Hamburg. Nach 14 Jahren verabschiedet sich der Moderator Reinhold Beckmann als „Sportschau“-Moderator. Die Fußball-Branche sieht er kritisch.

Als Reinhold Beckmann am 12. September 1987 mit „Sport im Westen“ seine erste Live-Sportsendung moderierte, stand die Mauer noch und der Kanzler hieß Helmut Kohl. Mit seinen Studiogästen Uwe Kamps und Dirk Bakalorz, beide für Borussia Mönchengladbach aktiv, spielte Beckmann damals Frisbee. Knapp 30 Jahre später wird Reinhold Beckmann (61) am heutigen Sonnabend zum letzten Mal die „Sportschau“ moderieren – nach 14 Jahren.

Herr Beckmann, gab es in Ihrer Jugend auch den ewigen Familien-Streit, ob am Sonnabend „Sportschau“ in der ARD oder „Daktari“ im ZDF geguckt wird?

Reinhold Beckmann: Nein, wir waren drei fußballbegeisterte Jungs, dazu unser Vater, da hatte Mutter keine Chance auf „Daktari“.

Haben Sie Sehnsucht nach den alten „Sportschau“-Zeiten?

Beckmann: Wo nur Ausschnitte von maximal vier Spielen gezeigt werden durften, weil der DFB Angst hatte, dass die Fans nicht mehr ins Stadion kommen? Wo drei oder vier Kameras die Spiele aufzeichneten, sodass wir uns auf den Reporter verlassen mussten, ob es Abseits war oder nicht? Nein, diesen Zeiten trauere ich nicht hinterher.

Andererseits machen die Bildführung und die rasanten Schnitte die Spiele heute besser, als sie in Wahrheit sind.

Beckmann: Das klingt ja wie vor 25 Jahren, als wir in meiner Zeit bei „Premiere“ und bei Sat.1-„ran“ die optische Aufbereitung der Spiele verändert haben. Nein, im Ernst. Der Vorwurf war damals schon unsinnig. Der Fußball ist einfach viel besser geworden, viel athletischer, viel schneller, technisch auf einem ganz anderen Niveau. Schauen Sie sich Bilder von den großen Spielen der 1970er-Jahre an. Da sehen Sie Männer, die im Trab-Tempo den Ball vor sich her treiben. Heute wirkt das wie Zeitlupe. Gegen diese Mannschaften würde jetzt ein Viertligist gewinnen.

Dennoch wächst die Kritik an der Branche.

Beckmann: Durch den neuen TV-Vertrag (ab Sommer 2017 steigen die Einnahmen der Deutschen Fußball Liga auf 1,16 Milliarden Euro pro Saison, die Red.) kommt noch mehr Geld ins Spiel. Viel zu viel wird durchgereicht an die Spieler und ihre Berater. Warum fließt nicht ein Teil der Mehreinnahmen in einen Fonds, mit dem Talente gefördert werden? Kein Wunder, dass immer mehr Fans denken, dass es nur noch um Kohle geht. Schauen sie sich die englische Premier League an. Die reichste Liga der Welt. Das neue Emirates-Stadion von Arsenal in London ist ein Stimmungskiller. Diese wunderbaren „singing areas“ mit echten Fans gibt es dort nicht mehr. Ein Stadionbesuch mit Wurst und Getränk kostet in England inzwischen umgerechnet 100 Euro. Das kann sich der gemeine Fan nicht leisten. Viele kaufen sich lieber ein Billigticket nach Hamburg oder Berlin, um beim FC St. Pauli oder bei Hertha BSC Spiele zu sehen.

Noch ein häufiger Kritikpunkt: Die Weltmeisterschaften werden ab 2026 mit 48 statt 32 Mannschaften ausgetragen.

Beckmann: Ein großer Fehler. Schon bei den kommenden Weltmeisterschaften in Russland und Katar wird es viele, viele Vorrundenspiele geben, die keinem Fan die Pfütze auf die Zunge treiben. Der Fußball ist auf dem Weg, sich selbst zu entzaubern, und merkt es nicht. Das kann dazu führen, dass sich immer mehr Fans abwenden. Sie wollen nicht Bestandteil eines Geschäfts sein, das nur noch der Kontoerweiterung der Spieler und ihrer Agenten dient.

Wie hat sich die Moderatorensprache im Sport verändert?

Beckmann: Wir haben früher viel angedrehter gesprochen. Da sagten wir dann (spricht extrem pointiert und laut): Und jetzt Leverkusen gegen Schalke. Das machen wir nicht mehr, zum Glück. Aber diese Normalität herzustellen, ist oft das Schwierigste.

Sportreporter sprechen jedoch in Zeitungen wie im Fernsehen oft von Helden.

Beckmann: Da könnte man doch glatt den alten Brecht zitieren: „Gelobt die Zeiten, die keine Helden brauchen.“ Wir sind oft zu leichtfertig, Spielern bei jeder Gelegenheit den Lorbeerkranz aufzusetzen. Bei der Übertragung des Champions-League-Spiels Real Madrid gegen den FC Bayern wurden Boateng und Hummels schon nach 45 Minuten in den Heldenstand gehoben. Da ist mir ein bisschen norddeutsche Zurückhaltung doch lieber.

Haben Sie sich schon Abschiedsworte für Ihre letzte Moderation zurechtgelegt?

Beckmann: Nein, ich denke, zwei, drei Halbsätze sollten reichen. Keine Sorge, es wird nicht sentimental. Es geht auch in dieser Sendung wie immer um Fußball.