Berlin. Schlecht schlafen bei Vollmond? Das Nachtgestirn hat keinen Einfluss auf den Menschen, viele richten ihr Leben dennoch nach ihm aus.

Heute wäre ein guter Tag für Augengymnastik, Wechselduschen zur Anti-Cellulite-Behandlung, um Naturlocken zu schneiden, um Fruchtpflanzen wie Kürbis und Feigen zu essen – am besten kombiniert mit eiweißhaltigen Zutaten. Der Tag eignet sich auch zum Blumendüngen, Brotbacken, Heilkräuterernten, für die Fellpflege von Hund und Katze, und, jawohl, um einen Brunnen zu bohren.

Allerdings sollte man heute besser keine Warzen entfernen oder Zähne ziehen oder sich den oberen Rücken tätowieren lassen. Auf Fensterputzen sollte man verzichten wie darauf, ein Fundament für ein Haus zu bauen. Das empfehlen zumindest typische Mondkalender, Ratgeber für alle, die nach dem Rhythmus des Mondes leben wollen.

Auf den Bestsellerlisten

Die Grundidee dahinter: Der Zyklus des zu- und abnehmenden Mondes beeinflusst den Erfolg oder Misserfolg menschlichen Handelns. Obwohl es dafür keine wissenschaftlichen Belege gibt, schwören Millionen Menschen auf die vermeintliche Wirkung des Nachtgestirns. Mondkalender finden seit Jahren reißenden Absatz und fahren ordentliche Klickzahlen im Internet ein. Auf der Bestsellerliste des deutschen Buchreports standen für die Kalendersaison 2017 allein fünf lunare Ratgeber.

Über Europa leuchtet der Supermond

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    Mondkalender geben Tipps, wann im Mondverlauf welche Tätigkeiten erledigt werden sollten. Dazu kommen noch all die Bier-, Brot- und Quellwassersorten, die mit der Kraft des Mondes gebraut, gebacken, abgefüllt sein sollen. Für die meisten Wissenschaftler ist das der blanke Unsinn. „Es gibt zahlreiche Fakten und Untersuchungen, die solche Einflüsse des Mondes auf den Menschen und seine Umwelt widerlegen“, sagt Klaus Jäger vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

    Einfluss auf menschliches Verhalten

    Zwar könne der Herr der Gezeiten gemeinsam mit der Sonne Ozeane bewegen. Aber bei kleinen Meeren und Seen dominieren bereits ganz andere Kräfte als seine Gravitation. „Und ob Sie ein Haar verlieren oder nicht, beeinflusst Sie kräftemäßig mehr als der Mond“, sagt Jäger. Ungeachtet dessen geht der Volksglaube noch weiter. Laut einer Forsa-Umfrage glauben 92 Prozent der Deutschen (mehr Frauen als Männer), dass die Mondphasen, vor allem der Vollmond, Einfluss auf das menschliche Verhalten haben.

    Auf den Schlaf (88 Prozent), die Suizidrate (40 Prozent), auf Geburten (32 Prozent), auf Verkehrsunfälle (31 Prozent). Nach der Umfrage plant fast jeder Zehnte seinen Friseurbesuch nach dem Mondkalender. Für die Autoren der Ratgeber ist das ein einträgliches Geschäft. Johanna Paungger-Poppe und Thomas Poppe schreiben seit 25 Jahren Bestseller über das Wissen um Natur- und Mondrhythmen. Elf Werke haben sie bisher veröffentlicht, die 14 Millionen Mal verkauft und in 24 Sprachen übersetzt wurden.

    Überliefertes Bauernwissen

    Sie beschäftigen sich überwiegend mit dem Zusammenhang von Haareschneiden, Bäumepflanzen, Holzarbeiten, medizinischen Operationen und dem Einfluss der Mondphasen und dem Stand des Mondes im Tierkreis auf diese Tätigkeiten. Paungger-Poppe beruft sich auf angeblich überliefertes Bauernwissen, welches sie von ihrem Großvater vermittelt bekommen habe. Volkskundler Helmut Groschwitz hat sich intensiv mit der Kulturgeschichte des Mondkalenders beschäftigt – und diese These bereits vor Jahren widerlegt.

    „Das in den heutigen Mondkalendern vermittelte ,Wissen‘ ist kein uraltes, empirisches Bauernwissen, wie in den Kalendern zur Legitimation behauptet wird“, resümiert Groschwitz. Vielmehr gingen die Mondregeln auf elitäres Wissen der mittelalterlichen Medizin und Astrologie zurück, denen man nur ein neues Etikett verpasst habe. „Die Thesen beruhen auf keinerlei Beobachtung.“ Eher auf bauernschlauen Analogien: Wer Gewicht verlieren will, sollte Diät machen, wenn auch der Mond abnimmt.

    Statistisch belegbarer Zusammenhang

    Wer seine Haare schneiden will, geht bei abnehmendem Mond zum Frisör. Wer Geld anlegen will, tut das am besten bei zunehmendem Mond und so weiter. Selbst den Schlaf kann die Nachtlaterne nicht direkt beeinflussen, wie zahlreiche Studien belegen. Das stellten zuletzt Forscher des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München fest, nachdem sie große, bereits vorhandene Datensätze über den Schlaf auswerteten.

