Hannover. Ein Gericht beschäftigt die Frage: Waren die Kinderfreibeträge 2014 zu niedrig? Millionen von Eltern könnten Rückzahlungen erhalten.

Das Finanzgericht Niedersachsen verhandelt am Freitag über zwei ebenso komplizierte wie spannende Fragen: Waren die Kinderfreibeträge der Bundesregierung im Jahr 2014 zu niedrig? Und sind sie überhaupt verfassungskonform? Die Vorsitzende des 7. Senats, Georgia Gascard, muss darüber entscheiden, ob sie die Klage einer verwitweten Mutter abweist oder dem Bundesverfassungsgericht vorlegt. Doch worum geht es genau? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

• Was ist der Kinderfreibetrag?

Mit dem Kinderfreibetrag soll den Eltern ein bestimmter Teil des Einkommens steuerfrei belassen werden, um das Existenzminimum ihrer Kinder abzusichern. Aktuell liegt dieser Kinderfreibetrag im Jahr bei 2304 Euro pro Elternteil. „Der Kinderfreibetrag wird im Rahmen der Einkommensteuererklärung berücksichtigt“, erklärt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. Fällt diese Steuerersparnis jedoch geringer aus als das erhaltene Kindergeld, wird der Kinderfreibetrag nicht berücksichtigt.

• Worum geht es in der Verhandlung?

In regelmäßigen Abständen legt die Bundesregierung die neuen steuerlichen Freibeträge für Erwachsene und Kinder im sogenannten Existenzminimumbericht fest. Für das Jahr 2014 sah dieser Bericht vor, dass der sächliche Kinderfreibetrag bei 4440 Euro pro Kind, also bei 2220 Euro pro Elternteil liegen sollte. „Diese Ankündigung hat der Gesetzgeber jedoch nicht umgesetzt“, heißt es beim niedersächsischen Finanzgericht.

„Die Kinderfreibeträge sind vielmehr erst ab dem Veranlagungszeitraum 2015 angehoben worden.“ Der Betrag blieb im Jahr 2014 bei 4368 Euro und damit unter den eigenen Vorgaben. Eine Mutter von zwei Kindern im Alter von 16 und 21 Jahren hat dagegen geklagt. Ihr seien im Jahr 2014 dadurch insgesamt 820 Euro an Steuervergünstigungen verloren gegangen.

• Worum geht es noch?

Es sieht sehr danach aus, dass die Vorsitzende bei der Verhandlung am Freitag noch grundsätzlichere Punkte prüfen wird. Das Gericht habe ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kinderfreibetrags, teilte ein Sprecher vor einigen Monaten mit.

• Wie begründet das Gericht diese Zweifel?

Unterhaltspflichtige Eltern, deren erwachsene Kinder in der Ausbildung sind, erhalten weniger Steuerentlastungen als Eltern, deren Kinder gar nichts machen. Im ersten Fall wird für die Einkommenssteuer bis zum 25. Lebensjahr der Schützlinge der niedrigere Kinderfreibetrag berücksichtigt, im zweiten Fall schon der höhere Grundfreibetrag für Erwachsene. Zudem sehen die Richter eine Schieflage bei der Berechnung des für den Kinderfreibetrag relevanten sogenannten sächlichen Existenzminimums.

• Wie könnte das Gericht entscheiden?

In der Klage geht es darum, ob die Bundesregierung gegen das Grundgesetz verstoßen hat. Ein Urteil kann das niedersächsische Finanzgericht nicht fällen. Es kann die Klage nur abweisen oder zur Beratung dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorlegen. „Viele Indizien sprechen dafür, dass das passieren wird“, sagt die Leiterin der Steuerrechtsabteilung beim Bund der Steuerzahler, Isabel Klocke. Hält das Bundesverfassungsgericht die Freibeträge dann für zu gering, könnten Millionen Eltern eine Erstattung erhalten.