Berlin. Eigentlich soll Zahnpasta die Gesundheit fördern. Doch eine Studie legt nahe, dass sie auch schaden kann. Die Schuld hat ein Stoff.

Es steckt in Zahnpasta, Kaugummi, Hustenbonbons und Sonnencreme: Titandioxid. Auf Verpackungen ist der Lebensmittelfarbstoff als E171 zu finden. Die winzigen Partikel sorgen vor allem in Süßwaren und Kosmetika unter anderem für einen milchigen Effekt und weiße Farbe.

Eine neue, im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlichte Studie, an der auch die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz (ANSES) sowie das Luxemburgische Institut für Wissenschaft und Technologie (List) beteiligt sind, zeigte jetzt an Ratten: Die tägliche Aufnahme von Titandioxid kann die Entstehung von chronischen Darmentzündungen und Krebsvorstufen im Darm fördern.

Titandioxid vor kurzem noch als unbedenklich bewertet

Das Ergebnis überrascht, denn erst im September hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa Titandioxid in einer Neubewertung von Lebensmittelzusatzstoffen als unbedenklich eingestuft, es gebe „keine Hinweise auf Gesundheitsbedenken für Verbraucher“.

Trotzdem sollte man die neue Studie „ernst nehmen“, sagt Susanne Weg-Remers, Sprecherin des Krebsinformationsdienstes: „Es ist eine hochwertige Untersuchung.“ Dass es bei der Einordnung des Stoffes so unterschiedliche Einschätzungen gebe, könne mehrere Gründe haben. „Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen, um ein mögliches Gesundheitsrisiko festzustellen.“

2010 keine Belege für Gefahr für Menschen

So wurden 2013 bei einer Studie die Todesursachen von Arbeitern in einer Fabrik erfasst, in der Titandioxid verarbeitet wurde. Es wurde geprüft, ob sich die Häufigkeit der krebsbedingten Todesfälle der Arbeiter, die den Stoff über Jahre eingeatmet hatten, von der in der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. „Das war nicht der Fall“, so Weg-Remers. Auch eine 2012 durchgeführte Metastudie zum möglichen Gesundheitsrisiko durch Titandioxid aus Kosmetika, die auf die Haut aufgetragen werden, gab Entwarnung.

Eine bereits 2010 von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) veröffentlichte Stellungnahme kam auf Grundlage der damaligen Forschungslage zu keinem klaren Ergebnis und hielt fest: Bei Versuchstieren ist ein Krebsrisiko durch Titandioxid nachgewiesen. Beim Menschen gibt es dafür keine ausreichenden Belege. Es ist vielleicht krebserregend.

Weitere Tests sollen folgen

Das Risiko durch tägliches Schlucken, wie eben bei Lebensmitteln und Zahnpasta, wurde dabei nicht berücksichtigt und bisher auch nicht am lebenden Objekt untersucht, schreibt das Forscherteam aus Frankreich und Luxemburg. Die Efsa spricht von einer beschränkten Datenlage. Die Forscher mischten Titandioxid für ihre Studie 100 Tage lang in das Trinkwasser einer Ratten-Gruppe und zwar in Mengen, die dem menschlichen Verzehr entsprechen könnten. Die Immunabwehr in den Därmen dieser Ratten nahm daraufhin signifikant ab.

Gemeinsam mit einer zweiten Gruppe, die kein Titandioxid bekam, wurden die Tiere mit einer krebsauslösenden Chemikalie gefüttert – eine typische Vorgehensweise, um im Tierversuch ein Krebsrisiko zu untersuchen. In der Titandioxid-Gruppe entwickelten daraufhin deutlich mehr Tiere Krebsvorstufen als in der Vergleichsgruppe. Anschließend machten die Forscher den gleichen Versuch, ohne zusätzlich ein krebsauslösendes Mittel zu füttern. Bei 40 Prozent der zuvor gesunden Tiere bildeten sich spontan Krebsvorstufen.

Ein Hinweis, dass E171 auch unabhängig von anderen Faktoren ein Risiko birgt, schlussfolgern die Forscher. „Das zeigt, dass ein Gefährdungspotenzial bestehen könnte“, sagt Weg-Remers, schränkt jedoch ein: „Tierstudien lassen sich nie eins zu eins auf den Menschen übertragen. Zudem war die Stichprobe sehr klein. Es ist dringend weitere Forschung nötig.“ So interpretierte auch die französische Regierung die Ergebnisse und ordnete weitere Tests durch die ANSES an. Bis Ende März soll eine erste Einschätzung vorliegen.