    Ihr Fazit: „Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen.“ Alfred Wiater, Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Schlafforschung hat für Schlafstörungen bei Vollmond eine einfache Erklärung: Helles Licht wirke der Ausschüttung des Einschlafhormons Melatonin entgegen.

    Beeinflussung des Schlafverhaltens

    „So kann die Wahrnehmung des hellen Vollmondlichtes mit der Besorgnis einhergehen, nicht oder schlecht einschlafen zu können, und damit unser Schlafverhalten negativ beeinflussen.“ Warum glauben dennoch so viele Menschen an den Mythos Mond? Die Kalender gäben Halt und strukturierten den Alltag, sagt Edgar Wunder, Soziologe an der Ruhr-Universität Bochum. „Das macht zufrieden – warum sollte man das hinterfragen?“ Für Wunder begründet sich der Mondglaube auch in einer selektiven Wahrnehmung.

    Beispiel: Kommen in einer Vollmondnacht im Krankenhaus besonders viele Kinder zur Welt, verbinden Beobachter das mit dem hellen Vollmond. Wenn dies allerdings in einer normalen Nacht geschieht, fehlt später ein bedeutungsschwerer Anlass, sich daran zu erinnern. „Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Forschung erklären wir uns Eindrücke im Alltag anhand besonderer Ereignisse – ohne einen Vergleich anzustrengen“, sagt Wunder.

