Berlin. Ein Anzeichen für einen Trend ist, dass es viele Menschen tun und dafür sogar Geld bezahlen. Das trifft auf Schlaf seit neuestem zu.

Lange Zeit galt in der Berufswelt: Wer wenig schläft, kann besser und länger performen. Dieser Mythos wurde auch auf das Privatleben übertragen und durch prominente Vorbilder untermauert. Ob Margaret Thatcher, Angela Merkel oder zuletzt Donald Trump: Erfolgreiche Menschen verzichten auf Schlaf, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Doch dieses Bild scheint überholt, die Erkenntnis, dass mindestens sieben Stunden Schlaf gesund sind, scheint wieder ernstgenommen zu werden.

Lange zu schlafen ist nicht mehr nur eine Sache für Faulenzer, Kinder oder Rentner, sondern könnte das neue Statussymbol sein: Liegen als Luxus. Die Anzeichen für dieses neue Bewusstsein machen sich sowohl wirtschaftlich, anhand von Vorbildern und auch statistisch bemerkbar.

In Berlin kostet eine halbe Stunde Schlaf acht Euro

Kommerziell scheint eines der Zentren der neuen Schlafbewegung in Berlin zu liegen. Ein Indikator dafür, dass etwas hip ist, ist der Fakt, dass man es in Berlin-Kreuzberg in einem Laden kaufen oder tun kann. Dieser Befund galt fürs Mate-Trinken, fürs Bart-Frisieren und nun auch fürs Schlafen. Der Schlaf wird beim Unternehmen „Nickerchen“ zu einem solchen Trendprodukt, dass Menschen sogar bereit sind, Geld dafür auszugeben.

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In dem Ladenlokal in Kreuzberg können gestresste Manager und lauffaule Touristen in einem Entspannungsraum in einem Bett schlafen. Umgeben von Cafés, Bistros und den Büros zahlreicher Medienunternehmen wird die Wertschätzung der Bettruhe greifbar: Acht Euro kosten 20 bis 30 Minuten Schlaf. Wer nicht sofort einschlafen kann, bucht eine Kopfmassage für fünf Euro hinzu.

Wie Apps einem den Schlaf kosten können

Doch nicht nur für menschliche Einschlafhilfe geben Kunden ihr Geld aus. Auch technische Hilfsmittel zum Einschlafen gibt es am Markt. Für Matratzen und Kinderbetten, die Autofahrten simulieren, geben Menschen bereits viel Geld aus. Nun kommen Apps hinzu, die die Schlafdauer und die Schlafphasen messen. Eine von ihnen trägt den Namen „Schlaf Zyklus Smart Wecker“ und wurde im Google App-Store bisher über eine Million Mal heruntergeladen.

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Die App zeichnet Schlafphasen auf und soll sogar genau dann wecken, wenn es für den Nutzer am angenehmsten ist. Die Bewegungssensoren im Smartphone messen, wann sich der Nutzer bewegt und so nicht mehr im Tiefschlaf ist. Trotz der hohen Downloadzahlen gibt es aber auch Kritikpunkte. So bemängeln Nutzer, dass der Wecker immer wieder ausfalle. Zudem muss das Handy die ganze Nacht über eingeschaltet im Bett liegen. Ob aber ein eingeschaltetes Handy und die damit verbunden elektromagnetischen Strahlen so gut für den Schlaf sind, sei dahingestellt.

Einstein und Amazon-Chef schlafen lieber länger

Albert Einstein im Jahr 1929. Der Forscher legte viel Wert auf langen Schlaf.
Albert Einstein im Jahr 1929. Der Forscher legte viel Wert auf langen Schlaf. © imago | imago stock&people

Dieter Riemann, Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychophysiologie am Universitätsklinikum Freiburg, hat eine eindeutige Meinung zu Schlaf-Apps. Der Forscher beschäftigt sich seit langem mit den psychischen Gründen für guten und schlechten Schlaf. „Wer fit ist und gut schläft, sollte nicht damit anfangen, sich durch Apps überwachen zu lassen“, so Riemann. Wer sich dann zu viele Gedanken macht, macht sich vielleicht auch Gedanken, die einem den Schlaf rauben.

Riemann ist es auch, der sich an Prominente Gegenbeispiele zu Kurzschläfern wie Margret Thatcher erinnert. So habe Albert Einstein lange geruht. Dem Wissenschaftler werden Schlafzeiten von bis zu zwölf Stunden zugesprochen. Aber auch der Amazon-Chef Jeff Bezos soll laut „New York Times“ gesunden Schlaf von rund acht Stunden schätzen. Gleiches gilt nach Angaben des Medienkonzerns „Virgin“ für die Facebook-Chefin Sheryl Sandberg und die Medienunternehmerin Arianna Huffington.

Mehr Bewusstsein für Schlafstörungen

Schaut man auf Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zur Zeitverwendung der Deutschen, lässt sich mit Vorbehalt auch belegen, dass die Bundesbürger länger schlafen. Haben die Deutschen 2002 noch knapp neun Stunden für Schlaf und Körperpflege verwandt, waren es 2012 schon neuneinhalb Stunden.

Doch viel wichtiger und statistisch aussagekräftiger ist für Wissenschaftler Dieter Riemann, welchen Stellenwert Schlafstörungen in der Gesellschaft einnehmen. „Vor 30 Jahren gab es etwa rund zehn Kliniken mit Schlaflaboren, heute sind es mindestens 300. Auch wurden Menschen früher hauptsächlich medikamentös behandelt, heute probiert man es eher mit psychotherapeutischen Ansätzen“, so Riemann.