Berlin. Im weißen Kleid vor dem Traualtar seiner großen Liebe ewige Treue schwören – für viele Frauen ein Traum. Das geht auch ohne Partner.

Vielleicht war es tatsächlich der Regisseur Woody Allen, der einst diesen schlauen Satz sagte. Manchmal wird das Zitat auch dem 1965 gestorbenen Schauspieler Eddie Cantor in den Mund gelegt. Auf jeden Fall war es aber eine Person, die sich so ihre Gedanken gemacht hat: „Die Ehe ist der Versuch, gemeinsam mit Problemen fertig zu werden, die man alleine nie gehabt hätte.“ Warum also nicht einfach sich selbst heiraten, um Probleme zu vermeiden? Das denken sich offenbar heutzutage immer mehr Menschen. Oder besser: Frauen.

Britische und amerikanische Medien berichten zumindest derzeit, die Selbst-Heirat sei ein neuer Trend. Und deshalb hat das Phänomen natürlich auch einen eigenen Namen: Sologamie. Immer mehr Singles, fast ausschließlich Frauen, geben sich demnach selbst das Jawort.

Linda Baker heiratete sich schon 1993

Doch tatsächlich ist die Selbst-Heirat nicht neu. Bereits im Dezember 1993 berichtete die „Los Angeles Times“ von Linda Baker, die sich zu ihrem 40. Geburtstag ewige Treue schwor – mit Brautkleid, sieben Brautjungfern, großer Feier und 75 Gästen.

Zehn Jahre später sorgte die Niederländerin Jennifer Hoes mit ihrer Hochzeit vor einem außerordentlichen Standesamt in ihrer Heimatgemeinde Haarlem für Schlagzeilen. Das war 2003, übrigens auch das Jahr, als Carrie Bradshaw eine Hochzeit mit sich selbst inszenierte. Die von Sarah Jessica Parker gespielte Hauptfigur der TV-Serie „Sex and the City“ wollte endlich auch einmal von ihren verheirateten Freunden Geschenke ergattern. Ob sie das Vorbild für Hoes’ Sologamie war, ist allerdings nicht überliefert.

Wikipedia-Eintrag zu Sologamie besteht seit 2012

Auch ein englischsprachiger Wikipedia-Eintrag über den vermeintlichen Trend der Sologamie existiert bereits seit September 2012. Wenige Monate zuvor hatte die 36-jährige Nadine Schweigert aus dem US-Bundesstaat North Dakota ihren Treueschwur gesprochen, berichtete damals das Newsportal „Inforum“. Der Wikipedia-Eintrag wurde zuletzt in der Nacht auf diesen Freitag aktualisiert.

Bei der Selbst-Heirat gehe es demnach weniger um eine Eheschließung nach geltendem Recht als vielmehr um das Bekenntnis, sich selbst zu lieben, zu schätzen und zu achten. „Wenn man mit sich selbst verheiratet ist, kann man sagen: ,Mein Leben ist genauso bedeutend wie das Leben von Personen, die zufällig verheiratet sind.’“, begründet etwa Erika Anderson ihre Hochzeit, die im Frühjahr 2016 auf der Dachterrasse ihrer Wohnung im New Yorker Stadtteil Brooklyn selbst das Jawort gab, wie die „Cosmopolitan“ berichtete.

Selbst-Heirat als Trotzreaktion

Denn solange eine Frau ein Dasein als Single friste, rede ihr die Gesellschaft ein, sie sei eine Frau, die von niemandem ausgewählt worden sei. Andersons Selbst-Heirat sei eine Trotzreaktion gewesen: „Ich habe einfach beschlossen, mich selbst auszuwählen.“

Ähnlich rechtfertigt auch die britische Autorin Sophie Tanner in einem Artikel des „Telegraph“ ihren Entschluss, den Bund der Ehe mit sich selbst einzugehen. Mit der Hochzeit vor zwei Jahren feierte sie, das Single-Dasein zu leben – und zu genießen. Chen Wai Yi aus Taiwan sagte 2010 nach ihrer Hochzeit ohne Ehepartner: „Man muss sich selbst lieben, um andere lieben zu können.“

Für Kritiker sind Sologamisten Egoisten und Narzissten

Kritikern geht die Selbstliebe allerdings zu weit. Für sie sind die Anhänger der Sologamie allesamt Narzissten und Egoisten oder Feministinnen, die es zu weit treiben. Der Trend, sich selbst zu heiraten, beweise die Verzweiflung egozentrischer Singles, heißt es in einem Artikel, der auf der Newsseite „The Resurgent“ des politisch konservativen Bloggers Erick Erickson erschienen ist.

In einem Bericht der konservativen Newswebsite „The Daily Wire“ wird Sologamie als „traurigster Trend“ beschrieben. Diejenigen, die sich selbst heirateten, seien „verbitterte Feministinnen mit dem für die Millennials typischem Maß an Narzissmus“. Ihnen sei ihre Karriere wichtiger als ihr Privatleben.

Selbst-Hochzeiten lassen die Kassen klingeln

Kritik hin oder her – wie mit jeder normalen Hochzeit lässt sich auch mit der Single-Hochzeit Geld verdienen. Und so werden im Internet bereits ganze Hochzeits-Sets für den symbolischen Akt der Selbstliebe verkauft. Auf der Seite „I Married Me“ – „Ich habe mich geheiratet“ – kostet das Set mit Zeremonien-Plan, Treuegelöbnis, 24 Bekräftigungs-Kärtchen und Ehering je nach Art des Schmuckstücks zwischen 50 und 230 US-Dollar.

Traum in Weiß bei der Modenschau auf der Brautmoden-Messe in Barcelona im April 2017. Um einmal im Leben ein Brautkleid zu tragen, ist noch nicht mal ein Ehepartner nötig.
Traum in Weiß bei der Modenschau auf der Brautmoden-Messe in Barcelona im April 2017. Um einmal im Leben ein Brautkleid zu tragen, ist noch nicht mal ein Ehepartner nötig. © dpa | Jordi Boixareu

Die Seite „Self Marriages Ceremonies“ bietet einen zehnwöchigen Kurs an, der frau zur Selbst-Heirat führen soll. Die erste Woche beginnt mit der „Verlobung“, weiter geht es in den Folgewochen damit, sich selbst zu verstehen, zu erkennen, was einem wichtig ist, Hindernisse zu überwinden, Treueschwüre zu schreiben, sich selbst zu heiraten und schließlich das über sich selbst Gelernte auch im Alltag anzuwenden. Die Vorbereitung auf die Hochzeit ist dabei so etwas wie ein Lebenscoaching, die Selbst-Heirat eine Reise zu sich selbst. Kostenpunkt: 200 US-Dollar. Jede Einzelsitzung kostet weitere 75 Dollar.

Günstiger als Hochzeit mit anschließender Scheidung

Am Ende ist die Hochzeit mit sich selbst vielleicht günstiger als eine Traumhochzeit mit Ehepartner und anschließender Scheidung. Sollte sich die Selbst-Heirat als Trend durchsetzen, ist es vermutlich nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Sologamisten aufrüsten und das schlichte Bekenntnis zum Ich mit aufwendigen Junggesellinnenabschied, sündhaft teurem Kleid, perfekter Party, Limousine, Pferdekutsche, romantischem Streichquartett und Feuerwerk um Mitternacht immer mehr zum Wettbewerb verkümmert.