So könnte Böhnhardts DNA zu Peggys Leiche gekommen sein
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Von Aaron Clamann
Berlin. Der Fund von Uwe Böhnhardts DNA-Spuren am Fundort der ermordeten Peggy wirft Fragen auf. Die Ermittler gehen nun drei Theorien nach.
Sowohl der Kriminalfall um die 2001 verschwundene neunjährige Peggy K. wie auch die Ermittlungen zur NSU-Mordserie geraten durch die Zuordnung einer DNA-Spur in ein neues Licht. Spuren auf einem Stoffteil, das unweit der im Februar 2016 entdeckten Leiche Peggys in einem Waldstück im Saale-Orla-Kreis gefunden wurde, stammen vom mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt.
Die bisherigen Erkenntnisse in beiden Fällen lassen im Wesentlichen drei Erklärungen zu, wie die DNA-Spur Böhnhardts ihren Weg in die Nähe von Peggys Leiche fand. Wir klären die wichtigsten Fragen zu den Ermittlungen und sagen, wie es nun weitergehen könnte.
• Theorie 1: Uwe Böhnhardt hat Peggy getötet
Der offensichtlichste Schluss aus den neuen Ermittlungsergebnissen wäre, dass der mutmaßliche Rechtsterrorist Uwe Böhnhardt auch am Fundort der Leiche war. Dieser liegt in einem verlassenen Waldstück, in das man kaum zufällig gelangt. Doch es ist denkbar, dass das NSU-Trio dieses Waldstück während der Mord-Serie gestreift hat. Der Saale-Orla-Kreis liegt unweit der Strecke Zwickau-Nürnberg – die Strecke, die der NSU wohl von seiner Wohnung in Zwickau zu seinen Morden in Nürnberg gefahren ist.
So fand die Polizei die Leiche von Peggy
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Ein weiteres Indiz, das diese Theorie stützt: Ermittlungsergebnisse, die das NSU-Trio mit Kinderpornografie in Verbindung bringen. Der „Stern“ hatte schon im Dezember 2015 berichtet, dass im Wohnmobil, in dem sich Uwe Böhnhardt und sein Komplize Uwe Mundlos umbrachten, eine Kindersandale, ein Teddybär und eine Wasserpistole gelegen hatten. Im Rahmen der Ermittlungen zu den Morden der NSU-Terrorzelle spielten diese Gegenstände bisher kaum eine Rolle.
War Peggy im Wohnmobil des NSU-Trios?
Vor dem Hintergrund der nun ermittelten DNA-Spuren ergeben sich aber neue Fragen: Stammen diese Gegenstände von Peggy oder von anderen Kindern? Laut „Stern“ gehört die DNA auf der Sandale zu einer weiblichen Person. Eine Mitarbeiterin einer Wohnmobil-Vermietung, bei der das mutmaßliche Terror-Trio ihr Fahrzeug angemietet hatte, sagte aus, bei Uwe Böhnhardt ein Mädchen gesehen zu haben. Die Identität dieses Mädchens wurde bisher nicht geklärt.
Auf einem Computer, den hauptsächlich Beate Zschäpe nutzte, wurden Kinderpornos gefunden. Der Rechner lag in der Wohnung in Zwickau, die die mutmaßlichen Terroristen als Unterschlupf nutzten. Die Ermittlungen in diesem Fall wurden jedoch eingestellt, weil die zu erwartende Strafe für Zschäpe im Terror-Prozess in München höher eingeschätzt wurde als die in einem möglichen Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornografie. Dies berichtet die „Zeit“.
Aber auch bereits Ende der 90er-Jahre sei gegen das Trio ermittelt worden. Dieses Verfahren sei 1998 ebenfalls eingestellt worden. Der Grund damals: Das NSU-Trio befand sich seit 1997 im Untergrund.
