Berlin/München. Bier, Wiesn oder Dirndl: Wenn es um klassische Bayern-Klischees geht, muss unsere Autorin passen. Eine Ausnahme macht sie allerdings.

Die ganze Misere mit mir und dem Dirndl geht schon mal damit los, dass ich kein Bier trinke. Nicht, weil ich generell keinen Alkohol trinke. Sondern einfach deshalb, weil es mir nicht schmeckt. Ich mag den süßlich-malzigen Geruch nicht, den bitteren Geschmack erst recht nicht und konnte mich deshalb bisher nicht dazu durchringen, jemals mehr als zwei Schluck zu probieren.

An sich ist das ja keine große Sache. Es gibt schließlich auch Menschen, die keine Tomaten mögen. Oder keine Oliven. Andere trinken keine Milch oder kein Wasser mit Kohlensäure. Dumm nur, dass ich aus einem kleinen Ort in Oberbayern komme, irgendwo zwischen München und Augsburg, wo Bier quasi Grundnahrungsmittel ist und dazugehört wie der Fisch zur Küste, die Currywurst zu Berlin oder der Stollen zu Dresden.

Oktoberfest ohne Bier? Wohl kaum

Meine Aversion gegen Bier hat mir bisher eigentlich nur Probleme beschert. Während der Schulzeit habe ich was von einer Malzallergie gefaselt und von Antibiotika, die ich schlucken muss, weil das Argument, dass mir Bier nicht schmeckt, in der Pubertät nichts galt. Von dem Problem mit dem Oktoberfest ganz zu schweigen.

Das ist nüchtern ja bekanntlich nur schwer bis gar nicht zu ertragen. Und da die Bierzelte nun mal Bierzelte heißen, gibt es dort meistens außer Bier auch kaum etwas anderes zu trinken. Wer Alkohol möchte (und den möchte man, um auf ein Level zu kommen, auf dem der schunkelnde, schwitzende, singende Irrsinn erträglich ist), der kommt in so einem Zelt am Bier kaum vorbei. Folge: Ich mag die Wiesn nicht besonders.

Bauch-einziehen und Luft-anhalten

Wie ich nun den Bogen zum Dirndl schlage? Nun, wer in Bayern kein Bier trinkt und nicht aufs Oktoberfest geht, dem fehlen schon per Definition zahlreiche Gründe, seine Tracht auszuführen. Meistens trägt man Dirndl nämlich, wenn irgendwo Bier ausgeschenkt wird. Außer der Wiesn und Hochzeiten noch auf Stadt-, Wald- und Dorffesten aller Art, von denen es in Bayern auf dem Land im Sommer ziemlich viele gibt. Brauchtum trifft dort Brauchtum – mich traf man da eher nicht.

Auch deshalb, weil ich mich nicht in ein Dirndl zwängen wollte. Und ich sage zwängen, weil Dirndl nur dann für alle anderen schön aussehen, wenn die Person, die drinsteckt, sich fragt, ob das nun tatsächlich mehrere Stunden so gehen kann mit dem Bauch-einziehen und Luft-anhalten. Ich sage: Nein. Vor allem dann nicht, wenn man irgendwann auch mal sitzen, atmen und essen will.

Ich fiel in meinen eigenen Ausschnitt

Um das zu wissen, muss man mal eines der Kleider anprobiert haben. Habe ich. Im Sommer 2002 in München. Ich hatte meiner Freundin Sandra versprochen, in dem Second Hand Laden zumindest eines zu probieren. Ohne Hilfe der Verkäuferin, die erst vorne hielt und dann hinten schnürte, wäre ich nicht hineingekommen in das Ding. Und als ich fertig war, fiel ich quasi selbst in meinen Ausschnitt. „Niemals würde ich so auf die Straße gehen“, sagte ich. „Mei, san Sie fesch!“, sagte die Verkäuferin. Das Elend, erklärt in zwei Sätzen.

Vielleicht sind Bier, Wiesn und Dirndl – nicht zu vergessen mein nur ganz rudimentär ausgeprägter Dialekt, der für nicht viel mehr zu gebrauchen ist, als für einen guten Witz – die Gründe dafür, dass ich heute nicht mehr in Bayern lebe. Nun könnte man denken, ich sei geflohen, weil es ohne Bier und Dirndl dort nicht auszuhalten ist. Oder weil ich unrühmlich ausgebürgert wurde, so ganz ohne bayerische Accessoires. So schlimm ist es nicht. Aber sagen wir es so: Bayerisches Brauchtum und ich, das war einfach nie eine gute Kombination.

Wo ist die perfekte Breze in Berlin?

Der Mangel an guten Brezen macht mir in Berlin allerdings wirklich zu schaffen. Sie sind entweder zu trocken oder zu labbrig. Die perfekte Breze aber ist außen knusprig und innen teigig. Schwer zu bekommen. Ich erhole mich von meinen Entzug, wenn ich meine Eltern besuche. Das hat sich in unserem Dorf mit seinen paar Hundert Einwohnern auch schon herumgesprochen. Wenn meine Mutter mehr Brezen als üblich beim Bäcker kauft, hört sie schon mal: „Ah, is eana Dochta wieda a moi da!“