New York/Berlin. Amy hat Krebs und wird bald sterben. Damit ihr Ehemann nach ihrem Tod nicht alleine bleibt, schreibt sie einen öffentlichen Brief .

„Wenn Sie nach einem verträumten, unternehmungslustigen Reisegefährten suchen, dann ist Jason ihr Mann.“ Das sind die Worte von Jasons sterbenskranker Frau Amy Krouse Rosenthal (51). Worte, die Liebe und Loslassenkönnen, aber vor allem Fürsorge für den anderen über den Tod hinaus ausdrücken.

Die US-Schriftstellerin, die mit ihren drei Kindern und ihrem Mann in Chicago lebt, hat Krebs im Endstadium und nur noch Tage zu leben. Jetzt schrieb sie einen Brief für das Onlineportal der „New York Times“. Die Überschrift: „Sie werden meinen Mann heiraten wollen“.

Ein Satz, der wie der Plot eines Hollywood-Melodrams klingt, so tieftraurig und doch so hoffnungslos romantisch. Es dauert nicht lange bis sich der rührende Brief Rosenthals wie ein Lauffeuer im Internet verbreitet.

Amy wünscht sich 26 weitere Jahre mit ihrem Mann

Sie habe bereits einige Mal versucht, diesen Brief aufzusetzen, schreibt die preisgekrönte Kinderbuchautorin, doch das Morphium, das sie einnehme und die Tatsache, dass sie seit fünf Wochen nicht richtig essen könne, hätten sie daran gehindert.

„Ich muss das hier sagen, solange ich Ihre Aufmerksamkeit und einen Pulsschlag habe“, schreibt Rosenthal. Ihr bleibe wenig Zeit. 26 Jahre ist sie mit ihrem Mann verheiratet – und sie wäre es gerne 26 weitere Jahre geblieben.

Amy Crouse Rosenthal, preisgekrönte Autorin.
Amy Crouse Rosenthal, preisgekrönte Autorin. © Brooke Hummer Photography

Doch der Morgen des 6. September 2015 sollte diese Hoffnung, gemeinsam alt zu werden, zerstören. Es war der Morgen, an dem Rosenthal und ihr Mann in einem Krankenhaus in Chicago erfuhren, dass die ungewöhnlichen Schmerzen auf ihrer rechten Seite Eierstockkrebs sind. Ihr jüngstes Kind hatte gerade das Haus Richtung Universität verlassen, das Paar wollte die Welt bereisen – doch mit diesem Moment war klar: Das würde alles nicht mehr passieren.

„Man verliebt sich leicht in ihn. Ich brauchte einen Tag.“

Doch beschloss Amy Krouse Rosenthal nicht einen Schritt zurück, sondern zwei nach vorne zu machen, in der Gegenwart zu leben und in die Zukunft zu blicken. Nicht in ihre, sondern in die ihres Ehemannes. „Darf ich Ihnen vorstellen, Jason Brian Rosenthal“, schreibt sie in ihrem Brief. Es sei einfach, sich in ihn zu verlieben. „Ich brauchte einen Tag.“

Tatsächlich organisierte der beste Freund ihres Vaters für die beiden ein Blind Date. Damals war Amy Rosenthal 24 Jahre alt. „Nach dem Ende des Abendessens wusste ich, dass ich ihn heiraten möchte.“ Heute wolle sie mit ihrem Brief dasselbe, was ihr Onkel damals machte, für ihn tun – ihm eine Verabredung mit einer tollen Frau organisieren. Er könne kochen, habe einen sehr guten Kleidungsstil, male Bilder und sei ein toller Vater. Als Amy Rosenthal mit ihrem ersten gemeinsamen Kind schwanger wurde, habe er Blumen zum Ultraschalltermin mitgebracht.

„Mir bleiben Tage, aber ich kann nur hoffen, dass jemand diesen Brief liest und eine neue Liebesgeschichte beginnt“, schreibt Rosenthal. Sie wolle ihren Platz räumen. So schreibt sie am Ende ihres Briefs: „Ich lasse absichtlich etwas leeren Raum unter dem Text. Er ist ein Weg, euch beiden den Neustart zu ermöglichen, den ihr verdient.“ Und dann folgt ein großes Stück Weißraum und ein Abschiedsgruß. „In Liebe, Amy.“