Oberhausen. Per WhatsApp droht eine Stimme Kindern mit Mord. Sie sollen die Sprachnachricht an 20 Personen weiterleiten. Die Polizei klärt auf.

Eine Sprachnachricht, die über den Messenger WhatsApp versendet wird, versetzt derzeit einige Kinder und ihre Eltern in Schrecken. „Hi ich bin Nico und bin neun Jahre alt und habe keine Hände mehr und mein Gesicht ist voller Narben und Blut“, spricht eine weibliche Computerstimme. Die Stimme fordert den Empfänger dazu auf, die Mitteilung an 20 Personen weiterzuleiten. Sollte dies nicht geschehen, drohen angeblich schlimme Folgen.

Mutter findet die Nachricht gruselig

Sandra Berg ist Mutter von drei Kindern und erfuhr von ihrem Sohn Joel von der Nachricht. Der Junge ist zehn Jahre alt und besucht die fünfte Klasse der Theodor-Heuss-Realschule Oberhausen. „Eines Tages kam er von der Schule nach Hause und sagte, er müsse mir was zeigen“, erzählt Berg. Sie habe die Sprachnachricht mit ihrem Sohn nur für ein paar Sekunden abgespielt. Erst als sie allein war, hörte sie sie vollständig an.

„Ich fand das wirklich gruselig“, so Berg. Ihre Tochter sei dazu gekommen und habe erzählt, es habe so eine Nachricht vor zwei Jahren schon einmal gegeben und sie sollten sie einfach löschen. Ihr Sohn habe die Nachricht allerdings per WhatsApp weiter geschickt, weil er sich fürchtete.

Polizei Oberhausen prüft, ob eine Straftat vorliegt

Der Polizei Oberhausen liegt eine Anzeige von der Mutter eines Kindes vor, das die Nachricht ebenfalls erhalten hat. „Zurzeit prüfen wir den strafrechtlichen Tatbestand“, so Ina Jessel, Pressesprecherin der Polizei Oberhausen. Eine Ermittlung des Senders der Nachricht gestalte sich schwierig, da die Nachricht durch Freunde verschickt wird.

Das LKA Niedersachsen habe schon vor zwei Jahren über einen ähnlichen Fall informiert. Man gehe davon aus, dass es sich um die gleiche Nachricht handelt, so Jessel. Die Pressesprecherin des LKA Niedersachsen, Stephanie Weiß, sagt, dass der Ursprung der Nachricht im Jahr 2013 nicht ermittelt werden konnte. Auch in Niedersachsen liegen derzeit Hinweise zu einer Drohung in einer WhatsApp-Sprachnachricht vor. Ob es sich um die gleiche Nachricht wie 2013 handelt, werde derzeit geprüft, so die Sprecherin. Auf der Internetseite des LKA Niedersachsen wird vor der Verbreitung von Kettenbriefen gewarnt. Dort gibt es außerdem die Nachricht aus 2013 als Audio-Datei zum Download.

Themen, die Kindern Angst machen

Der Inhalt deckt sich mit dem, was Sandra Berg erzählt. Die Stimme droht damit, den Empfänger umzubringen, wenn er die Nachricht nicht weiterleitet: „Wenn du es nicht weiterschickst, wirst du morgen nicht mehr leben“. Außerdem wird damit gedroht, die Mutter des Empfängers in fünf Jahren zu töten, sollte die Nachricht nicht innerhalb von 20 Minuten an 20 Leute gesendet werden. „Für ein Kind ist das echt heftig. Das sind ja lauter Themen, die Kindern Angst machen“ sagt Berg.

Kettenbriefe erfahren eine Renaissance

Kettenbriefe seien schon vor ein paar Jahren bei vielen Kindern und Jugendlichen auf den Handys aufgetaucht, sagt Kriminalhauptkommissarin Susanne Bald vom Kommissariat Vorbeugung der Polizei Siegen. Sie besucht Schulen und informiert Eltern, Schüler und Lehrer unter anderem über Cybermobbing. Angesprochen auf die aktuelle WhatsApp-Nachricht weiß sie direkt, worum es geht: „Nico, der keine Arme hat, blutüberströmt ist und Mütter umbringen möchte? Ja, das ist der berühmteste Kettenbrief.“

Erwachsene würden erkennen, dass es sich um einen Scherz handelt, aber Kindern mache so eine Nachricht Angst, sagt Bald. Die Drohung bewege sie dazu, die Nachricht weiter zu verbreiten. Das Weiterleiten einer solchen Drohung sei eine Straftat, so Bald. Eltern könnten Strafanzeige erstatten, die den letzten bekannten Absender treffen würde. Doch Kinder seien meist nicht strafmündig.

Nachrichten können traumatisierend sein

Eltern sollten vor allem mit ihren Kindern reden. Mit Beziehungsarbeit könnten sie dann vereinbaren, mit ihren Kindern gemeinsam aufs Handy zu schauen. „Interessiert euch für die Smartphone-Aktivitäten der Kinder“, appelliert Bald. Im konkreten Fall des Kettenbriefs solle die Nachricht einfach gelöscht werden, ohne sie anzuhören. Kindern solle deutlich gemacht werden, dass von einem Kettenbrief keine Bedrohung ausgehe.

Letztendlich sei die Nachricht „substanzlos“. Trotzdem könne sie Kinder traumatisieren: „Manche Kinder haben Schlafstörungen entwickelt. Es gab auch Kinder, die haben sich die Ohren zugehalten und sind aus der Klasse gerannt, wenn ich das thematisiert habe“, erzählt Bald von der Zeit der ersten WhatsApp-Kettenbriefe.

Sandra Berg fühlt sich verantwortlich und möchte mit ihrem Sohn noch einmal über die Nachricht sprechen. Sie habe erfahren, dass auch die Kinder im Fußballverein, in dem Joel spielt, sich darüber unterhalten. „Ich hoffe, dass wir mit ihnen reden können und sie die Nachrichten dann nicht mehr weiter teilen. Auch um Kinder davor zu schützen, die noch jünger sind.“

Dieser Text ist zuerst auf derwesten.de erschienen.