Berlin. Getrocknete Seepferdchen oder lebende Schlüssselanhänger: Die Einfuhr geschützter Tiere und Pflanzen hat neue Dimensionen erreicht.

Der Reisende wollte die kostbaren Mitbringsel vorbei an den Zöllnern am Frankfurter Flughafen schmuggeln. Bei der Kontrolle seines schwarzen Pilotenkoffers entdeckten sie ein Dutzend Exemplare der seltenen Pfirsichköpfchen – die Zwergpapageien saßen zusammengepfercht in Kisten mit winzigen Luftlöchern und voller Kot. Über zehn Stunden hatten die Vögel aus China so ausgeharrt.

Kaum eine Woche vergeht, in der die deutschen Zöllner keine gruseligen Entdeckungen machen. In Düsseldorf fanden sie Hunderte getrocknete Frösche aus Thailand – gedacht als Delikatesse – in einem Postpaket. In Nürnberg wollten Rucksacktouristen elf artgeschützte Chamäleons importieren – teilweise in Socken versteckt. In Saarbrücken beschlagnahmten die Fahnder einen Mantel und einen Teppich aus dem Fell von Schneeleoparden, einer akut vom Aussterben bedrohten Spezies.

Größter Schwarzmarkt nach Drogen und Waffen

Der Schmuggel mit geschützten Arten blüht, sowohl für den Handel als auch für den privaten Zweck. 580.000 illegal transportierte Tiere, Pflanzen und daraus hergestellte Produkte stellte der Zoll allein in Deutschland im Jahr 2015 sicher – das war fast fünfmal mehr als ein Jahr zuvor. Der Zoll geht davon aus, dass die Zahlen des vergangenen Jahres, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im März präsentieren wird, noch einmal deutlich darüberliegen.

Damit hat der illegale Tierhandel dem Menschenhandel den Rang abgelaufen. „Nach Drogen und Waffen handelt es sich mittlerweile um den drittgrößten Schwarzmarkt der Welt“, warnt Roland Gramling, Experte der Naturschutzorganisation WWF. Zurückzuführen sei die Rekordzahl auf eine Verbesserung der Kontrollen mithilfe von speziell ausgebildeten Artenschutz-Spürhunden, aber auch darauf, dass immer mehr Menschen in ferne Länder reisten und sich Erinnerungsstücke mitbringen wollten.

Dramatischer Anstieg der Wilderei auf Nashörner und Elefanten

Drastisch gestiegen ist nach Angaben vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) auch der Internethandel sogenannter Lifestyleprodukte wie Diätmittel, die aus geschützten Arten erzeugt werden. Dazu gehören etwa auch bestimmte Aloe- und Orchideen-Gewächse. Noch größere Ausmaße hat die enorme Nachfrage aus Asien nach vermeintlichen Heils- und Potenzbringern, die in den vergangenen Jahren zu einem dramatischen Anstieg der Wilderei auf Nashörner und Elefanten führte. Neu ist, dass Deutschland offenbar immer häufiger als Transitland für Elfenbein und Co. genutzt wird.

Unter das Artenschutzgesetz fallen auch tote, getrocknete Seepferdchen. Bei den Schmugglern liegen sie allerdings voll im Trend.
Unter das Artenschutzgesetz fallen auch tote, getrocknete Seepferdchen. Bei den Schmugglern liegen sie allerdings voll im Trend. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Boris Roessler

Trotz wachsendem Ökotourismus findet der Zoll auch immer häufiger verbotene Mitbringsel im Urlaubsgepäck. In Südamerika, Südostasien und Afrika locken Märkte mit ausgefallenen Andenken: Elfenbeinschnitzereien und Reptilienledertaschen, Korallenschmuck und eingelegte Schlangen gelten als Klassiker. Schillernde Muscheln und Schneckengehäuse liegen am Strand förmlich herum – vielfach sind geschützte Arten dabei.

Viele Urlauber handeln aus Unwissenheit

Im Trend liegen derzeit die Schwerter von Sägefischen, aufgespießte Schmetterlinge und – besonders perfide – „lebende“ Schlüsselanhänger, Minifrösche zum Beispiel, Lurche, Fische und kleine Schildkröten.

Viele Urlauber wollen anscheinend gar nicht wissen, dass es sich bei ihren Souvenirs um Dinge handelt, deren Einfuhr verboten ist. Franz Böhmer vom Bundesamt für Naturschutz lässt das nicht gelten: „Offenbar werden bei einigen Menschen die Denkprozesse ausgeschaltet, sobald sie im Flieger sitzen. Zu Hause würde man auch nicht einfach eine seltene Blume abpflücken – warum muss man dann beim Tauchen Korallen aus dem Meer holen?“ Und schließlich gebe es genug Möglichkeiten, sich auf einfachem Weg schlauzumachen.

Mit GPS-Gerät gehen Sammler auf die Suche

Auch sich mit dem Argument zu rechtfertigen, es handele sich ja um einen Einzelfall oder das Tier sei ohnehin schon tot, sei denkbar blöd, ergänzt WWF-Mann Gramling. „Für jedes verkaufte Produkt wird Nachschub besorgt und die Wilderei befeuert.“

Souvenirjäger reichen vom einfachen Urlauber bis zum obsessiven Sammler, der mit GPS und Tagebuch im Gepäck in Mexiko nach seltenen Kakteenarten sucht – und ausgräbt.

Drastische Geldstrafen drohen auch bei Unwissenheit

Auch uninformierten Touristen, die Ausfuhrverbote und Artenschutzregelungen missachten, können – je nach Land – drastische Geld- oder sogar Gefängnisstrafen drohen. Das gilt auch für weniger exotische Ziele wie Griechenland und die Türkei.

Ob es sich um eine beim Tauchen gefundene antike Münze handelt oder herumliegende scheinbar harmlose Tonscherben – jegliche archäologische Gegenstände sind Kulturgut, auch wenn sie tausendfach den Boden bedecken.

Ausfuhrerlaubnis für Edelhölzer notwendig

Eine neue Regelung gilt ab Februar dieses Jahres: Dann ist der Verkauf von Erzeugnissen aus geschützten Edelhölzern wie Ebenholz, brasilianisches Tropenholz oder afrikanisches Palisander streng verboten – es sei denn, der Besitzer kann die legale Herkunft des Holzes nachweisen. Reisende brauchen für die Ein- und Ausfuhr dann eine offizielle Genehmigung. Das gilt für Musikinstrumente ebenso wie für Stricknadeln.