Berlin. „Fake-Artikel schreiben sich von selbst“: Das sagt der Mann, der mit guter Absicht die Aufregerstorys auf moselkurier.de erfindet.

Sie hatte zum Start auch Journalisten reingelegt: Seit Ende November zielt die Seite moselkurier.de auf die besorgten Bürger ab, die sich auch so gerne empören. „Grünen-Politikerin verteidigt Mord an vergewaltigter Studentin“, „Tag der Bildung: Duden führt arabische Wörter ein“ oder „Afrikanische Flüchtlinge entblößen sich vor Nonnen-Kloster“ sind Überschriften, die Nicht-„Gutmenschen“ vermeintlich Futter geben. Dabei will die Seite die naiven Klicker eigentlich doch nur reinlegen und vielleicht zum Nachdenken bringen. Eine Fake-News-Fälschung – es wird immer komplizierter. Was sagen die Macher?

Die erste Enttäuschung: Wir kommen nicht ran an Alfonso Mbambe, der angeblich Betreiber ist und von einem Internet-Café aus mit der Seite 2000 Euro im Monat verdienen soll. So heißt es zumindest im Video über die „erfolgreichste Fake-News-Redaktion Deutschlands“. „Aus logistischen Gründen nicht verfügbar“, erklärt die Berliner Agentur Turbokultur, die im Impressum angegeben ist.

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Autor im Böhmermann-Team

Dafür hat aber Agenturchef und Autor Christian Brandes Zeit gefunden, auch bekannt unter dem Künstlernamen Schlecky Silberstein und YouTuber in Diensten des ARD-ZDF-Jugendkanals Funk. Ein Interview über Fake-News, wie leicht sie von der Hand gehen und die Risiken bei Fälschungen mit guter Absicht.

Wenn Facebook-Nutzer auf den Link zu einem reißerisch aufgemachten Artikel des „Mosel Kuriers“ klicken, sollen sie den Hinweis „Reingefallen“ bekommen. Auf Twitter kommt der Hinweis nicht. Und dann soll es ja auch Wutbürger geben, die sich über WhatsApp austauschen. Sind Fakes ohne Beipackzettel nicht ein Problem?

Wir bekommen viele Mails, in denen Menschen unsere Art der Medienkritik für gefährlich halten. Zum Beispiel kann jeder einen Screenshot beim „Mosel Kurier“ machen und damit woanders Hetze betreiben, ohne dass jemals jemand erfährt, dass es ursprünglich Satire war. Auf der anderen Seite haben wir es in Teilen geschafft, Menschen mehr über Fake News und die Mechaniken dahinter aufzuklären. Welcher Aspekt überwiegt, wissen wir nicht.

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Wie nennt Ihr das, was Ihr macht? Fake-Fake-News? False Flag Fake-News?

Der Mosel Kurier produziert Fake-Fake-News, man kann auch sagen Fakeception – der Fake im Fake. Aber es soll nicht zu kompliziert werden. Fake-Fake-News ist für jeden verständlich.

Projekt läuft bis Jahresende

Besteht nicht die Gefahr, dass die Menschen die Seite schon bald nicht mehr besuchen, weil sie das Prinzip durchschaut haben? Wie langfristig plant Alfonso Mbambe?

Der Mosel Kurier ist ein zeitlich begrenztes Projekt, das am 30. Dezember ausläuft. Zum einen wollen wir nicht zu viele Fake News produzieren, weil, egal wie absurd wir sie formulieren, immer noch genug Menschen glauben (wollen), was da steht. Zum anderen war die Idee kurzfristig. Wir wollten nach der Trump-Wahl darauf aufmerksam machen, dass Fake News keine Randerscheinung sind und wie Fake News funktionieren.

Ich habe eine Warnung eines offensichtlich stramm rechten Facebook-Nutzers gesehen, moselkurier.de-Artikel nicht zu teilen. Es sei Ziel, „die berechtigte Kritik (…) zu diskreditieren und damit zu belegen, welche Kretins doch die Anhänger des tumben Populismus sind.“ Wo hat er recht?

