Augsburg. Ein Polizist wimmelt am Notruf einen Jugendlichen ab, der dann verprügelt wurde: Vorsätzliche Körperverletzung im Amt, so ein Gericht.

„Die Polizei – Dein Freund und Helfer!“ – von diesem Werbespruch der Ordnungshüter hält der 17-Jährige nichts mehr, das macht er vor dem Amtsgericht in Augsburg klar.

Als ein paar andere Jugendliche im März 2016 auf ihn losgehen, wählt der junge Mann mit seinem Handy die 110 und bittet um Hilfe. Doch der Beamte in der Notrufzentrale denkt gar nicht daran, eine Streife zu schicken.

6000 Euro Strafe und Dienstrechtliches Verfahren

Die Polizei könne nicht immer kommen, wenn sich Jugendliche streiten, kanzelt der Polizist den Anrufer ab. Kurz darauf wird der 17-Jährige zusammengeschlagen und erhält „viele blaue Flecken, ein blaues Auge“, wie er als Zeuge schildert.

Für den Notrufbeamten gab es am Donnerstag die Quittung: Er wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt verurteilt. Der 53-Jährige muss 6000 Euro Strafe zahlen, zudem erwartet ihn noch ein dienstrechtliches Verfahren des Augsburger Polizeipräsidiums.

Polizist über sich selbst: „Absolut unprofessionell“

Er hatte sein Versagen in dem Prozess ohne Wenn und Aber eingeräumt. Sein Verhalten nach 36 Dienstjahren beschrieb er selbst als „absolut unprofessionell“. Als Grund dafür, dass er dem späteren Opfer nicht die erwünschte Hilfe schickte, gab er dessen ruhigen, sachlichen Ton bei dem Notruf an.

Eine Hinweistafel am Polizeipräsidium Schwaben Nord in Augsburg. In der dortigen Einsatzzentrale hat ein Polizist den Notruf eines Jugendlichen abgewimmelt (Archiv).
Eine Hinweistafel am Polizeipräsidium Schwaben Nord in Augsburg. In der dortigen Einsatzzentrale hat ein Polizist den Notruf eines Jugendlichen abgewimmelt (Archiv). © dpa | Stefan Puchner

Deswegen habe er das alles für nicht so ernst gehalten und gar nicht mehr richtig zugehört. Tatsächlich hatte der Jugendliche nicht panisch geklungen. Doch: „Der Bub kann nichts dafür, wenn er am Telefon so cool rüberkommt“, räumt auch der Angeklagte ein.

Barsch und aggressiv abgewimmelt

Der Beamte war seit sieben Jahren als erfahrener Polizist in der Leitstelle eingesetzt. Vor Gericht gibt er zu, dass es nicht das erste Mal Beschwerden über sein Verhalten gegeben habe. Derzeit werde er deswegen psychologisch betreut und arbeite nicht mehr am Notruf-Telefon. Wie der aufgezeichnete und in dem Prozess abgespielte Notruf zeigt, hatte er den 17-Jährigen barsch und aggressiv abgewimmelt.

Er hatte auch behauptet, eine Streife würde eine halbe Stunde zu dem Tatort im Augsburger Vorort Stadtbergen brauchen. Die Ermittlungen ergaben hingegen, dass zwei Polizeiwagen in fünf bis zehn Minuten an den Tatort hätten fahren können. „Sie haben bewusst falsche Tatsachen vorgebracht“, hielt Richterin Ute Bernhard dem Polizisten vor.

Anfechtung des Urteils offen

Zunächst hatte Bernhard einen Strafbefehl gegen den Beamten ausgestellt, doch dessen Anwalt hatte Einspruch eingelegt. Deswegen wurde der Fall überhaupt öffentlich verhandelt. Der Verteidiger wollte erreichen, dass das Verhalten seines Mandanten nicht als Vorsatz, sondern nur als Fahrlässigkeit gewertet wird – ohne Erfolg.

Der Rechtsanwalt ließ offen, ob er das Urteil anfechten wird. Die Richterin und der Staatsanwalt hatten zuvor mehrfach empfohlen, den Einspruch zurückzuziehen, weil ein Urteil wohl teurer als der Strafbefehl werden würde – so kam es dann auch.

Richterin: Vertrauen in die Polizei geschädigt

Der Polizist hat mit dem Anrufer inzwischen ein Schmerzensgeld von 500 Euro vereinbart und sich bei dem Jugendlichen mehrfach entschuldigt.

Doch die Richterin hielt dem Polizisten auf der anderen Seite vor, dass er nicht nur bei dem 17-Jährigen den Glauben in die Arbeit der Polizei erschüttert habe. Es gebe dadurch „insgesamt einen hohen Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit“, betonte sie. (dpa)