Washington/Cleveland. Im US-Bundesstaat Ohio hat ein 37-Jähriger einen Rentner umgebracht und ein Video davon ins Netz gestellt. Der Täter ist flüchtig.

Ein kaltblütiger Mord auf offener Straße. Ein willkürlich ausgesuchtes Opfer. Ein offensichtlich psychisch gestörter Täter, der seinen teuflischen Akt mit der Handy-Kamera filmt und das Video kurz danach via Facebook in die Welt schickt: Das tragische Ende des 74-jährigen ehemaligen Stahlarbeiters Robert Godwin in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio hat in Amerika Entsetzen ausgelöst.

Die verwackelten 60 Sekunden, die das soziale Netzwerk inzwischen gelöscht hat, zeigen, wie Steve S., ein 37 Jahre alter Sozialarbeiter in einer Jugend-Psychiatrie, an der 93. Straße im Nordosten Clevelands am Sonntagnachmittag auf den alten Mann zugeht, der mit einer Plastiktüte auf dem Bürgersteig geht. „Kannst du Joy L. sagen?“. Godwin, irritiert, sagt den Namen der Frau, deren Rolle in dem Drama bisher noch nicht ausgeleuchtet ist. S. gibt zurück: „Ja, sie ist der Grund dafür, dass dir das hier passiert.“ Er zieht eine Pistole.

Godwin kann nur noch sagen: „Oh man, ich kenne niemanden, der so heißt!“. Dann fällt ein Schuss. Sekunden später liegt der Rentner in einer Blutlache am Boden – tot. S. dreht sich weg und sagt wie ein Synchronsprecher zu seinem Publikum: „Dieser Scheißkerl ist tot wegen dir.“ Gemeint war offenbar Joy L.

Täter gilt als „hoch gefährlich“ und unberechenbar

Die Szenen, nicht live gestreamt, wie ursprünglich angenommen wurde, sondern Stunden nach der Tat ins Internet hochgeladen, lassen „die Menschen in dieser Stadt sprachlos zurück“, sagte Polizeichef Calvin Williams am Sonntagabend. Gemeinsam mit anderen Polizeibehörden und dem FBI hat der Sheriff eine Großfahndung ausgelöst. Gesucht wird ein weißer Ford, Modellreihe Fusion. Mit dem Auto ist S. vom Tatort geflohen. Er gilt als „hoch gefährlich“ und unberechenbar.

Steve S. wird verdächtigt, einen 74-Jährigen getötet zu haben.
Steve S. wird verdächtigt, einen 74-Jährigen getötet zu haben. © dpa | Handout

Anhand von weiteren Videos, die der bärtige 120-Kilo-Mann mit dem Smartphone von sich gedreht hat, teilweise während der Fahrt, hat die Polizei das vorläufige Bild eines Psychopathen zusammengesetzt. S. lamentiert, dass er durch seine Spielsucht „alles“ verloren habe. Er rühmt sich, noch 15 weitere Morde begangen zu haben – wofür die Polizei bisher keinen einzigen Beweis hat. Die ganze Welt sei gegen ihn, immer werde er für alles verantwortlich gemacht. Er werde weiter töten. Solange, bis seine Mutter und besagte Joy L. endlich mit ihm reden.

Video vom Mord stand wohl drei Stunden auf Facebook

Über die familiären Hintergründe von S. haben die Behörden bislang keine gesicherten Erkenntnisse. An seiner Arbeitsstelle, dem Beech-Brook-Center in Pepper Pike vor den Toren Clevelands, fielen Kollegen aus allen Wolken. „Er war immer ruhig und freundlich.“ Die Angehörigen von Robert Godwin stehen unter Schock. „Unser Großvater war wie so oft auf der Suche nach leeren Blechdosen, als er auf seinen Mörder traf. Was für ein sinnloser Tod.“

Unterdessen geriet erneut der Social-Media-Gigant Facebook ins Kreuzfeuer. Dort war das Hinrichtungsvideo offenbar über drei Stunden lang zu sehen, bevor es gelöscht wurde. Wie auch die komplette Seite des Täters. Ein Facebook-Sprecher betonte, dass S. bei seiner Tat nicht die Live-Funktion genutzt hat.

Mutter des Täters nennt mögliches Motiv

Aber auch das kam bereits vor. In Chicago misshandelten vier junge Schwarze Anfang des Jahres einen Behinderten – und filmten sich dabei in Echtzeit. Kurz danach, ebenfalls in Chicago, missbrauchten sechs junge Männer, ebenfalls Afro-Amerikaner, stundenlang eine 15-Jährige sexuell – und posteten ihre Schandtaten live im Netz. 40 „User“ sahen zu, ohne die Polizei zu informieren. Facebook wie auch Twitter mit seinem Livestreaming-Dienst Periscope haben nach Ansicht von Kriminologen bis heute kein wirksames Mittel gefunden, „um gegen Mord und Terrorismus in Echtzeit vorzugehen“.

Unterdessen appellierte die Polizei in Cleveland am Montag an S., er möge sich stellen. „Wir müssen das hier zu einem Ende bringen“, sagte Polizeichef Calvin Williams, „es darf kein weiteres Blutvergießen geben“. Er schloss nicht aus, dass der Täter Ohio längst verlassen hat und sich in Pennsylvania, Indiana oder Michigan aufhält. Auch dort wurden Fahndungen ausgelöst. Die Mutter des Täters nannte unterdessen erstmals ein mögliches Motiv für die Bluttat. Ihr Sohn habe sich mit seiner Freundin total verkracht. Robert Godwin, das Opfer, hinterlässt neun Kinder und 14 Enkelkinder.