Rom. Vor dem Europäischen Gerichtshof wird ein schwieriger Fall von Leihmutterschaft verhandelt: Eizelle und Samen stammen von Unbekannten.

Am 27. Februar 2011 ist in Moskau ein Junge zur Welt gekommen. Doch auf die eigentlich simple Frage nach den Eltern gibt es bereits viele Antworten: Sind es die Italiener Donatina und Giovanni Campanelli? Die russische Leihmutter? Oder doch die beiden Unbekannten, die ihren Samen und ihre Eizellen gespendet haben?

Viele Fragen, die vor Gericht geklärt werden mussten. Mit dem Ergebnis: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat sich den Vor-Instanzen angeschlossen und entschieden: Die Leihmutterschaft ist verboten. Das Paar, das den Jungen von einer Russin austragen ließ, ist enttäuscht. Ihr Kind wird weiter bei einem anderen Paar leben; bei Pflegeeltern, die der Staat ausgesucht hat. Der Fall ist höchst kompliziert: Fünf Beteiligte sind involviert: Die Campanellis, die Leihmutter und die Pflegeeltern.

Doch damit nicht genug: Weil Ei und Samen gar nicht von den Campanellis stammen, kommen noch zwei Unbekannte hinzu. Die Formulierung des Gerichts verweist auf jenen Aspekt, der die Campanellis ratlos zurücklässt: Der Junge, so die Justizbehörde, sei gar nicht mit den Campanellis verwandt! Es ist von einem „Kind“ die Rede, das „keine biologische Verwandtschaft“ zu den Eltern aufweist. Was war passiert?

Italien steckte den Jungen in eine Pflegefamilie

Ein DNA-Test hatte ergeben, dass der Kleine weder Donatinas noch Giuseppes Erbgut in sich trug. Das Paar war schockiert und hatte keinerlei logische Erklärung. Für sie konnte es nur so passiert sein: Es musste etwas bei der In-Vitro-Befruchtung in der Moskauer Klinik schiefgelaufen sein. Waren etwa Sperma und Eizellen vertauscht worden? Den Vertrag hatte das Ehepaar nicht mit der Leihmutter selbst, sondern mit einem spezialisierten Unternehmen, der „Rosjurconsulting“ in Russland, abgeschlossen.

Zuvor hatte das Paar 15 Jahre lang alles versucht, sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Donatina war bereits 44, Ehemann Giuseppe 56 Jahre alt, als sie sich bei dem russischen Unternehmen Hilfe suchten. Dort wurden sie, so erlaubt es das Gesetz in Russland, als rechtmäßige Eltern registriert. In Italien wie auch in Deutschland ist die Leihmutterschaft verboten.

Als sie ihren Nachkömmling nach Italien gebracht hatten, war es mit dem Familienglück schnell vorbei. Das Jugendgericht von Campobasso in Süditalien eröffnete ein Verfahren gegen das Ehepaar. Der Vorwurf lautete auf Falschaussage und Missbrauch des internationalen Adoptionsrechtes.

Campanellis vom Adoptionsverfahren ausgeschlossen

Die russische Geburtsurkunde wurde nicht anerkannt. Dem Jungen fehlte monatelang eine offizielle Identität. Für das italienische Gesetz war er ein „Findelkind“, wurde 2011 in ein Waisenhaus überwiesen und über ein Jahr später einer Pflegefamilie anvertraut. Selbst vom Adoptionsverfahren wurden die Campanellis ausgeschlossen.

Ein Fall wie der in Italien, in dem beide Partner nicht mit dem Kind verwandt sind, ist in Deutschland noch nicht bekannt geworden. Sicher habe eine solche Konstellation den „Makel einer Bestellung“, sagt Familien-Rechtsanwalt Michael Stern. Aber sollten deshalb Paare, die keine Kinder bekommen können, kinderlos bleiben? „Da knallen viele Argumente aufeinander.“ „Irgendwann wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen, ob eine genetische Verwandtschaft für die rechtliche Anerkennung der Elternschaft zwingend sein darf.“

Leihmutterschaft in vielen Ländern verboten

Warum ist die Leihmutterschaft in so vielen europäischen Ländern verboten? „Der Gesetzgeber befürchtet eine Kommerzialisierung“, sagt Medizinrechtler Hans-Georg Koch. „Denn die Frau, die das Kind austrägt, muss entschädigt werden.“

Trotz des Verbots nehmen auch Deutsche immer häufiger Leihmütter in Anspruch, eben im Ausland, sagt Rechtsanwalt Rolf Behrentin. „Bei mir nehmen die Fälle seit ein paar Jahren zu.“ Befördert haben dürfte dies eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2014.

Die Karlsruher Richter erkannten damals ein schwules Paar als Eltern für ein Kind an, das eine Leihmutter in den USA ausgetragen hatte.