Berchtesgaden. In den Bayerischen Alpen sind wiederholt Gipfelkreuze zum Ziel von Vandalismus geworden. Nun hat die Polizei Ermittlungen aufgenommen.

Kaum hat der Deutsche Alpenverein ein neues Gipfelkreuz am Berg Schafreuter aufstellen lassen, liegt auch dieses schon am Boden: ein Fall von Vandalismus. Zuerst an mehreren Stellen angesägt, kurze Zeit später dann komplett zerstört. Das Bedrückendste: Bereits Ende August hatte ein Unbekannter das alte Gipfelkreuz am Berg im Vorkarwendel zwischen Bayern und Tirol mit Axt und Säge so stark beschädigt, dass es vollständig entfernt werden musste.

„Dreimal, das ist schon ein Schock. Wir sind völlig irritiert, was das soll“, empört sich Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. Das mehrere Hundert Kilo schwere Kreuz aus Eichenholz sei in mühevoller Arbeit hergestellt und auf den Gipfel transportiert worden. Zuerst mit einer Materialseilbahn, die letzten Meter dann von Händen getragen, ein ziemlich steiles Gelände hoch bis auf den Gipfel. „Wir finden, dass die Anstrengungen, die wir da reinstecken, mit Füßen getreten werden.“

Die drei Anschläge auf das Gipfelkreuz am Schafreuter sind Teil einer wahren Zerstörungsserie von Kreuzen in den Bayerischen Alpen. Das erste Holzkreuz wurde um Pfingsten herum abgehackt, an der Dudl-Alm im Längental nahe der Benediktenwand. Ende Juli schlug der Unbekannte am Prinzkopf zu, einem Gipfel neben dem Schafreuter. Schließlich folgten die beiden Kreuze am Schafreuter selbst, in 2102 Metern Höhe.

Spurenauswertung gestaltet sich schwierig

Wer hierhin gelangen möchte, benötigt mehrere Stunden für den Aufstieg. Es geht über steile Forstwege, kleine Wiesenpfade und einen Steig, dann hoch bis zum Gipfel. Wer nimmt solche Strapazen auf sich, ausgerüstet mit Axt und Säge, um in der Kälte der Berge ein Gipfelkreuz zu beschädigen?

„Wir haben eine Ermittlungsgruppe gegründet, die mehr Licht ins Dunkel bringen soll“, sagt Andreas Guske, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Vier Ermittler versuchten, durch Spurenauswertung den Tätern näher zu kommen. Das aber sei „kein leichtes Unterfangen“, sagt Guske. Auf den Gipfeln seien kaum Personen unterwegs, es gebe wenig Spuren. Trotzdem investiere die Polizei viel Arbeit in den Fall. „Das ist uns wichtig, weil es die Leute beunruhigt. Man weiß derzeit nicht, was genau der Täter will.“

Aufstellen von Gipfelkreuzen hat lange Tradition

Das Aufstellen von Gipfelkreuzen hat eine lange Tradition. Diese habe mit dem Alpinismus begonnen, erläutert Thomas Bucher. Viele Kreuze auf den Berggipfeln seien erst nach dem Zweiten Weltkrieg von Kriegsheimkehrern oder zum Andenken an Gefallene angebracht worden. Das erste dem Alpenverein bekannte Kreuz stand im Jahr 1799 in Österreich, auf dem 3798 Meter hohen Großglockner. „Der Ursprung der Gipfelkreuze ist ganz klar religiös“, sagt Bucher. „Heute aber ist es ein kulturell selbstverständliches Zeichen – egal, wie religiös ein jeder ist. Da fehlt einfach was, wenn es nicht da ist.“ Das sehe man an den Fotos der Bergsteiger: Jeder wolle ein Foto von sich vor einem Gipfelkreuz in seinem Fotoalbum, als Beweis dafür, dass er da war.

Doch das religiöse Zeichen auf den Gipfeln der Berge ist nicht jedermanns Geschmack, selbst unter hartgesottenen Bergliebhabern. Reinhold Messner könnte „persönlich auf weitere Gipfelkreuze verzichten“, verriet der prominente Bergsteiger in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“. Für ihn sei das Kreuz das christliche Symbol schlechthin, welches seiner Meinung nach nicht auf einen Gipfel gehöre. „Ich spreche nicht von Missbrauch, ich sage nur, man sollte die Berge nicht zu religiösen Zwecken möblieren“, sagte Messner. Die Berge selbst hätten etwas Erhabenes – da brauche es kein Zeichen für etwas Übernatürliches.

Motiv des Täters bleibt ein Rätsel

Noch immer ist unklar, ob es sich bei den Anschlägen um den gleichen Täter handelt. „Bei manchen Taten erkennen wir dieselben Zusammenhänge, gewisse Muster“, berichtet Andreas Guske. Über das Motiv aber rätseln die Beamten weiterhin. „Wir wissen nicht, ob es ein religiöses Motiv war, ob jemand den dortigen Alpenverein ärgern will.“ Beim Alpenverein in Bad Tölz lässt man sich vielleicht kurzzeitig ärgern. Einknicken und Aufgeben aber kommt für ihn nicht infrage. „Wir werden uns nicht kleinkriegen lassen“, sagt Paul Schenk, der Vorsitzende der DAV-Sektion Bad Tölz, kämpferisch. „Wir werden wieder ein Kreuz auf dem Schafreuter aufstellen.“

Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Gipfelkreuz auf dem Schafreuter thront – erhaben und majestätisch.