Uwe Böhnhardt wurde laut „Bild“ schon einmal in Verbindung mit einer Kindstötung gebracht. Es geht um den Mord am neun Jahre alten Bernd B. im Jahr 1993. Als Hauptverdächtiger galt stets der Neonazi Enrico T., jedoch wurde der Fall nie ganz aufgeklärt. Ein pikantes Detail gibt es jedoch: T. ist ein Jugendfreund von Uwe Böhnhardt, er wird auch verdächtigt, an der Beschaffung einer Mordwaffe des NSU beteiligt gewesen zu sein. Bei der Leiche von Bernd B. wurde im Jahr 1993 der Außenbordmotor eines Bootes von Enrico T. gefunden. T. behauptete stets, dass die einzige Person, die außer ihm von dem Boot wusste, Uwe Böhnhardt war.
• Theorie 2: Eine Ermittlungspanne
Die DNA-Spur wurde nach dpa-Informationen zwar beim Landeskriminalamt in München untersucht und nicht wie die Skelettteile Peggys in der Rechtsmedizin in Jena. Der Bayreuther Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel betonte aber am Freitag: „Es gibt mehrere Möglichkeiten der Verunreinigung.“ Details nannte er nicht. „Wir wollen den Weg der Spur genau und sicher überprüfen.“
Die Rechtsmedizin der Uni Jena schließt eine zufällige Übertragung von DNA des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt auf die sterblichen Überreste des Mädchens Peggy am eigenen Institut aus. Auch beim BKA glaubt man nicht an Verunreinigungen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei eine DNA-Spur von Böhnhardt gesichert worden, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, am Freitag in Wiesbaden.
Eine mögliche Verunreinigung durch DNA-Spuren wäre aber nicht der erste Fall dieser Art im Rahmen der NSU-Ermittlungen. So wurden die Ermittler nach den tödlichen Schüssen auf die Polizisten Michelle Kiesewetter in Heilbronn im Jahr 2007 auf die Spur des „Phantoms von Heilbronn“ geführt. DNA-Spuren des vermeintlichen Täters wurden nämlich auch an weiteren Tatorten gefunden.
Die Erklärung folgte später: Sie stammten von einer Mitarbeiterin eines Wattestäbchenproduzenten. Die Stäbchen wurden bei der Spurensicherung an unterschiedlichen Tatorten verwendet.
• Theorie 3: Durch Zufall landete Böhnhardts DNA bei der Leiche von Peggy
Es ist auch denkbar, dass die DNA-Spuren von Uwe Böhnhardt mehr oder weniger zufällig an den Fundort von Peggys Leiche gelangten. Dafür spricht unter anderem, dass Böhnhardt und das gesamte NSU-Trio während der Zeit im Untergrund mehrfach ihre Fahrzeuge wechselten. Sowohl in den Wohnmobilen wie auch in Autos habe eine Decke, von der die nun ermittelten Stoffreste stammen, gelegen. Beim Tausch hätte sie zurückgelassen worden sein können.
Es könnte auch sein, dass Uwe Böhnhardt den Täter kannte, aber mit dem Verschwinden von Peggy nichts zu tun hatte. Durch den Kontakt mit dem Mörder von Peggy könnten Böhnhardts DNA-Spuren übertragen worden sein.
• Wie geht es nun weiter?
Die Staatsanwaltschaft Bayreuth, die am Donnerstag über die DNA-Spur informiert hatte, prüft nun, wie die Spuren an den Leichenfundort gelangten. Die Ermittlungen stünden ganz am Anfang, heißt es.
Am Freitag tagt erneut der NSU-Untersuchungsausschuss im Baden-Württembergischen Landtag. Da der Ausschuss bereits in der Vergangenheit auf die Hinweise zu Kinderpornografie im NSU-Umfeld eingegangen war, ist es wahrscheinlich, dass auch die neuesten Ermittlungsergebnisse dort Thema sein werden. Um dementsprechend Zeugen zu laden, dürfte die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Bayreuth am Donnerstagabend zu spät gekommen sein.