Wir kritisieren weder berechtigte noch unberechtigte Kritik zu politischen Trends. Der „Mosel Kurier“ ist eine reine Medien- und Mediennutzer-Kritik. Mit dem Mittel der satirischen Übertreibung wollen wir ein Bewusstsein dafür schärfen, dass nicht alles wahr ist, nur weil es im Internet steht. Es ist heutzutage einfach, sich als seriöse Quelle zu tarnen, um damit Geld zu verdienen, Angst zu verbreiten oder beides.

Nur mit Höflichkeit Aussicht auf Erfolg

Die Ansage ist nett gehalten, wenn man in Facebook auf den Link geklickt hat. Hat es in den Fingern gejuckt, unfreundlicher zu sein?

Höflichkeit ist der einzige Weg, auf Gehör zu stoßen. Wenn wir im Auflösungslink gesagt hätten „Mann, bist ddu dumm, du dummer Nazi“, dann hätten wir uns das ganze Projekt sparen können. Wir haben Verständnis dafür, dass nicht alle Menschen Medienprofis sind und kennen ebenso den Reflex, uns in der Daunendecke des eigenen Weltbilds am Wohlsten zu fühlen.

Alfonso Mbambe sagt im Video, dass viele Menschen nur Überschriften lesen. Wie viel Aufwand muss man dennoch in einen Fake-Artikel stecken?

Ein Fake-Artikel schreibt sich praktisch von selbst. Man braucht ja keine Fakten, sondern nur Phantasie. Überdies schleicht sich eine bizarre Faszination ein, mit einer Nachricht den maximalen Furor zu erzeugen. Es hat was Therapeutisches. Aber vor allem geht es schnell von der Hand.

Am Jahresanfang hatte das Blog Ruhrbarone eine angebliche Verschwiegenheitserklärung einer Kölner Klinik nach den Silvesterübergriffen gefälscht und einer Frau untergejubelt, die solches Zeug häufiger verbreitete. Wie weit darf man gehen mit Menschen, die leichtfertig Inhalte teilen?

Satire darf alles.

Im Video berichtet Alfonso von Provision, wenn Nutzer von der Seite kommend Pfefferspray bestellen. Stimmt aber nicht. Und ich habe auch sonst keine Werbung gesehen.

Die Serverkosten zahlen wir aus eigener Kasse, während der Banner nicht der Monetarisierung dient, sondern dem Verständnis. An guten Tagen könnten wir mit einem Retargeting-Banner von Google 500 EUR verdienen.

Regio-Marke verleiht Authenzität

Könnt Ihr in den Kommentaren unter Artikeln noch auseinanderhalten, wer in satirischer Absicht antwortet?

Nein.

Im kommenden Jahr wird der Markt für Fake News ja noch unübersichtlicher: Wie würde moselkurier.de zum deutschen Start von Breitbart titeln?

„Jetzt auf Breitbart: Alle Adressen von Spiegel-Journalisten und den KITAS ihrer Kinder“

Und wenn die „islambesessene Merkel“ für weitere vier Jahre gewählt ist?

„Herr Putin, bitte marschieren sie ein!“

Die Seite heißt moselkurier.de, darunter steht „Für die Region Rhein-Mosel-Eifel“, im Bereich Lokales habe ich aber Texte aus Neukölln gefunden. Was mache ich falsch?

Der Name Mosel Kurier ist ein beliebter Trick, um Schocknachrichten im regionalen Umfeld zu verorten. Auf diese Weise suggeriert man dem Leser Authentizität, vor allem aber Aktualität. Regionale Medien sind in der Regel immer einen Tag schneller als große Zeitungen oder Netzwerke. Man kann also glaubhaft Dinge in die Welt setzen, ohne dass Mainstream-Medien zeitnah das Gegenteil beweisen können. Der Name ist frei gewählt. Zuerst hieß der Mosel Kurier Rhein Kurier, deshalb ist auch noch das NRW-Wappen im Titel. Aber den Rhein Kurier gibt es schon als Kurierdienst.