    Supermond – Weltweites Himmelsspektakel

    Der „Supermond“ zwischen den antiken Säulen auf der Akropolis in Athen. Der Mond kam am 14. November 2016 der Erde  so nah wie selten. Dadurch wirkte er besonders groß.
    Der „Supermond“ zwischen den antiken Säulen auf der Akropolis in Athen. Der Mond kam am 14. November 2016 der Erde so nah wie selten. Dadurch wirkte er besonders groß. © dpa | Yannis Kolesidis
    Die echte Vollmondphase begann exakt um 14.52 Uhr. Nur drei Stunden zuvor kam der Trabant mit nur 356.509 Kilometern Distanz in extreme Erdnähe. Im südafrikanischen Johannesburg kamen etwa 500 Menschen zusammen, um im Licht des Vollmonds zu meditieren oder Yoga zu betreiben.
    Die echte Vollmondphase begann exakt um 14.52 Uhr. Nur drei Stunden zuvor kam der Trabant mit nur 356.509 Kilometern Distanz in extreme Erdnähe. Im südafrikanischen Johannesburg kamen etwa 500 Menschen zusammen, um im Licht des Vollmonds zu meditieren oder Yoga zu betreiben. © dpa | Kim Ludbrook
    Vor der südafrikanischen Küste bei Kapstadt löste der „Supermond“ eine ungewöhnlich starke Flut aus. Ein starker Wind tat das Übrige zum Entstehen dieses Bildes.
    Vor der südafrikanischen Küste bei Kapstadt löste der „Supermond“ eine ungewöhnlich starke Flut aus. Ein starker Wind tat das Übrige zum Entstehen dieses Bildes. © dpa | Nic Bothma
    Wladimir Iljitsch Lenin greift nach dem Mond. Eine Statue des sowjetischen Staatsgründers auf dem Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan.
    Wladimir Iljitsch Lenin greift nach dem Mond. Eine Statue des sowjetischen Staatsgründers auf dem Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. © REUTERS | SHAMIL ZHUMATOV
    Dort wurde auch dieses Bild aufgenommen.
    Dort wurde auch dieses Bild aufgenommen. © dpa | Yuri Kochetkov
    Dieses Bild entstand schon am Abend zuvor im britischen Glastonbury.
    Dieses Bild entstand schon am Abend zuvor im britischen Glastonbury. © REUTERS | REBECCA NADEN
    Der „Supermond“, wie ihn die Bewohner von Prag erleben konnten.
    Der „Supermond“, wie ihn die Bewohner von Prag erleben konnten. © dpa | Filip Singer
    Aufgang des Vollmonds über dem Mailänder Dom.
    Aufgang des Vollmonds über dem Mailänder Dom. © dpa | Daniel Dal Zennaro
    Der Vollmond über der australischen Stadt Brisbane.
    Der Vollmond über der australischen Stadt Brisbane. © dpa | Dan Peled
    Vollmond und rote Ampel leuchteten um die Wette. Aufgenommen in Frankfurt am Main.
    Vollmond und rote Ampel leuchteten um die Wette. Aufgenommen in Frankfurt am Main. © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
    Dort entstand am selben Abend diese Aufnahme. Im Vordergrund ist die Zentrale der Commerzbank zu sehen.
    Dort entstand am selben Abend diese Aufnahme. Im Vordergrund ist die Zentrale der Commerzbank zu sehen. © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
    Der Vollmond über einer Shopping-Mall im mazedonischen Skopje.
    Der Vollmond über einer Shopping-Mall im mazedonischen Skopje. © dpa | Georgi Licovski
    Fehlt nur ein Kinderfahrrad, das mit Alien im Korb vorbeifliegt: Der Mond bei Gryon in der Schweiz.
    Fehlt nur ein Kinderfahrrad, das mit Alien im Korb vorbeifliegt: Der Mond bei Gryon in der Schweiz. © dpa | Anthony Anex
    Eine Mutter und ihr Kinder betrachteten den Vollmond in Dubai.
    Eine Mutter und ihr Kinder betrachteten den Vollmond in Dubai. © Getty Images | Tom Dulat
    Blick auf den Mond über einer Kirche in Vila Pouca de Aguiar im Norden Portugals.
    Blick auf den Mond über einer Kirche in Vila Pouca de Aguiar im Norden Portugals. © dpa | Pedro Sarmento Costa
    Auch über dem Brandenburger Tor in Berlin strahlte der Himmelskörper.
    Auch über dem Brandenburger Tor in Berlin strahlte der Himmelskörper. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    In Kapstadt in Südafrika hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, um den Mond anzusehen.
    In Kapstadt in Südafrika hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, um den Mond anzusehen. © dpa | Nic Bothma
    Der Vollmond über dem Mausoleum von Mohamed V. im marokkanischen Rabat.
    Der Vollmond über dem Mausoleum von Mohamed V. im marokkanischen Rabat. © dpa | Abdelhak Senna
    Wie ein roter Feuerball wirkte der Supermond in Nagykanizsa in Ungarn.
    Wie ein roter Feuerball wirkte der Supermond in Nagykanizsa in Ungarn. © dpa | Gyorgy Varga
    Ähnlich bedrohlich wirkte er in Südfrankreich, als er am Horizont aufstieg.
    Ähnlich bedrohlich wirkte er in Südfrankreich, als er am Horizont aufstieg. © dpa | Guillaume Horcajuelo
    Feurig Rot stand der Supermond auch über Rom.
    Feurig Rot stand der Supermond auch über Rom. © dpa | Alessandro Di Meo
    In Teheran (Iran) schien sich der Mond knapp neben den Millenium Tower zu setzen.
    In Teheran (Iran) schien sich der Mond knapp neben den Millenium Tower zu setzen. © dpa | Abedin Taherkenareh
    Auch über der philippinischen Hauptstadt Manila bot sich in der Nacht ein Supermond-Bild der Extra-Klasse. Ob nun hinter dem blauen Kreuz einer katholischen Kirchturmes, ...
    Auch über der philippinischen Hauptstadt Manila bot sich in der Nacht ein Supermond-Bild der Extra-Klasse. Ob nun hinter dem blauen Kreuz einer katholischen Kirchturmes, ... © dpa | Francis R. Malasig
    ... oder während des Morgengrauens über der Skyline Manilas.
    ... oder während des Morgengrauens über der Skyline Manilas. © dpa | Francis R. Malasig
    Auch von der australischen Sydney Harbour Bridge aus konnte man das seltene Naturereignis miterleben.
    Auch von der australischen Sydney Harbour Bridge aus konnte man das seltene Naturereignis miterleben. © REUTERS | JASON REED
    Im US-Bundessstaat Utah entstand diese Aufnahme.
    Im US-Bundessstaat Utah entstand diese Aufnahme. © dpa | Jim Lo Scalzo
    Supermond und Grabstein-Büste im US-Bundesstaat Illinois.
    Supermond und Grabstein-Büste im US-Bundesstaat Illinois. © dpa | Tannen Maury
    Der Mond war so nah und groß wie selten zu sehen. Der Super-Vollmond strahlte im hessischen Frankfurt am Main über der pyramidenartigen Spitze des 256,5 Meter hohen Messeturmes.
    Der Mond war so nah und groß wie selten zu sehen. Der Super-Vollmond strahlte im hessischen Frankfurt am Main über der pyramidenartigen Spitze des 256,5 Meter hohen Messeturmes. © dpa | Frank Rumpenhorst
    Früh morgens zeigte er sich dann hinter den Bankentürmen der Stadt.
    Früh morgens zeigte er sich dann hinter den Bankentürmen der Stadt. © dpa | Frank Rumpenhorst
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    Lunarer Einfluss beim Säen

    Auch in der biologisch-dynamischen Demeter-Landwirtschaft spielt der Rhythmus des Mondes eine Rolle, wie sie Anthroposoph Rudolf Steiner schon in den 30er-Jahren propagiert hat. Er empfahl die Aussaat einige Tage vor Vollmond, weil dann Wasser besonders stark in die Blätter dränge.

    Viele Hobbygärtner schwören heute auf den lunaren Einfluss beim Säen und Schneiden der Pflanzen – und stellen mitunter ein besseres Wachstum fest. Dies könne allerdings auch daran liegen, dass die Pflanzen mithilfe eines Mondkalenders einfach regelmäßiger gegossen werden, meint Volkskundler Groschwitz.