Washington. Harry Belafonte ist Sänger, Schauspieler und Friedensaktivist. Jetzt feiert der Sohn einer Putzfrau aus Jamaika runden Geburtstag.

Als Nelson Mandela einmal gefragt wurde, wer nach dem Bürgerrechtler Martin Luther King der wirkungsmächtigste Schwarze Amerikas sei, kam die Antwort ohne langes Zögern: Harry Belafonte.

Mit seinem Urteil stand die Ikone der südafrikanischen Anti-Apartheids-Bewegung nicht allein. Der als Harold George Bellanfanti Jr. im New Yorker Stadtteil Harlem geborene Sohn einer Putzfrau aus Jamaika und eines Schiffskochs aus Martinique ist das intakte Jahrhundertgewissen jenes Amerikas, das sich mit Unrecht und Ungerechtigkeit nicht abfinden will. Nichts lässt Belafonte verstummen. Sein Herz schlägt beharrlich. Und wie immer links. Auch am heutigen Mittwoch, wenn der begnadete Grenzgänger zwischen Politik und Kultur seinen 90. Geburtstag feiert.

Belafonte hat die Krisen und Umbrüche des 20. Jahrhunderts oft aus der Pole-Position erlebt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war er bei der Marine. Später stand er neben Martin Luther King an der Spitze der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, unterstützte Präsident John F. Kennedy und zog gegen die chilenische Diktatur und die Militärobristen in Griechenland auf die Straße. Der Völkermord an den Indianern, die Versklavung der Afrikaner, das Gemetzel im Dschungel von Vietnam – überall sah Belafonte den amerikanischen Drang am Werk, sich andere Völker zu unterwerfen.

Als UN-Sonderbotschafter spart er nicht an Kritik

Wo immer es ihm geboten erschien, nahm der spätere UN-Sonderbotschafter die Regierenden in Washington unter Beschuss. George W. Bush wurde für ihn durch den Irak-Krieg zum „Terroristen“. Den damaligen schwarzen Außenminister Colin Powell nannte er einen „Sklaven der Regierung“. Und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kam ihm das Heimatschutzministerium wie eine „amerikanische Gestapo“ vor.

Dass man Harry Belafonte heute immer noch zuhört, dass seine Diskussionsabende vor allem an Universitäten überlaufen sind, gründet auf einer Popularität, die 60 Jahre lang gereift ist.

1956 ließ der blendend aussehende Mann mit der natürlichen Reibeisenstimme zum ersten Mal seine Erkennungsmelodie erklingen. „Day-o, day-ay-ay-o.“ Die ersten Takte im „Banana Boat Song“ machten den bis dahin auf eher kleinere Film- und Theaterrollen beschränkten Künstler berühmt, der einst beim großen Erwin Piscator in New York Schauspiel studiert hatte. Dass das Lied von der Mühsal der Hafenarbeiter handelt, die nächtens die Bananendampfer beladen und das Morgengrauen herbeisehnen, trat gerade im Wirtschaftswunder-Deutschland in den Hintergrund. Hier wurde Belafonte vor allem als ewig strahlender Calypso-König vereinnahmt, der den täglichen Exotikbedarf deckt und den Traum vom Eiland in der Sonne mit endlosen Stränden und Müßiggang befeuert.

Ein Allround-Star, größer als das Leben

Aus seinem Erfolg als Sänger entstand lange vor Bill Cosby oder Michael Jackson die erste afroamerikanische Karriere in Übergröße: eigene Fernsehshow, ein mehr als eine Million Mal verkauftes Album, blendend bezahlter Allrounder zwischen Bühne, Leinwand und Mattscheibe – in den 50er- und 60er-Jahren war Harry Belafonte „larger than life“; größer als das Leben. Charlie Parker, Miles Davis und Marlon Brando bewunderten ihn. Und er sie.

Dass ihm die Kunst als Daseinszweck zu wenig war, hat der famose Geschichtenerzähler, der 2003 zum letzten Mal auf Tournee ging und 1996 in Robert Altmans „Kansas City“ seine letzte große Filmrolle hatte, früh bewiesen.

In dritter Ehe mit einer Fotografin verheiratet

Als das weiße Amerika Martin Luther King im Gefängnis dem Vergessen preisgeben wollte, zahlte Belafonte die Kaution. Bis zur Ermordung des Bürgerrechtlers und Baptistenpredigers pflegten beide eine enge Freundschaft. Belafonte hat dessen Leitspruch bis heute beherzigt: „Schweigen ist Verrat.“

Nach dem Wahlsieg Donald Trumps rief der in dritter Ehe mit der Fotografin Pamela Frank verheiratete Vater von vier erwachsenen Kindern Amerika dazu auf, alles zu tun, „damit Trumps Philosophie und Weltbild nicht überdauern“. Belafonte hält nach eigenen Worten den Präsidenten des Amtes für „unwürdig“. Solange er lebe, werde er dies deutlich machen. Vorher gibt es noch einmal Musik: „When Colors Come Together … The Legacy of Harry Belafonte“, ein neu arrangiertes Best-of-Album, ist jetzt im Handel.