Darmstadt. Sie trainieren in Wüsten, Höhlen, Wäldern – der Ausleseprozess für Astronauten ist hart. Der Deutsche Matthias Maurer hat es geschafft.

Wer ins All fliegen will, muss vor allem eines haben: Durchhaltevermögen. Das hat der Saarländer Matthias Maurer zur Genüge bewiesen. Schon 2008 bewarb er sich in der bislang letzten Auswahlrunde der Europäischen Raumfahrtagentur Esa für das Astronautenprogramm und schaffte es unter die besten zehn Bewerber – von etwa 8500 Kandidaten. Doch erst jetzt, acht Jahre später, wird sein Lebenstraum wahr:

Matthias Maurer ist neuer deutscher ESA-Astronaut

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    Am Donnerstag stellte sich der promovierte Werkstoffwissenschaftler erstmals bei einer Pressekonferenz in Darmstadt vor. Journalisten aus ganz Europa kamen, um zu wissen, wer ihr neuer Mann im All ist. Neben Alexander Gerst ist Maurer derzeit der zweite Deutsche, der mit einem Ticket der Esa ins All fliegen darf. Irgendwann. Denn eine Mission gibt es für den 46-Jährigen noch nicht. Wann er damit rechnet? „Das müssen Sie die Esa fragen. Von mir aus schon am Montag“, sagt Maurer.

    Zur Vorbereitung 16 Tage am Stück unter Wasser

    Gut vorbereitet ist er. Er hat den strengen Ausleseprozess überstanden, mit all seinen körperlichen und mentalen Herausforderungen. Er hat an Missionen, Expeditionen, Trainingseinheiten teilgenommen. Er war Mitglied eines sogenannten Cave-Teams und hat in tiefen Höhlensystemen Physis und Psyche für künftige Weltraumeinsätze trainiert.

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      Er ist wochenlang durch Vulkanwüsten, die entfernt an Mars oder Mond erinnern, gestapft. Er hat als Aquanaut im Nasa-Unterwasserlabor Neemo vor Key Largo in Florida 16 Tage am Stück unter Wasser verbracht – und das erste Mal dauerhaft das Gefühl von Schwerelosigkeit erfahren.

      Bei minus neun Grad ohne Proviant ausgesetzt

      Doch seine größte Herausforderung war das Überlebenstraining in Schweden, wo er mit zwei weiteren All-Aspiranten bei minus neun Grad ausgesetzt wurde und sich 48 Stunden durchschlagen musste. Ohne Zelt und Proviant, nur mit ein paar Werkzeugen, die in seine Jackentaschen passten. „Das war ganz extrem, da bin ich an meine Grenzen gestoßen“, sagt er.

      Er weiß, er muss das können. „Eine Kapsel kann vom Kurs abkommen, und da muss man wissen, wie man überleben kann, bis man gerettet wird.“ Nicht einfach seien zudem Russisch und Chinesisch, zwei Sprachen, die er gerade lernt – zusätzlich zu den „ungefähr sieben“, die er schon kann, wie er eher zögerlich erwähnt.

      Großes Medieninteresse an Matthias Maurer

      Astronauten sind eine seltene Spezies – und deshalb gefragt. Maurer muss unendlich viele Fragen beantworten. Journalisten von TV- und Radiosendern, Zeitungen, Online-Medien und Blogger wollen ihn sprechen, ihn filmen, fotografieren. Er eilt von Raum zu Raum, zwischendurch telefoniert und skypt er mit ausländischen Medien.

      Astronaut Matthias Maurer im Trainingszentrum der europäischen Raumfahrtagentur ESA in Köln.
      Astronaut Matthias Maurer im Trainingszentrum der europäischen Raumfahrtagentur ESA in Köln. © dpa | Oliver Berg

      Man will wissen, was er „da oben“ am liebsten sehen will („Den Mond!“), ob er sich auch in eine privat betriebene Kapsel setzen würde („Selbstverständlich würde ich das, die haben Nasa-Standards“) und welches Weltraumbuch er zuletzt gelesen hat („Der Marsianer“). Bei Astronauten ist alles irgendwie interessant.

      Maurer strahlt auch nach mehreren Stunden. „Natürlich ist ein Traum für mich wahr geworden. Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, zum All fliegen zu dürfen?“, sagt er immer wieder, ohne dass es gebetsmühlenartig klingt.

      Auf Twitter als @explornaut

      Die immer unter Rechtfertigungsdruck stehende Esa freut das. Sie muss sich oft behaupten, wenn debattiert wird, warum so viel Geld in die Raumfahrt gesteckt werde. Die Bundesregierung gibt allein etwa 130 Millionen Euro für den Betrieb der Internationalen Raumstation ISS aus. Maurer ist nun ihr Botschafter. Ein Himmelsbotschafter, der die Geschichte des Fortschritts weitererzählen soll.

      Ganz im Sinne seines Arbeitgebers pflegt er so auch den Umgang mit den sozialen Medien, twittert und postet faszinierende Bilder von seinen irdischen Missionen – sein Nutzername: „@explornaut“. Privates ist indes kaum zu erfahren. Lieber spricht er über Forschungsprojekte und den europäischen Gedanken in der Raumfahrt.

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      Erst als Erwachsener auf den Geschmack gekommen

      Maurer hat vielleicht einen weniger romantischen Blick auf seine Mission als Alexander Gerst, der schon in seiner Kindheit davon geträumt hat, ins Weltall zu kommen. Für Maurer war es ein „Erwachsenentraum“, sagt er. Nach seinem Studium der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, fasziniert von Wissenschaft und Technologie und einem Faible für „eine ordentliche Prise Abenteuer“ sei das genau das gewesen, was er eben wollte, sagt er.

      Bei der Frage nach dem Akzent, den er bei seinen möglichen Missionen setzen will, antwortet Maurer denn auch nüchtern: „Ich bin ein Vertreter der Werkstoffwissenschaften – das ist ein breites Spektrum.“ Ja, er freue sich auf diesen galaktischen Blick auf die Erde, von dem die aktiven Astronauten schwärmen und davon, wie hauchdünn und verletzlich die Hülle des Planeten ist, auf dem wir leben.

      Erste Möglichkeit für Maurer erst 2020

      Mal auf dem Mond spazieren? Ja, bitte gern. Ganz im All will er allerdings nicht verschwinden, wie so mancher Weltraumtourist, der ein Ticket ohne Rückfahrschein in Kauf nehmen würde. „Ich liebe mein Leben. Und wenn ich ins All fliege, möchte ich wieder zurückkehren. Das ist wichtig, um meine Erfahrungen zu teilen.“

      Wann er allerdings in den Weltraum und wohl zur ISS fliegt, steht noch in den Sternen. Erst einmal ist Alexander Gerst wieder an der Reihe. 2020 gibt es für Maurer die erste Möglichkeit. Vielleicht später, wenn ein anderer Astronaut das Ticket bekommt. Aber im Durchhalten ist Matthias Maurer ja Meister.