London. Briten finden offenbar das deutsche UB-85 aus dem Ersten Weltkrieg. Die Entdeckung erinnert an altes Seemannsgarn von Meeresungeheuern.

Sensationsfund vor der Küste von Galloway: In der Irischen See zwischen Schottland und Nord­irland ist das Wrack eines deutschen U-Boots aus dem Ersten Weltkrieg geortet worden, wie das Elektrizitätsunternehmen Scottish Power am Mittwoch meldete. Während der Vorbereitungsarbeiten für die Installation eines Unterseekabels zwischen Schottland und England hatten Ingenieure das gut erhaltene Wrack entdeckt. Auf Unterwasser-Sonaraufnahmen ist in 104 Metern Tiefe ein größtenteils intaktes U-Boot der UB-III-Klasse der Kaiserlichen Kriegsmarine zu erkennen. Experten gehen davon aus, dass es sich um das UB-85 handeln könnte, die 1918 von einem britischen Patrouillenboot versenkt wurde. „In all den Jahren, in denen ich Starkstromleitungen verlegt habe“, sagte Peter Roper von Scottish Power, „ist das sicherlich die aufregendste aller Entdeckungen.“ Der Grund für seine Aufregung: Bei der UB-85 handelt es sich um ein U-Boot, um das sich eine abenteuerliche Legende rankt. Es soll von einem Seeungeheuer angegriffen worden sein.

Seeungeheuer soll das Schiff angegriffen haben

Tatsächlich sind die Umstände merkwürdig, in denen die UB-85 von den Briten aufgegriffen wurde. Das Unterseeboot dümpelte tagsüber auf offener See, als sich die HMS Coreopsis am 30. April 1918 näherte. Es machte keine Anstalten abzutauchen, und die Mannschaft, 34 Mann, ergab sich ohne Kampf und wurde gefangen genommen. An Bord der HMS Coreopsis verbracht, wurde Kapitänsleutnant Günther Krech sofort verhört und gefragt, warum er nicht abzutauchen und zu fliehen versucht habe. Seine Antwort: Ein Seeungeheuer habe das Schiff angegriffen und dabei derart beschädigt, dass ein Tauchgang nicht mehr möglich gewesen wäre. Seine Männer hätten mit ihren Handfeuerwaffen auf die Kreatur geschossen. Das Boot habe eine starke Schlagseite steuerbords erlitten, aber nach weiterem Beschuss habe das Monster das Deckgeschütz losgelassen und sei geflüchtet. Krech habe sogar das Aussehen der Kreatur geschildert: „große Augen in einer Art verhorntem Schädel, einen kleinen Kopf, aber mit Zähnen, die im Mondschein glänzten“. Ganz wie eine riesige Seeschlange also.

Die Erzählung gehört zur Marinefolklore

Ist das nun Seemannsgarn? Die Erzählung gehört schon seit Langem zur Marinefolklore. Kein Wunder, dass die Entdeckung des Wracks einigen Wirbel ausgelöst hat. Die meisten britischen Medien berichteten atemlos über die Geschichte. „Es ist ganz und gar möglich, dass eine große Meereskreatur ein Unterseeboot außer Gefecht setzt“, meinte Gary Campbell vom „Official Sightings Register of the Loch Ness Monster“. „Die Gegend, wo der Angriff stattgefunden hat, kennt viele Sichtungen von Seeungeheuern. Es ist schön zu wissen, dass ein Salzwasser-Cousin des Monsters von Loch Ness sich bei den Kriegsanstrengungen beteiligt hat – und das, ohne dass jemand getötet wurde.“

Dr. Innes McCartney ist da skeptischer. Der Historiker und Marinearchäologe an der Universität von Bournemouth hält die Geschichte für einen Mythos, der „von leichtgläubigen Journalisten am Leben gehalten wurde“, die sich mit Seebären unterhalten haben, die zu viel getrunken hätten. „Ich glaube nicht, dass es ein Seemonster war. Ich mag die Idee, dass Nessie im Krieg auf unserer Seite war, aber in Wirklichkeit war das wahre Seeungeheuer das Unterseeboot.“