London. Zwei Kinder hat eine Familie betrauert, gestorben wegen einer Erbkrankheit. Ihr drittes Kind hat nun offenbar Gene von drei Menschen.

Abrahim ist fünf Monate alt und hat gute Chancen auf ein langes Leben – und das ist eine Medizinrevolution, wenn sich ein Bericht des renommierten Magazins „New Scientist“ bestätigt. Abrahim verdankt sein Leben offenbar einer Technik, die bisher nur in Großbritannien zugelassen ist. Um einen Gendefekt auszuschließen, wird ein Teil des Genmaterials der Mutter durch Genmaterial einer anderen Frau ersetzt. Das Kind hat biologisch drei Eltern.

Die aus Jordanien stammende Mutter ist dem Bericht zufolge Trägerin des Leigh-Syndroms, ist selbst aber nicht daran erkrankt. Leigh-Syndrom, das bedeutet einen Gendefekt in den Mitochondrien, die auch als „Kraftwerk der Zelle“ gelten. Der größte Teil des Erbguts steckt zwar in den Chromosomen im Zellkern, aber auch in Mitochondrien sind 37 Gene enthalten, und die werden nur von der Mutter vererbt. Zwei Kinder brachte Ibtisam Shaban Hassan zur Welt, beide starben früh an der Krankheit, für die es keine Heilung gibt.

Kern in der Eizelle ausgetauscht

Doch sie und ihr Mann Mahmoud wollten nicht aufgeben. Sie ließen sich von Ärzten eine Eizelle zusammensetzen: Wie der „New Scientist“ berichtet, entfernten Mediziner des New Hope Fertility Centers New York aus einer Spender-Eizelle den Kern – und setzten den Kern aus einer Eizelle der Mutter ein.

Das „Puzzle-Ei“ wurde dann mit Samen von Vater befruchtet. In Großbritannien ist auch eine Methode zugelassen, bei der beide Eizellen vor dem Transfer des Kerns befruchtet werden, doch das kam für die Eltern dem Bericht zufolge aus religiösen Gründen nicht in Frage.

Kaum Zellteile mit Gendefekt gefunden

Der Embryo aus dem Reagenzglas wurde in die Gebärmutter der Mutter eingebracht und wuchs heran: Nach neun Monaten kam ein Junge zur Welt. Inzwischen ist Abrahim Hassan fünf Monate alt, und die Mediziner sind an die Öffentlichkeit gegangen. Im Fachmagazin „Fertility und Sterility“ publizieren sie ihre Ergebnisse.

Bei Untersuchungen auf das Leigh-Syndrom sei in weniger als einem Prozent seiner Mitochondrien der Defekt festgestellt worden, bedenklich werde es ab 18 Prozent. Im „New Scientist“ äußert sich ein nicht beteiligter Spezialist für Reproduktionsmedizin des renommierten King’s College euphorisch: Großartige Neuigkeiten und ein großes Ding“, kommentierte demnach Dusko Illic. „Das ist revolutionär.“

Deutscher Forscher beim Ethikrat mit Bedenken

Allerdings gibt es Forscher, die in der Vergangenheit bei der Methode Bedenken angemeldet haben. Dabei geht es weniger darum, ob der Mensch Gott spielt. Der Tübinger Evolutionsbiologe Klaus Reinhardt trug bei der Jahrestagung 2014 des Deutschen Ethikrats vor, bei erfolgreichen Versuchen mit Tieren gebe es noch keine Ergebnisse aus Langzeitstudien. Es sei denkbar, dass sich der Defekt aus dem Zusammenspiel mit den Genen im Zellkern einstellen könne.