Victoria. Weltweit wehren sich Frauen gegen Kleidungsvorschriften bei der Arbeit. In Kanada soll ein Gesetz gegen das Tragen von High Heels her.

Filmfestspiele 2016 in Cannes. Filmstar Julia Roberts schreitet barfuß über den roten Teppich. Hippie-Laune eines Filmstars? Nein, handfester Protest, nachdem weiblichen Gästen wegen flacher Schuhe der Zugang zu einer Filmpremiere verwehrt worden war. Der Festivalchef musste sich entschuldigen. Ein solcher Vorfall soll sich in diesem Mai nicht wiederholen.

Ob Filmstar oder Kellnerin, Flugbereiterin oder Büroangestellte: Stöckelschuhe bei der Arbeit sind für viele Frauen eine Qual. Nicht selten sorgen die Schuhe für Druckstellen, für Schürfwunden und Schmerzen. Trotzdem erwarten Arbeitgeber von ihren weiblichen Angestellten manchmal das Tragen hoher Absätze. Weltweit regt sich Protest gegen den Stöckelschuh-Zwang. In Kanada soll nun ein Gesetz dagegen erlassen werden.

Blut an den Füßen

Maggie Lauzon kann ein Lied von den Qualen singen. Sie hatte für eine Restaurantkette in Vancouver gearbeitet und sollte bei der Arbeit nach dem Willen ihres Arbeitgebers Absätze von mindestens fünf Zentimetern Höhe tragen – so sahen es die Kleidervorschriften vor. „Wenn wir nach der Arbeit unsere Schuhe auszogen, hatten wir oft Blut an den Füßen oder sogar ganze Zehennägel verloren“, erklärte sie der Zeitung „The Province“. Als sie sich irgendwann weigerte, wurde sie kurzerhand entlassen.

Barfuß-Protest: Julia Roberts bei den Filmfestspielen in Cannes 2016.
Barfuß-Protest: Julia Roberts bei den Filmfestspielen in Cannes 2016. © REUTERS | © Yves Herman / Reuters

Nun wollen Politiker in Kanada den Zwang zum hohen Absatz verbieten. „Diese Praxis muss aufhören“, erklärte am Wochenende die Regierungschefin der westkanadischen Provinz British Columbia, Christy Clark. Die Kleidungsvorschriften mancher Arbeitgeber seien nicht nur altmodisch, sondern in Zeiten der Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch völlig unangebracht, erklärte Clark.

Zwang zum hohen Absatz

Ein geplantes Gesetz soll Frauen wie Lauzon nun Erleichterung bringen. Es ist das erste dieser Art in Nordamerika. Danach soll es Arbeitgebern in British Columbia künftig verboten werden, einzelne Personengruppen zu Stöckelschuhen zu zwingen. Vielmehr müssen die Schuhvorschriften in den Betrieben so abgefasst werden, dass sie für alle Angestellten gleichermaßen gelten. Sprich: Wenn Stöckelschuhe Pflicht sind, müssen auch die Männer darin erscheinen. Der ursprüngliche Entwurf war von den Grünen eingebracht worden und wird von der Regierung unterstützt. Das Gesetz soll in Kürze verabschiedet werden.

Auch der Restaurant- und Gaststättenverband der Provinz jedenfalls äußerte sich wohlwollend über das Vorhaben, das in British Columbia über alle Parteigrenzen hinweg gelobt wird. Im Internet zeigten sich viele weibliche Angestellte in der Branche erleichtert.

Proteste auch in Großritannien

Auch im Rest Kanadas gilt das Gesetz als Vorbild. Denn British Columbia steht mit seinen Bemühungen um mehr Geschlechtergerechtigkeit in Sachen Schuhe nicht allein. In der Nachbarprovinz Alberta sorgte vergangenes Jahr eine Servicekraft für Aufsehen, die sich bei der Arbeit die Füße blutig lief, angeblich, weil ihr Arbeitgeber Absätze verlangt hatte. Nachdem eine Freundin ein Foto der blutverschmierten Füße auf Facebook stellte, brach ein wahrer Sturm der Entrüstung los, obwohl das betroffene Restaurant die Anschuldigungen zurückgewiesen hatte.

Auch in Großbritannien gibt es derzeit eine Debatte über Stöckelschuhe. Entzündet hatte sich die Diskussion an einem Vorfall in einer renommierten Unternehmensberatung. Die Rezeptionistin Nicola Thorp hatte behauptet, sie sei entlassen worden, weil sie entgegen der betrieblichen Vorschriften mit flachen Schuhen zur Arbeit gekommen sei. Daraufhin hatten 150.000 Briten eine Petition unterschrieben, mit der sich jetzt das Parlament befassen muss.

Knochenprellungen, Brüche und Langzeitschäden

„Hunderte von Frauen berichteten uns von ihren Langzeitschäden“, sagt Aktivistin Helen Jones, Vorsitzende der Petition. In den USA haben Experten das Thema Absätze ebenfalls im Visier. Der Fachverband der Physiotherapeuten veröffentlichte 2015 eine Studie. Danach hat sich in den Krankenhäusern die Zahl der Unfälle, die auf das Tragen von hohen Absätzen zurückzuführen sind, zwischen 2002 und 2012 annähernd verdoppelt.

Zu den häufigsten langfristigen Gesundheitsgefahren gehören nach Angaben des Fachverbandes der Fußspezialisten von British Columbia unter anderem Knochenprellungen, Brüche, eingequetschte Nerven und Arthritis. Laut der Berufsgenossenschaft der Provinz sind rund ein Drittel aller Arbeitsunfälle in der Gaststättenbranche auf Stürze und umgeknickte Füße zurückzuführen. Die Regierung hofft, dass mithilfe des neuen Gesetzes diese Zahl sinken wird.