Bonn. Der 21 Jahre alte Angeklagte im Fall Niklas ist freigesprochen worden. Zuvor hatten sich bereits mehrere Seiten dafür ausgesprochen.

  • Im Fall des zu Tode geprügelten Niklas wurde der Angeklagte freigesprochen
  • Laut Staatsanwaltschaft sei die Tat nicht zweifelsfrei bewiesen
  • Die Ermittlungen stehen danach wieder am Anfang

Im Fall des zu Tode geprügelten Schülers Niklas hat das Landgericht Bonn den Angeklagten freigesprochen. Dagegen verurteilte das Gericht den 21-Jährigen am Mittwoch im Zusammenhang mit einer anderen Schlägerei wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von acht Monaten. Dabei ging es um eine in dem Prozess mitangeklagte Tat und nicht um die Prügelattacke auf Niklas.

Der Fall des 17 Jahre alten Schülers, der bundesweit für Bestürzung gesorgt hat, bleibt nach dem Freispruch des Angeklagten vorerst ungeklärt, die Ermittlungen stehen nahezu wieder am Anfang. „Wir können nicht beweisen, dass er geschlagen hat und dass er am Tatort war“, sagte Richter Volker Kunkel bei der Urteilsbegründung. Es gebe vielmehr Anhaltspunkte, dass der Angeklagte die Tat tatsächlich nicht begangen habe.

Staatsanwaltschaft: In dubio pro reo

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung hatten in ihren Plädoyers im Kernvorwurf den Freispruch gefordert. Es sei nicht zweifelsfrei sicher, dass der Angeklagte Niklas in der Tatnacht attackiert habe, hatte Staatsanwalt Florian Geßler seine überraschende Kehrtwende begründet. Das habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Es komme auch ein anderer Mann als Täter in Betracht.

Niklas’ Mutter zeigte sich dagegen von der Täterschaft des 21-Jährigen überzeugt. Das sagte ihr Anwalt kurz vor der Urteilsverkündung. Seit der Attacke auf ihren Sohn vor rund einem Jahr sei sie „durch die Hölle gegangen“.

Niklas, der zuletzt in Bad Breisig in Rheinland-Pfalz wohnte, war im Mai 2016 im Bonner Stadtteil Bad Godesberg auf offener Straße mit einem Schlag gegen die Schläfe niedergestreckt worden. Anschließend wurde ihm gegen den Kopf getreten. Er starb wenige Tage später im Krankenhaus.

Angeklagter bestritt die Tat von Beginn an

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Der Beschuldigte bestritt die Tat allerdings von Anfang an. Er sei gar nicht am Tatort gewesen. Verurteilt wurde er nun wegen einer Schlägerei in einem ganz anderen Zusammenhang, die in dem Prozess eine Nebenrolle gespielt hatte. Der 21-Jährige hatte seine Beteiligung daran auch eingeräumt.

Viele Zeugen hatten Erinnerungslücken

Der Prozess gestaltete sich für die Strafkammer äußerst schwierig. Viele Zeugen gaben an, sie könnten sich nicht richtig erinnern oder hätten die eigentliche Tat nicht beobachtet. Ein Freund von Niklas, der den Angeklagten als Täter wiedererkannt haben wollte, reichte auch der Staatsanwaltschaft letztlich nicht aus. Es sei möglich, dass es sich um eine Verwechslung handele. Es gebe eine sehr große Ähnlichkeit mit einem anderen jungen Mann, der ebenfalls am Tatort gewesen sein soll – der aber nicht auf der Anklagebank saß.

Den anderen Mann hatte die Staatsanwaltschaft zuletzt ebenfalls als Beschuldigten in dem Fall geführt. Man wolle das Urteil abwarten und dann prüfen, ob es neue Ermittlungsansätze gebe, hieß es bei der Behörde.

„In dubio pro reo“ heißt auf Latein „Im Zweifel für den Angeklagten“. Es ist ein ungeschriebener Rechtssatz, der aus dem Rechtsstaatsprinzip im Grundgesetz abgeleitet wird. Er gilt vor allem im Strafprozessrecht. Gewinnt der Richter – wie nun im Fall Niklas – nicht die volle Überzeugung von der Schuld des Angeklagten, darf er ihn nicht verurteilen. Für einen Angeklagten ist also die jeweils günstigste Tatsache anzunehmen, wenn die Umstände nicht eindeutig geklärt werden können. (dpa)