Dortmund. Nach der Absage des Dortmund-Spiels nahmen im Pott viele Menschen Gästefans auf. Stefan Kilmer war einer. Sein Foto geht um die Welt.

Am frühen Dienstagabend ahnte Stefan Kilmer noch nicht, dass er einen sehr geselligen Abend verbringen und eine kleine Netzberühmtheit werden würde. Dann kamen die Nachrichten von den Bomben auf den Bus von Borussia Dortmund, von der Absage des Spiels gegen Monaco – und schließlich Lucas, Kevin, Abdramni und Charaf aus der Nähe von Paris.

Der 46-Jährige hatte die Aufrufe auf Twitter unter dem Hashtag #Bedforawayfans gelesen und gehandelt. Nach der Absage des Spiels nahmen viele BVB-Fans Monaco-Anhänger bei sich auf – auch Kilmer.

Wie viele andere in und um Dortmund überlegte der 46-Jährige nicht lange: Fünf Leute könnten bei ihm schlafen, schrieb er auf seinem Twitteraccount @vespafoto und bekam Antwort von Lucas. Zu viert seien sie. Zwei Tweets später hatten sie seine Adresse, einige Minuten später standen die vier jungen Leute bei ihm vor der Tür.

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Geplant hatten die vier, nach dem Spiel am Dienstagabend die Heimreise anzutreten. Mit dem Anschlag auf den Bus, der Absage und der Neuansetzung für den Mittwochabend war der Plan dahin und sie brauchten eine Unterkunft.

Beifall von Iker Casillas und der Hertha

„Ich habe auch schon mal überlegt, Couchsurfing anzubieten, ich bin offen anderen gegenüber“, sagte Kilmer unserer Redaktion. „Einer ist schwarz, einer ist weiß, der eine hat jene Religion, der andere diese, das ist doch egal. Wenn wir alle offen zueinander sind, dann ist das ein anderes Miteinander.“

Weil sein Foto, das er auf Twitter teilte, auch diese Botschaft vermittelt, traf es einen Nerv. Binnen einer Stunde war es bereits 10.000-fach retweetet, und Menschen bedankten sich gerührt.

Unter anderem der AS Monaco, Hertha BSC , Justizminister Heiko Maas, die spanische Torwart-Legende Iker Casillas und der deutsche Account von Twitter hatten ihm da auch schon stellvertretend ihren Respekt gezollt für die Aktion, bei der er einer war von vielen.

Gastgeber ist selbst ab und an im Stadion

Um Mitternacht kam dann noch ein Franzose: Kilmer empfing noch einen Journalisten von Europe1 für ein Gespräch. Der twitterte dann ein Foto der Runde. „Beispielhaft“ sei die Solidarität, fand er. Kilmer erinnert sich, dass die Franzosen das nach den Anschlägen selbst vorgemacht haben.

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Er selbst war an dem Abend nicht zu dem Champions-League-Spiel im Stadion gewesen, „ich bin aber Dortmund-Fan und auch manchmal da“. Und er hat eine klare Meinung zum Fußball: „Das ist Sport, da soll es friedlich zugehen, da soll man bei aller Rivalität gerade hier im Pott den anderen akzeptieren und respektieren.“ Was passiert sei, habe ihn schockiert. Der Abend wurde trotzdem fröhlich. Und dann hatte einer seiner Gäste auch noch selbst ein Dortmund-Trikot, weil er in Frankreich Fan der Borussen ist.

Kleiner Deutschkurs: Gäste können „Kartoffel“

Als die Franzosen Essen bestellen wollten, kam das für Kilmer nicht in Frage: „Es wird gekocht!“ Spaghetti, Abdramni rührte die Tomatensoße. Verständigung mit holprigem Englisch. „Ich lerne ein paar französische Wörter, sie ein paar deutsche.“ Was zum Beispiel? „Kartoffel“, sagt Kilmer. Deutscher geht kaum noch.

Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken waren am Tisch ein riesiges Thema. Retweetet von Iker Casillas – irre. Gefeiert vom deutschen Trainer Peter Neururer? Verrückt. Und schon wieder 1000 Likes mehr.

Für den Vertriebsmitarbeiter in einem Telekommunikationsunternehmen war schon am Abend klar: Die Gäste sollen auch ein leckeres Frühstück bekommen. Am Abend klärte er noch: Er wird später sein auf der Arbeit. Zwischenzeitlich hatten das auch die Fans aus Frankreich geklärt. Einer studiert noch, zwei sind Kollegen in der gleichen Firma. „Wir haben einen tollen Chef“, sagte Charaf unserer Redaktion. Auch deshalb, weil sie das verschobene Spiel nun einen Tag später anschauen können.

Ob sie zusammen mit ihrem Gastgeber ins Stadion gehen? Darüber haben sie noch nicht nachgedacht. „Vielleicht“, sagte Kilmer. „Es ist mir nicht so wichtig, erst mal ist wichtig, dass es den vier gut geht.“