Berlin. Jugendliche aus Akademiker-Haushalten treiben laut einer Studie deutlich mehr Sport. Die Autoren sehen die Schulen in der Pflicht.

Fitness, Körpergefühl, Teamgeist und Vorbeugung gegen Pfunde im Alter: Dass Sport für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wichtig ist, bestreitet niemand. Im Gegenteil: Untersuchungen von Universitäten etwa ergeben, dass sportlich aktive Kinder ihr Selbstwertgefühl stärken und emotional stabiler sind. Das kann auch später am Arbeitsmarkt helfen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat nun untersucht, wie viel Sport Jugendliche aus Familien unterschiedlicher Bildungsschichten pro Woche machen. Das Ergebnis der Studie, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt, ist gesellschaftspolitisch erschreckend: Über die Hälfte der 12- bis 16-Jährigen aus Elternhäusern, in denen die Eltern keinen berufsqualifizierenden Abschluss haben, treiben keinen Sport. Bei Jugendlichen aus Elternhäusern, wo mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss hat, ist nur rund ein Drittel Sportmuffel.

Schulangebote im Bereich Sport

Als Sport werden alle Aktivitäten außer Spazierengehen gezählt, die in den Bereich „Körperliche Bewegung“ fallen. Hinzugerechnet werden auch Schulangebote im Bereich Sport, nicht jedoch der reguläre Sportunterricht. Denn dieser ist für die Jugendlichen nicht freiwillig.„Anders als bei der Frage, ob junge Menschen in ihrer Jugend jemals Sport getrieben haben, zeigen sich beim Umfang der sportlichen Aktivitäten von Jugendlichen, also deutlich ungünstigere Werte bei bildungsferneren Elternhäusern“ sagt IW-Forscher Wido Geis.

Einen Grund hierfür sehen die Autoren darin, dass Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern oft ebenfalls an die Universitäten wollen und ein Gymnasium besuchen. Da bleibt am Nachmittag auch schlicht mehr Zeit als bei einer beruflichen Ausbildung.

Computer spielen und chillen

Auch die veränderte Mediennutzung hat einem Einfluss auf die Sportaffinität von Kindern.
Auch die veränderte Mediennutzung hat einem Einfluss auf die Sportaffinität von Kindern. © dpa | Jens Kalaene

Zeit für Sport hätten laut Studie allerdings alle Jugendlichen. Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2013, sind laut IW die aktuell verfügbarsten Daten über die Beschäftigung von Teenagern: Danach verbringen zwei Drittel der Jugendlichen aus bildungsferneren Elternhäusern ihre Zeit stattdessen vor allem mit mehr „Chillen“ oder „Abhängen“, also fernsehen, Musik hören, Computer spielen, mittlerweile auch am Handy daddeln oder einfach nichts tun.

Fast 40 Prozent der Kinder aus bildungsfernen Haushalten machen das täglich über vier Stunden. Bei Kindern aus Familien mit Hochschulabschluss verbringen rund 20 Prozent täglich über vier Stunden mit „Chillen“, fast 40 Prozent immerhin täglich zwei bis vier Stunden. Wie bekommt man Jugendliche also dazu, sich zu bewegen, in Sportvereine zu gehen, ohne zu viel Druck auszuüben? Die IW-Forscher sehen vor allem die Politik und die Schulen in der Pflicht, an den Zuständen etwas zu ändern. „Insgesamt sollte der Schulsport die Grundlagen für eine aktive Lebensweise auch nach Verlassen der Schule legen“, heißt es.

Attraktivität von Sport

So sollten etwa Kinder, die noch nicht schwimmen können, in der Schule unbedingt Schwimmunterricht bekommen. Jugendliche sollten auch den richtigen Umgang mit Hilfsmitteln lernen, etwa mit Hanteln oder Tera-Bändern. Ganz wichtig sind Angebote der Ganztagsschulen. Diese müssten zunächst über genügend Personal und Sportstätten verfügen, um Kurse anbieten zu können und weniger sportliche Schüler für Bewegung begeistern.

Stark leistungs- und wettkampforientierter Sport sollte hingegen den Vereinen und speziellen AGs überlassen bleiben, da dieser für schwächere Schüler demotivierend wirken könne, schreiben die IW-Forscher weiter. Sport, Spaß, Bewegung, Wettkampf, Zusammenhalt im Team: Von alleine scheint die Attraktivität von Sport nicht mehr zu wirken.