Stockholm. Juan Manuel Santos kämpft seit Jahren für das Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien. Nun hat der Staatspräsident den Nobelpreis erhalten.
Der Friedensnobelpreis 2016 geht an den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos für die von ihm initiierten Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und den Farc-Rebellen.
Santos erhalte den Preis „für seine entschlossenen Anstrengungen, den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg in dem Land zu beenden“, sagte die Komitee-Vorsitzende Kaci Kullmann Five. Ebenso werde mit dem Preis die kolumbianische Bevölkerung geehrt, dafür, dass sie die Hoffnung auf Frieden nicht aufgegeben habe.
Santos „überwältigt“ von Auszeichnung
Der Jury zufolge sei Santos von der Ernennung „überwältigt“ gewesen. „Es ist früh am Morgen, deshalb hatte er sich gerade erst den Schlaf aus den Augen gerieben“, sagte der Sekretär des Nobelkomitees, Olav Njølstad dem Fernsehsender NRK, nachdem er den Preisträger erreicht hatte. „Er war sehr dankbar und sagte sofort, dass das unschätzbar wichtig für den weiteren Friedensprozess in Kolumbien sei.“
Nobelpreis soll Santos in Verhandlungen bestärken
Fast vier Jahre lang haben Regierung und die Farc-Rebellen ein Friedensabkommen ausgehandelt, das am 26. September unterzeichnet wurde. In einem Referendum lehnte jedoch die Bevölkerung den Vertrag mit knapper Mehrheit ab. In der Begründung für die Verleihung hieß es: „Die Tatsache, dass eine Mehrheit der Wähler „Nein“ zu dem Friedensabkommen gesagt hat, heißt nicht zwingend, dass der Friedensprozess gestorben ist“. Das Referendum sei keine Abstimmung „für oder gegen Frieden“ gewesen.
Santos habe klargestellt, „dass er bis zu seinem letzten Tag im Amt weiter auf Frieden hin arbeiten will“, sagte die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees. „Das Komitee hofft, dass der Friedenspreis ihm Kraft geben wird, diese herausfordernde Aufgabe zu meistern.“
Farc-Chef gratuliert Santos
Sowohl Präsident Santos als auch Farc-Chef Rodrigo Londoño halten am Waffenstillstand fest. Derzeit laufen Verhandlungen mit Gegnern des Vertrags, um etwaige Nachbesserungen zu vereinbaren. Der Krieg zwischen dem kolumbianischen Staat und der Farc begann vor 52 Jahren und ist der älteste und längste in Lateinamerika.
Die linke Guerillaorganisation Farc setzt auf Rückenwind für den stockenden Friedensprozess in Kolumbien durch die Auszeichnung für Präsident Santos. „Ich gratuliere Präsident Juan Manuel Santos, den Garantiemächten Kuba und Norwegen und den Partnern Venezuela und Chile, ohne die der Frieden nicht möglich wäre“, teilte Farc-Kommandeur Rodrigo „Timochenko“ Londoño am Freitag auf Twitter mit.
Auch aus dem politischen Gegenlager erhält Santos Glückwünsche. Ex-Staatschef Álvaro Uribe, der die Gegner des Friedensabkommens anführt, gratulierte per Twitter. „Ich beglückwünsche Präsident Santos zum Friedensnobelpreis“, schrieb er am Freitag. „Ich hoffe, dass er dazu führt, dass der für die Demokratie schädliche Vertrag geändert wird.“ Uribe hatte das Abkommen mit der Farc kritisiert, vor allem die Strafnachlässe für die Rebellen und deren künftige politische Beteiligung.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Santos zu der Auszeichnung. Santos habe nicht nur seinem Land, sondern der ganzen Region „dringend benötigte neue Hoffnung verliehen auf ein Ende des Blutvergießens“, ließ Merkel über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten. Merkel kenne Santos als einen Mann, „der für sein Land eine Vision hat – und die heißt Frieden und Versöhnung“.
Mehrere erfolglose Friedensabkommen
In dem 50-jährigen Konflikt in Kolumbien hatte es mehrere erfolglose Anläufe für einen dauerhaften Frieden gegeben. In den 1980er Jahren wurden nach einem Friedensabkommen mit einer Guerilla Tausende Politiker, unter ihnen viele Ex-Rebellen, und mehrere Präsidentschaftskandidaten linker Parteien von paramilitärischen Gruppen ermordet.
Ursache des Konflikts, bei dem mehr als 300.000 Menschen getötet und etwa sieben Millionen vertrieben wurden, ist soziale Ungleichheit und eine ungerechte Landverteilung. Seit den 1960er Jahren bekämpfen sich der Staat und mehrere Guerillagruppen. Später kamen paramilitärische Todesschwadronen, Drogenbanden und weitere kriminelle Vereinigungen als Kriegsparteien hinzu. Die Paramilitärs gaben zwischen 2003 und 2006 ihre Waffen ab, haben sich aber erneut in zahlreichen Gruppierungen organisiert. Mit der zweitgrößten Guerilla ELN führt die Regierung Sondierungsgespräche.
Der Friedensnobelpreis gilt als wichtigste Auszeichnung für Verdienste um Abrüstung, Friedenssicherung und Menschenrechte.
Noch nie gab es so viele Nominierungen
376 Nominierungen für den Friedensnobelpreis gab es dieses Jahr – so viele wie noch nie. Dabei gibt es keine öffentlichen Nominierungen, Spekulationen dagegen umso mehr.
Nominiert wird, wer von als geeignet betrachteten Personen vorgeschlagen wird, dazu zählen etwa Universitätsprofessoren und Politiker. Der Friedensnobelpreis wird von einem Komitee aus fünf Personen vergeben, die vom norwegischen Parlament ausgewählt werden. Er ist mit acht Millionen schwedischen Kronen (rund 832.000 Euro) dotiert.
Der Friedensnobelpreis wird traditionell am 10. Dezember in Oslo verliehen, dem Todestag seines Stifters Alfred Nobel. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an das „Quartett für den nationalen Dialog“ in Tunesien, das sich um die Demokratisierung des Landes verdient gemacht hat. Auch die Europäische Union und US-Präsident Barack Obama hatten den prestigeträchtigen Preis bereits erhalten. (dpa/aba)