Berlin. In den meisten der in Europa verkauften Klamotten stecken Giftstoffe. Das hat erhebliche Folgen für die Gesundheit und die Umwelt.

Die Deutschen sind Weltmeister – dieses Mal im Kauf von Outdoor-Kleidung. Das sagte Maria Krautzberger, Leiterin des Umweltbundesamtes (UBA), bei der Vorstellung des Jahresberichts ihrer Behörde am Donnerstag in Berlin. Ein Grund zum Feiern ist das, wenn es nach Krautzberger geht, allerdings nicht. Stattdessen hinterfragte sie den Trend: „Ist es notwendig, mit einer Jacke, mit der man auch den Mount Everest besteigen könnte, zum Bäcker zu gehen?“

Die Herstellung von Textilien und die Auswirkungen, die diese auf Mensch und Umwelt haben, waren ein zentraler Punkt im diesjährigen Arbeitsbericht des Amtes. Die Bilanz fiel ernüchternd aus: Mit EU-Richtlinien allein lässt sich wenig ändern, globale Standards sind in weiter Ferne, und auch von den Konsumenten geht kein großer Druck auf die Hersteller aus, nachhaltiger zu arbeiten.

Outdoor-Kleidung und ihre Nachteile

Die Outdoor-Ausstattung, die Krautzberger für den Gang zum Bäcker unnötig findet, ist für den Einsatz in den Bergen und anderen klimatisch extremen Gebieten gemacht. Trotzdem ist Funktions- und Sportkleidung auch im Alltag sehr beliebt. Oft hat sie bessere Eigenschaften als andere Textilien, ist schmutz-, wasser- und fettabweisend.

Erreicht werden diese Vorteile aber in den meisten Fällen mit giftigen Chemikalien: Häufig werden per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) bei der Produktion von Wanderkleidung und Ähnlichem eingesetzt. Beim Tragen und Waschen kommen die Stoffe, die krebserregend sein können und auch der Fruchtbarkeit schaden, dann in Luft und Wasser.

PFC in Blut und Gewässern

Dort reichern sie sich dann zum Beispiel im Fettgewebe von Fischen an. So wurden PFC weltweit in Gewässern nachgewiesen. „Und dann kann das als Lachs im Sushi bei uns auf dem Tisch landen“, sagte Krautzberger. Auch in Blut und Muttermilch seien diese Stoffe schon nachgewiesen worden – und in Lebern von Eisbären.

Doch auch Kleidung, die nicht speziell für extreme Bedingungen gefertigt wurde, ist mit Chemikalien belastet. Auf ein Kilo verarbeiteter Stoffe kommt laut Bundesamt bis zu ein Kilo Chemikalien.

„Fast Fashion“ verstärkt Effekt

Das Umweltbundesamt nimmt indirekt auch die Verbraucher in die Verantwortung: Es bestehe ein deutlicher Zusammenhang zwischen Textilien und der Freisetzung von Chemikalien in die Umwelt. Zwölf Kilo Kleidung kaufen die Deutschen im Schnitt pro Jahr. „Fast Fashion“ – also Kleidung, die schnell produziert, billig verkauft und dann schnell wieder aussortiert wird – verstärke den Effekt.

Wo Hersteller früher zwei Kollektionen pro Jahr in die Geschäfte brachten, sind es heute bis zu zwölf. Entsprechend höher ist die Belastung durch Chemikalien für Umwelt und Menschen.

Kooperation soll Schadstoffmenge verringern

„Mit hohen EU-Standards sind die Probleme nicht zu lösen“, sagte Krautzberger. Denn rund 90 Prozent dessen, was in Deutschland verkauft wird, wird außerhalb der Europäischen Union produziert, mehr als die Hälfte kommt aus China, der Türkei und Bangladesch. Das UBA bemüht sich daher um Kooperationen vor Ort. Zum Beispiel in Indien, wo es seit 2012 ein Abkommen mit der Umweltbehörde im Bundesstaat Gujarat gibt. Das UBA will dort helfen, durch den Einsatz besserer Technologien die Menge an Schadstoffen zu verringern, die in Luft und Wasser landen.

Die Behörde unterstützt auch das von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ins Leben gerufene Textilbündnis aus Vertretern der Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Standardorganisationen und Gewerkschaften, das die Bedingungen entlang der Produktionskette verbessern will. Langfristig hat Krautzberger aber verbindlichere Ziele: „Wir brauchen ein internationales Abkommen zu Standards in der Textilherstellung.“

Investitionen in Elektromobilität

Den zweiten Schwerpunkt ihres Berichts legte die Amtsleiterin auf das Thema Mobilität. Hier sieht Krautzberger vor allem den Staat in der Pflicht, Subventionen für umweltschädliche Technologien abzuschaffen. So fördere Deutschland jedes Jahr mit 50 Milliarden Euro „Maßnahmen, die der Umwelt zum Teil in erheblichem Maße“ schaden.

Das sind vor allem Subventionen im Verkehrssektor: Für Dieselfahrzeuge, die um ein Vielfaches mehr Schadstoffe in die Luft abgeben als Benziner, werden aktuell 18,4 Cent pro Liter weniger an Steuern fällig.

Steuerleichterungen für Diesel im Visier

„Selbst der sauberste und modernste Diesel wird immer noch sechsmal mehr Stickoxide ausstoßen als ein heutiger Benziner“, so Krautzberger. „Das behindert Investitionen in saubere Technik.“ Das UBA fordert eine Abschaffung aller umweltschädlichen Förderungen bis 2025. Das so frei werdende Geld könne genutzt werden, um in den Klimaschutz zu investieren und um die Mobilität fit für die Zukunft zu machen.

Würden zum Beispiel die Steuererleichterungen für Diesel abgeschafft, hätte der Bund, selbst bei einer Angleichung der für Diesel höheren Kfz-Steuer, 1,5 Milliarden Euro mehr pro Jahr. Das Geld könnte in nachhaltigere Formen der Fortbewegung wie Elektromobilität investiert werden.

Kaum Chancen auf Umverteilung

Dass die vorgeschlagene Umverteilung kommt, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich: Viele Maßnahmen, die fossile Brennstoffe fördern, wie zum Beispiel die Entfernungspauschale, kommen Verbrauchern zugute, auch denen mit geringem Einkommen. Der Versuch, sie abzuschaffen, dürfte auf großen Widerstand treffen.