Berlin. Bomben und Anschläge an vielen Orten gleichzeitig: Bundeswehr und Polizei proben den Anti-Terror-Kampf. Das Szenario der Großübung ist düster.

  • An der Großübung beteiligen sich sechs Bundesländer, unter anderem Nordrhein-Westfalen
  • Panzer werden nicht zu sehen sein, die Terror-Szenarien werden nur in der Theorie geprobt
  • Seit Jahren wird über den Einsatz der Bundeswehr im Inland politisch gestritten

Bundeswehr und Polizei wollen in dieser Woche gemeinsam in sechs Bundesländern den Anti-Terror-Kampf üben. 360 Soldaten sind beteiligt. Die Soldaten im Inland dürfen dabei auch erstmals hoheitliche Aufgaben wie die Anwendung von Zwangsmaßnahmen übernehmen.

Panzer werden aber nicht über die Straßen rollen, die Terror-Szenarien werden nur in der Theorie geprobt. Bei der sogenannten Stabsrahmenübung vom 7. bis 9. März geht es nach Angaben des Verteidigungsministeriums um Kommunikation, Koordination und den Test von Alarmketten. Der Einsatz der Bundeswehr im Inland ist politisch umstritten.

„Intensive Vorbereitung ist unverzichtbar“

„Deutschland steht im Zielspektrum des internationalen Terrorismus“, teilte das Bundesinnenministerium mit. „Das mussten wir zuletzt vor Weihnachten in Berlin auf schreckliche Weise erfahren. Eine frühzeitige und intensive Vorbereitung der Sicherheitsbehörden auf terroristische Anschläge ist unverzichtbar.“

An der als „Getex“ („Gemeinsame Terrorismusabwehr-Exercise“) bezeichneten Übung nehmen die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein teil.

Streitkräfte unter Leitung der Polizei

Das geplante Szenario: Terroranschläge etwa an einer Schule, einem Bahnhof und an einem Konsulat – und das alles gleichzeitig. In dem Szenario sind die Polizeikräfte komplett gebunden, so dass sie Hilfe der Bundeswehr anfordern können. Jedes Bundesland entscheidet dann selbst, ob und in welcher Form es die Streitkräfte um Unterstützung bittet. Die Streitkräfte stehen dabei unter der Leitung der Polizei.

Seit Jahren wird über den Einsatz der Truppe im Inland politisch gestritten. Das Grundgesetz lässt ein solches Engagement nur in Ausnahmefällen zu.

Grundgesetz regelt Einsatz der Soldaten im Inneren

Artikel 35 erlaubt etwa die sogenannte Amtshilfe – so halfen Tausende Soldaten bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Auch bei Katastrophenfällen dürfen Soldaten ausrücken. Während der Hochwasserkatastrophen an Oder und Elbe bauten sie Dämme und halfen bei Evakuierungen. Ein „besonders schwerer Unglücksfall“ kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber auch ein katastrophaler Terroranschlag sein.

Artikel 87a regelt den Einsatz während eines inneren Notstands. Zur Abwehr einer „drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“ kann die Bundeswehr ebenfalls eingesetzt werden. Sie darf „Aufständische“ bekämpfen und zivile Einrichtungen wie Bahnhöfe und Schulen schützen – aber nur dann, wenn die Polizei dazu nicht in der Lage ist. Einen solchen Einsatz der Bundeswehr hat es noch nie gegeben.

Politische Diskussion

Union und SPD hatten sich im Juli 2016 im Weißbuch zur Sicherheitspolitik auf den Kompromiss verständigt, dass die Bundeswehr bei Anschlägen mit katastrophalen Folgen auch ohne Grundgesetzänderung eingesetzt werden kann.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte beim Amoklauf von München 100 Feldjäger und Sanitäter in Bereitschaft versetzen lassen, weil die Polizei zunächst von einer „akuten Terrorlage“ ausging.

Strenge Trennung von Armee und Polizei

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte den Einsatz der Bundeswehr im Inland auch nach dem Berliner Terroranschlag im vergangenen Dezember ins Spiel gebracht – und damit deutliche Kritik auf sich gezogen. Die strenge Trennung von Armee und Polizei in Deutschland hat historische Gründe, die auf die Ereignisse in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus zurückgehen.

Es sei gut, dass die rechtlichen Optionen auf Stabsebene einmal durchgespielt würden, sagte der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Es müsse dabei aber klar sein, dass nach dem Grundgesetz die Hürden für den exekutiven Einsatz der Bundeswehr im Inneren „aus guten Gründen“ sehr hoch seien. „Die Bundeswehr ist keine operative Polizeireserve.“

Übung ist nicht neu

Dass die Bundeswehr den Terrorfall im Inland übt, ist nicht völlig neu. Seit 2004 finden etwa alle zwei Jahre große Katastrophenschutzübungen von Polizei, Technischem Hilfswerk, Rettungsdiensten, Feuerwehr und eben auch der Bundeswehr mit jeweils unterschiedlichen Szenarien statt. 2005 und 2010 ging es bei den „Lükex“ genannten Übungen um Terror, 2010 etwa um eine Anschlagserie in mehreren Bundesländern, bei der auch „schmutzige Bomben“ zum Einsatz kamen, die mit nuklearen und chemischen Stoffen versetzt waren.

Die Bundeswehr wurde dabei fünf Mal angefordert, half bei der Rettung von Verletzten und setzte Transporthubschrauber ein, um ABC-Masken und Sanitätsmaterial auszuliefern. (dpa)