Berlin. Deutsche Viertklässler liegen laut einer Studie in Mathe unterhalb des EU-Durchschnitts. Das Ergebnis ist sogar schlechter als 2011.

Viele deutsche Viertklässler haben besorgniserregende Probleme mit Mathematik und beherrschen gerade mal die Grundrechenarten. Sie sind in diesem wichtigen Fach laut Bildungsstudie TIMSS im internationalen Vergleich mit 522 Punkten (2011: 528) ins Mittelfeld abgerutscht und liegen unterhalb des EU-Durchschnitts (527).

In den Naturwissenschaften (Physik, Chemie und Biologie) blieben die TIMSS-Leistungen der 4000 getesteten Grundschüler aus Deutschland mit 528 Punkten auf dem Niveau der Vorgängerstudie von 2011 – und über dem EU-Wert von 525 Punkten.

Osteuropäische Staaten legten im Ranking zu

In beiden Fächern übertrafen die deutschen Zehnjährigen den weltweiten Mittelwert von gut 500 Punkten deutlich. Vor allem osteuropäische Staaten wie Ungarn oder Slowenien legten aber zu und zogen an Deutschland in den TIMSS-Rankings vorbei.

Die neue Studie sei „kein Grund, in Sack und Asche zu gehen“, sagte der Dortmunder Bildungsforscher und deutsche TIMSS-Leiter Professor Wilfried Bos am Dienstag bei der Präsentation in Berlin. „Wir müssen aber sehen, dass andere Länder es besser hingekriegt haben.“ Eine Aufschlüsselung nach Bundesländern – wie Ende Oktober im „Bildungstrend“ des Berliner Forschungsinstituts IQB – liefert „TIMSS 2015“ nicht.

Bei der dritten Teilnahme Deutschlands am Vergleichstest TIMSS („Trends in International Mathematics and Science Study“) erreichte fast jeder vierte Schüler (23,3 Prozent) in Mathematik nicht die dritte von fünf Kompetenzstufen. Das Ergebnis ist noch schlechter als 2011 (19,3 Prozent).

„Mathematisches Lernen in der Sekundarstufe I wird dieser Schülergruppe erhebliche Schwierigkeiten bereiten“, heißt es in der Studie. Kinder aus den niedrigen Kompetenzstufen 1 und 2 würden „schnell den Anschluss verlieren, wenn sie in die fünfte Klasse kommen“, sagte TIMSS-Forscher Bos. Auch in Naturwissenschaften blieb die Quote der „Risikoschüler“ mit 21,5 Prozent hoch.

Mehr Unterstützung für Schüler gefordert

Weiterhin nur jeder Zwanzigste (5,3 Prozent) schaffte es in Mathematik auf die höchste Kompetenzstufe. In Naturwissenschaften stieg die Quote der Spitzenschüler von 7,1 (2011) auf 7,6 Prozent an. Sie lag aber 2007 auch schon höher (9,6) und fällt etwa im Vergleich zu Ländern wie Schweden (11,1) oder Russland (20,0) stark ab.

Die TIMSS-Experten empfehlen der deutschen Bildungspolitik mehr Unterstützung für leistungsschwache und auch herausragende Schüler, mehr „Anregungspotenziale“ im Unterricht, eine bessere Lehrerbildung und die spezielle Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund.

„Die Studie zeigt, dass wir sowohl am unteren als auch am oberen Ende des Leistungsspektrums ansetzen müssen“, erklärte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Claudia Bogedan (SPD). Sie verwies auf das erst am Montag vorgestellte Bund-Länder-Programm mit 125 Millionen Euro zur Förderung leistungsstarker Schüler.

Test mit Grundschülern aus 50 Staaten und Regionen

Für „TIMSS 2015“ ließen sich weltweit mehr als 300.000 Grundschüler in gut 50 Staaten und Regionen testen. Die repräsentative deutsche Schüler-Stichprobe war 2015 vielfältiger als bei früheren Tests – es gab mehr Kinder mit Migrationshintergrund, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden. Damit lasse sich ein Stück weit die Stagnation erklären, hieß es von den TIMSS-Forschern. Insofern sei das aktuelle Ergebnis doch „erstmal eine Leistung“, sagte Bos.

Auch die KMK konstatiert „im Bereich des unteren Leistungsfeldes besondere Herausforderungen“. In Deutschland beträgt der Leistungsvorsprung von Schülern, deren Eltern hier geboren wurden, gegenüber Kindern, deren Eltern beide aus dem Ausland stammen, in Mathematik 31 Punkte – das entspricht fast dem Lernerfolg eines Schuljahres.

In den Naturwissenschaften sind es sogar 47 Punkte Differenz. Allerdings ging es bei Kindern mit einem oder zwei ausländischen Elternteilen seit „TIMSS 2007“ in beiden Fächern immerhin leicht oder sogar deutlich aufwärts – während Schüler mit deutschen Wurzeln jeweils schwächer wurden.

18 Prozent haben negative Einstellung zu Mathe

Was die für Deutschland oft kritisierte Koppelung von sozialem Hintergrund und Bildungserfolg betrifft, so ist diese der aktuellen Studie zufolge immer noch erheblich. In vergleichbaren EU-Ländern wie den Niederlanden, Spanien oder Italien sind sozial bedingte Nachteile etwa in den Mathe-Leistungen „signifikant geringer“. KMK-Chefin Bogedan räumte Unzufriedenheit der Länder mit diesem weiterhin bestehenden Zusammenhang ein.

Angesichts einiger bitterer Pillen in der neuen TIMSS-Studie ein Lichtblick: Am Ende des vierten Schuljahres haben zwei von drei Kindern (66,8 Prozent) in Deutschland eine positive Einstellung zum Fach Mathematik, nur etwa 18 Prozent eine negative. Die Zehnjährigen erhielten „methodisch abwechslungsreichen Mathematikunterricht“, hieß es – daran lag die Test-Flaute 2015 also nicht. (dpa)