Berlin. Kurz vor seinem Tod fiel Unister-Chef Thomas Wagner offenbar auf Betrüger herein. Eine Schlüsselfigur steht nun in Leipzig vor Gericht.

Wilfried S. schweigt, vorerst. Als am Dienstag am Landgericht Leipzig der Prozess gegen den 69-Jährigen beginnt, versteckt sich S. hinter einem grünen Ordner vor den Fotografen und sagt erst einmal nichts. Er werde sich später im Verfahren äußern, erklärt sein Anwalt.

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, in dem dubiosen Betrugsfall rund um das Internetunternehmen Unister und seinem inzwischen verstorbenen Gründer Thomas Wagner eine Schlüsselfigur gewesen zu sein. Wagner wurde um 1,5 Millionen Euro betrogen.

Einen Koffer voll Falschgeld erhalten

Während der Angeklagte schweigt, spricht das erste Opfer: Eine Architektin und Immobilienmaklerin aus Menden in Nordrhein-Westfalen berichtet am Dienstag, wie Wilfried S. sie 2015 überzeugt habe, sich auf einen dubiosen Deal einzulassen: Einen Kredit über eine Million Euro gegen eine Sicherheit von 100.000 Euro – in bar. Kreditgeber sollte ein vorgeblicher israelischer Diamantenhändler sein, Levy Vass.

Sie habe Zweifel an der Seriosität des Geschäfts gehabt, berichtet die Zeugin. Doch der Angeklagte habe sie „massiv und mit Händen und Füßen“ bearbeitet, sich verbürgt für Vass. Also willigte die Architektin ein. Doch statt des vereinbarten Kredits bekommt sie auf einem Parkplatz im slowenischen Ljubljana einen Koffer mit Falschgeld. „Das war eine ganz abgekartete Geschichte“, sagt die Architektin.

Einstige Vorzeige-Firma Unister geriet ins Trudeln

Auf dieselbe Masche ist ein Jahr später Unister-Gründer Thomas Wagner hereingefallen: Das Leipziger Internetunternehmen Unister, das zahlreiche Reise- und Serviceportale wie ab-in-den-urlaub.de betreut und inzwischen Insolvenz angemeldet hat, braucht im Sommer 2016 dringend Geld. Die Firma, einst mit mehr als 1500 Mitarbeitern ein Vorzeige-Start-up, wird da schon seit Längerem von negativen Schlagzeilen verfolgt: Mehrere Hundert Stellen wurden gestrichen, es gab Betrugsvorwürfe und Razzien in den Geschäftsräumen.

Hartnäckig hielten sich zu dem Zeitpunkt Gerüchte über Unisters schlechte finanzielle Lage. In dieser Situation lässt sich auch Thomas Wagner, der die Firma 2002 als Student gegründet hatte, auf ein Geschäft mit dem vermeintlichen Diamantenhändler Vass ein. Gemeinsam mit Geschäftspartner Oliver Schilling fliegt Wagner im Juni 2016 nach Venedig. Dort will er Vass treffen.

Unister-Manager erstatten Anzeige

Im Gepäck haben Wagner und Schilling 1,5 Millionen Euro, abgehoben von einem Unister-Konto. Das Geld soll als Sicherheit dienen für einen Kredit in Höhe von 15 Millionen, den Vass Unister geben will. Wagner übergibt das Geld. Doch statt des versprochenen Kredits bekommt auch er einen Koffer mit Falschgeld.

Nur die oberste Schicht der Scheine ist echt, gerade einmal 20.000 Schweizer Franken. Als sie den Betrug bemerken, erstatten die Unister-Manager noch in Venedig Anzeige, dann machen sie sich auf den Weg zurück nach Leipzig. Doch über Slowenien stürzt das Kleinflugzeug ab – Wagner, Schilling, ein weiterer Passagier und der Pilot sterben. Wenige Tage später meldet Unister Insolvenz an.

Treffen mit dem Kreditgeber finden im Ausland statt

Derlei betrügerische Geschäfte werden Rip-Deals genannt. Den Opfern, die wie Wagner einen Kredit brauchen oder aber etwas verkaufen wollen, wird schnell und unbürokratisch viel Geld versprochen. Die Angebote sind so gut, dass die Opfer im Zweifel über Ungereimtheiten hinwegsehen. Wie in den Fällen, an denen S. beteiligt war, findet ein Treffen mit dem vermeintlichen Kreditgeber oder Kaufinteressenten im Ausland statt.

Der Betrugsprozess gegen Winfried S. soll am Mittwoch fortgesetzt werden. Dann sollen Unister-Mitarbeiter aussagen, die angeblich von Wagners Plänen wussten. Nach dem vermeintlichen Diamantenhändler Levy Vass suchen die Ermittler unterdessen noch immer.