Rollenmodell kippt.“ „In Deutschland gehen Männer und Frauen als modernes Paar in den Kreißsaal hinein und kommen als 50er-Jahre-Paar wieder heraus“, fasste es Jakob Hein, Schriftsteller und ehemaliger Väterbeauftragte der Charité, zusammen.

Ein wirklicher Wandel im Innersten der Familie scheint sich durch Elternzeit für Väter und familienfreundliche Unternehmensstrukturen nur sehr langsam zu vollziehen. Zwar erkennt Anne Schilling vom Müttergenesungswerk an, dass viele junge Väter eine aktive Rolle im Leben ihrer Kinder spielen wollen.

„Was die meisten Väter aber nicht damit verbinden, ist, dass zur Kindererziehung auch die Arbeit im Haushalt und die Organisation des Alltags gehören“, sagt die Expertin. Alle Lasten in der Familie müssten gleichberechtigt aufgeteilt werden, damit Mutter und Vater gesund bleiben. Helfen würden klare Absprachen.

Dass es bis zur gleichgestellten Elternschaft allerdings noch ein langer Weg ist, zeigt ein Aspekt der gegenwärtigen Situation sehr deutlich. So wächst fast jedes fünfte Kind mittlerweile mit nur einem Elternteil auf. Lebten 1996 noch etwa 1,9 Millionen Kinder in Deutschland nur mit Vater oder Mutter, sind es heute etwa 2,3 Millionen Minderjährige, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) jetzt mitteilte.