London/Berlin. Kurz vor der Brexit-Abstimmung im Juni wurde die britische Politikerin Jo Cox ermordet. Jetzt steht der mutmaßliche Täter vor Gericht.

Direkt nach der US-Wahl erreicht Brendan Cox eine große Geldspende. Sie kommt von einem Mann, der auf den Sieg von Donald Trump gewettet und gewonnen hat. Der Mann schreibt einen Satz dazu: „So kommt wenigstens etwas Gutes heraus bei dieser Wahl.“ Brendan Cox hat viele solcher rührenden Mitteilungen bekommen. Er ist der Witwer von Jo Cox, jener britischen Politikerin, die am 16. Juni ermordet wurde.

Sie war auf dem Weg zu einer ihrer regelmäßigen Sprechstunden für Bürger der Stadt Birstall, als der 52 Jahre alte Thomas Mair eine Handfeuerwaffe zog und mehrfach auf sie schoss. Danach stach er mit einem Messer auf sie ein. Während der Tat rief er „Britain First!“ – „Großbritannien zuerst!“ Einem älteren Passanten, der Cox zu Hilfe eilte, stach Thomas Mair mit dem Messer in den Bauch. Die Polizei konnte ihn wenig später festnehmen. Als er vom Haftrichter nach seinem Namen gefragt wurde, sagte er: „Mein Name ist ‚Tod den Verrätern, Freiheit für Großbritannien‘.“

Am Montag hat jetzt am „Old Bailey“, dem Zentralen Strafgerichtshof in London, der Prozess gegen Thomas Mair begonnen. Seine Gewalttat ist eng verbunden mit dem Referendum der Briten dafür, die Europäische Union zu verlassen. Die Labour-Politikerin Helen Joanne Cox, von allen nur „Jo“ genannt, hatte sich in ihrem Wahlkreis immer für einen Verbleib in der Union eingesetzt. Eine Woche vor dem Abstimmungstag, nur sechs Tage vor ihrem 42. Geburtstag, wurde Jo Cox getötet. Es war ein politischer Mord – der erste seit den Unruhen der 80er-Jahre in Irland. Er erschütterte das Land – und eine junge Familie. Cox hinterlässt ihren Mann und zwei Kinder, den fünfjährigen Cuillin und die dreijährige Leijla.

Nachbarn kannten ihn als ruhigen, hilfsbereiten Mann

Nach dem Mord an der Brexit-Gegnerin wurde der Wahlkampf für zwei Tage ausgesetzt. Das Entsetzen darüber, dass Politiker um ihr Leben fürchten mussten, war groß. Brendan Cox ist überzeugt, dass seine Frau Opfer eines vergifteten gesellschaftlichen Klimas geworden ist. Er sieht in Großbritannien „eine tiefer gehende Krankheit in unserer Politik: die steigende Tendenz, die Schuld für unsere Probleme anderen in die Schuhe zu schieben, seien es Zuwanderer, Muslime oder Europa“.

Wer ist der Mann, der Cox getötet hat? Nachbarn erzählen von ihm als einem ruhigen Menschen. Ein arbeitsloser Gärtner, der bis zu deren Tod seine Großmutter pflegte. Die Nachbarin ­Kathleen Cooke erinnert sich: „Wir nannten ihn ‚Tommy‘“, sagt sie, „und er hat mir oft geholfen, meine Hecke zu schneiden.“ Am Tag der Tat habe er sie auf der Straße nett gegrüßt. Die vorläufige Anklageschrift enthüllt, dass der nette Nachbar politische Motive für die Tat hatte. Der Slogan „Britain First“ war einer des Brexit-Lagers. Die Polizei fand in Mairs Haus Zeitungsartikel über Jo Cox und ideologisches Material von rechtsextremen Gruppen. In Verhören nannte er sich einen „Aktivisten“.

Der Witwer hat einen Fonds ins Leben gerufen in Erinnerung an seine Frau. Der „Jo Cox’s Fund“ soll Projekte finanzieren, die dabei helfen, „die gerechtere, freundlichere und tolerantere Welt zu schaffen, für die Jo gekämpft hat“. Er hat fast zwei Millionen Pfund eingesammelt, sein Engagement brachte ihm eine Einladung ins Weiße Haus ein, wo er und seine Kinder von US-Präsident Barack Obama empfangen wurden. Was hätte Jo Cox zur Wahl Donald Trumps gesagt? Brendan Cox: „Trauert nicht, organisiert euch und stärkt das, was wir gemeinsam haben.“