Berlin. Altmodisch, ruhig und weitab von bonbonfarbenen Disneywelten: So erzählt die Augsburger Puppenkiste „Die Weihnachtsgeschichte“ im Kino.
Es begab sich aber im Jahre 2016, dass ein guter Geist gesandt war, einen Weihnachtsfilm ins Kino zu bringen, der anders ist als die anderen. Weder kommt er aus der effektgetriebenen Pixar-Schmiede, noch findet sich ein Palettendoktorfisch darin, den Anke Engelke PR-wirksam synchronisiert.
Stattdessen mutet man uns eine gute Stunde durch und durch analoges Marionettentheater zu. Setzen wir uns also ans glühbirnchenbestrahlte Lagerfeuer und lauschen. Die Augsburger Puppenkiste erzählt „Die Weihnachtsgeschichte“, vier Adventswochenenden in 200 ausgewählten deutschen Kinos.
„Kischdendeckel auf“
„Kischdendeckel auf“, ruft sie uns von der Leinwand zu, die dienstälteste Figur jenes Augsburger Erfolgsunternehmens, das einst den Fernsehadvent der Deutschen terminierte wie Tante Tillas buttriges Spritzgebäck. Das ist lange her. Und unvorstellbar, dass wir damals, in einer Welt, die „Stream“ womöglich für ein Putzmittel aus Amerika gehalten hätte, eine ganze Woche fiebernd zu warten imstande waren, bloß um die nächste Folge von kaum 30 Minuten zu sehen, wenn Lukas auf die Lokomotive stieg, das Urmel aus dem Ei schlüpfte oder ein Kater namens Mikesch zu sprechen anfing.
In diese Zeit reist zurück, wer diesen Film sieht. Diese Weihnachtsgeschichte, eine Fassung mit viel Lukas- und etwas Matthäus-Evangelium, mit dem Esel Noel als Erzähler, mit einem kräftig jiddisch verkündenden, bei Erdbesuchen in Galiläa alles anderes als himmlisch sanft landendem Engel Gabriel, wird dem einen das Herz aufgehen, dem anderen die Augen zufallen lassen.
Kino-Fest mit Augsburger Puppenkiste
Erzählen in Zeitlupe
Wer die erzählerische Zeitlupe freilich annimmt, die eine sich brav mit Totaler und Halbtotaler begnügende Kamera noch verlangsamt, kann ein liebevoll inszeniertes Kindertheater sehen, das in Klaus Marschalls Regie schon lange im Augsburger Stammhaus über die Bühne geht.
Mit den drei Königen, die zunächst dem Sternbild des Esels (!) folgen, mit Maria und ihrem Josef, den sie frei nach Kishon ihren „besten Zimmermann von allen“ nennt und der auch in der Kinderfassung die Knute der Römer in aller Härte zu spüren bekommt. Mit sachtem Witz für Erwachsene („Die Nase hat er von Gottvater!“) und einem musikalischen Bekenntnis, das aufs Geschwindel der verschneiten deutschen Alpenkrippe pfeift, in dem es beherzt die Klezmer-Klarinette der Juden bläst.
Es singt sogar das Dromedar
Es singt der Esel, es singen Beduinenfrau und weises Dromedar. Wer genau hinhört, lauscht gar Wagners „Treulich geführt“, wenn Maria und Josef heiraten. Und er hört die gegenwartskritischen Töne, die Ochs und Hirte auf den Lippen führen, wenn sie „verbrannte Erde an den Grenzen“ beklagen, und die Plage der Bürokratie, denn „der Herr braucht keine Liste“.
Gewiss, in seiner Betulichkeit tritt ab Sonntag, 27. November, wohl ein David mit dünnen Seilschaften an gegen jenen Goliath, den der Entertainment-Erlöser Disney zuverlässig zur gleichnamigen World bringt. Ist das dennoch ein Ereignis? Wenn, dann eines der sehr unspektakulären, sehr leisen, sehr unauffälligen Art. Aber war das nicht vor gut 2000 Jahren ganz ähnlich?
Fäden auf Erden – und altmodischen Zuschauern eventuell ein Wohlgefallen.