Bremen. „Alpi“ protzte im Internet auf Youtube von seinen illegalen Fahrten durch die Bremer Innenstadt. Dann fuhr er einen Fußgänger tot.

Das Opfer starb noch an der Unfallstelle. Ein Freitagabend im Sommer, es ist 21.38 Uhr, als ein 75-jähriger Mann trotz roter Ampel und nicht mehr ganz nüchtern über die Straße geht. Plötzlich erfasst ihn frontal ein 200 PS starkes Motorrad. Darauf sitzt jemand, der mit selbstgedrehten Raservideos im Internet Geld verdient: der Bremer Alperen T., mittlerweile 24 Jahre alt. Er fährt mehr als doppelt so schnell wie erlaubt. Einen Motorradführerschein hat er nicht. Das Opfer wird durch die Luft geschleudert und bleibt auf dem Asphalt liegen.

Nun muss sich Alperen T. vor dem Landgericht Bremen verantworten. „Wenn ich könnte, würde ich alles tun, um es rückgängig zu machen“, sagt der Sohn türkischer Eltern zum Auftakt. Die Frage lautet: War der Tod des Rentners am 17. Juni ein tragischer Unfall – oder war es Mord? Die Bremer Staatsanwaltschaft glaubt, dass Alperen T. es billigend in Kauf genommen hat, einen Menschen totzufahren. Die Anklage lautet deshalb auf Mord.

Immer wieder provoziert „Alpi“ Unfälle

Der Angeklagte war mit über 100 Kilometern pro Stunde unterwegs, obwohl auf der Straße nur 50 erlaubt waren. Laut Staatsanwaltschaft wusste der Mann, dass er bei diesem Tempo im Extremfall nicht mehr ausweichen konnte.

Sein Drang, öffentlich mit seiner Raserei zu prahlen, könnte Alperen T. nun zum Verhängnis werden. Dank mehrerer Youtube-Videos war er ein Star der Bikerszene. Mehr als 80.000 Fans schauten sich regelmäßig an, wie „Alpi“ auf seinem Motorrad durch das Bremer Zentrum fuhr, gefilmt mit einer Helmkamera. Schon vor dem 17. Juni wäre Alperen T. beinahe in Unfälle verstrickt worden.

Über Fußgänger gelästert

Eines Nachts sieht man ihn mit mehr als 170 Stundenkilometern durch die Innenstadt fahren, „auf der Suche nach Frischfleisch“, wie er selbst kommentiert. Plötzlich taucht im Bild schemenhaft ein Fußgänger auf. Als sich das Motorrad nähert, bleibt der Passant mitten auf der Straße stehen – vielleicht vor Schreck. Alperen T. weicht ihm in letzter Sekunde aus. „Was für ein behinderter Hurensohn“, schimpft der Angeklagte. „Er bleibt stehen. Ey, wie ein Reh. Er wäre gestorben. Ich hätte ihn in seine Einzelteile zerlegt.“ In einem anderen Film lästert er über einen Radfahrer, der seine Fahrbahn kreuzen will: „Ich glaube, der wollte sterben.“

Für die Ermittler ist aufgrund solcher Sätze klar, dass Alperen T. genau wusste, wie gefährlich seine Rasertouren waren. Die Staatsanwaltschaft glaubt: Wer es ständig auf Unfälle ankommen lässt, handelt nicht mehr fahrlässig, sondern mit Vorsatz. Mit seinem Youtube-Kanal hat Alperen T. auch Geld verdient. Er habe wohl mehr als 2000 Euro dafür bekommen, bestätigt einer seiner Verteidiger am Rande des Prozesses.

Der Angeklagte gibt sich reumütig

Juristisch ist die Mordanklage umstritten. „Völlig übertrieben“, findet Verteidiger Bernhard Docke. Zu dem tödlichen Unfall kam es nach Auffassung der Staatsanwaltschaft auch deshalb, weil der Angeklagte eine andere Straftat verdecken wollte: Nur wenige Minuten vorher soll er beim Überholen ein Auto touchiert und dabei ein Blinklicht demoliert haben. Doch Alperen T. fuhr einfach weiter – und konnte dem 75-Jährigen nicht mehr ausweichen. Bei dem Zusammenstoß wurde der Motorradfahrer selbst schwer verletzt. Im Gerichtssaal erscheint er mit einer Armschlinge. Seine Verteidiger berichten, er werde den rechten Arm wohl nie wieder richtig bewegen können.

„Alpi“, ein ehemaliger Maschinenbaustudent mit schulterlangen Haaren, wirkt im Landgericht sichtlich nervös. Bevor er seine Erklärung verliest, atmet er laut aus. Er bereue zutiefst, sagt er. Wie auch immer dieser Prozess ausgeht: Das Motorradfahren sei für ihn definitiv vorbei.