Berlin. Sie widmete ihr Leben den Armen und Kranken in Indien. Jetzt wird Mutter Teresa heiliggesprochen. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

Als Agnes Gonxha Bojaxhiu, weltweit bekannt als Mutter Teresa, am 5. September 1997 starb, ging die Nachricht von ihrem Tod in den Medien beinahe unter. Denn die Schlagzeilen beherrschte damals der Tod von Diana Frances Spencer, weltweit bekannt als Lady Di, die wenige Tage zuvor in Paris bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und deren bevorstehende Beisetzung die Öffentlichkeit in Atem hielt.

Gegen den schillernden Liebling der Klatschpresse hatte der „Engel der Armen“ in den Slums von Kolkata keine Chance. An diesem Wochenende nun, 19 Jahre nach ihrem Tod, erfährt Mutter Teresa die größte Ehre, die die katholische Kirche für ihre Vorbilder bereithält: Papst Franziskus spricht die Missionarin am Sonntagmorgen auf dem Petersplatz von Rom heilig. Doch in den Jubel um die künftige Heilige mischt sich auch teils scharfe Kritik.

Heilige Mutter Teresa – Leben in Bildern

Papst Franziskus wird am Sonntag die vor 19 Jahren gestorbene Ordensgründerin Mutter Teresa heiligsprechen. Schon zu Lebzeiten galt die kleine, unscheinbare Nonne in ihrem weiß-blauen Ordensgewand vielen als Heilige.
Papst Franziskus wird am Sonntag die vor 19 Jahren gestorbene Ordensgründerin Mutter Teresa heiligsprechen. Schon zu Lebzeiten galt die kleine, unscheinbare Nonne in ihrem weiß-blauen Ordensgewand vielen als Heilige. © dpa | Tim Brakemeier
Die Nonne wurde 1910 im heutigen Mazedonien geboren und wuchs unter dem Namen Agnes Gonxha Bojaxhiu in einer albanischen Familie auf. Zeit ihres Lebens hat sie sich mit ihrem Orden „Missionarinnen der Nächstenliebe“ im indischen Kolkata (Kalkutta) um die Armen und Sterbenden gekümmert. Dafür ...
Die Nonne wurde 1910 im heutigen Mazedonien geboren und wuchs unter dem Namen Agnes Gonxha Bojaxhiu in einer albanischen Familie auf. Zeit ihres Lebens hat sie sich mit ihrem Orden „Missionarinnen der Nächstenliebe“ im indischen Kolkata (Kalkutta) um die Armen und Sterbenden gekümmert. Dafür ... © Reuters | Stringer
... bekam sie 1979 den Friedensnobelpreis und wurde zu einer Ikone der Nächstenliebe. „Ihr Lächeln war ihr Geschenk an Jesus und die Welt“, sagte die Generaloberin des Ordens Mary Prema Pierick.
... bekam sie 1979 den Friedensnobelpreis und wurde zu einer Ikone der Nächstenliebe. „Ihr Lächeln war ihr Geschenk an Jesus und die Welt“, sagte die Generaloberin des Ordens Mary Prema Pierick. © imago stock&people | UPI Photo
So schnell wie Mutter Teresa wurden bisher wenige heilig gesprochen, in modernen Zeiten war es nur Papst Johannes Paul II. Sechs Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1997 wurde sie von ihm selig gesprochen. Nachdem in der katholischen Kirche zwei „Wunder“ für eine Heiligsprechung nötig sind, fand sich 2015 dann die zweite wundersame Tat, für die Mutter Teresa verantwortlich sein soll: Ein Brasilianer wurde ohne wissenschaftliche Erklärung von einer Erkrankung des Gehirns geheilt, nachdem er die Nonne um Hilfe gebeten haben soll.
So schnell wie Mutter Teresa wurden bisher wenige heilig gesprochen, in modernen Zeiten war es nur Papst Johannes Paul II. Sechs Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1997 wurde sie von ihm selig gesprochen. Nachdem in der katholischen Kirche zwei „Wunder“ für eine Heiligsprechung nötig sind, fand sich 2015 dann die zweite wundersame Tat, für die Mutter Teresa verantwortlich sein soll: Ein Brasilianer wurde ohne wissenschaftliche Erklärung von einer Erkrankung des Gehirns geheilt, nachdem er die Nonne um Hilfe gebeten haben soll. © REUTERS | Luciano Mellace
Papst Franziskus erkannte dies 2015 als Wunder an, der Weg für die Heiligsprechung war frei. Dass ihr erstes „Wunder“, die Heilung einer Frau in Indien von Krebs, umstritten ist, hielt das nicht auf. In Indien war der Spitzname von Mutter Teresa nicht nur „Engel der Armen“. Viele nennen sie dort auch „Heilige der Gosse“. Mit dieser deutlich drastischeren Umschreibung wollen sie vor allem ausdrücken, in welchen Umständen sie oft arbeitete.
Papst Franziskus erkannte dies 2015 als Wunder an, der Weg für die Heiligsprechung war frei. Dass ihr erstes „Wunder“, die Heilung einer Frau in Indien von Krebs, umstritten ist, hielt das nicht auf. In Indien war der Spitzname von Mutter Teresa nicht nur „Engel der Armen“. Viele nennen sie dort auch „Heilige der Gosse“. Mit dieser deutlich drastischeren Umschreibung wollen sie vor allem ausdrücken, in welchen Umständen sie oft arbeitete. © imago | ZUMA
Mutter Teresa war aber auch so etwas wie ein Pop-Star der Wohltäter. Die Ordensschwester empfing Prinzessin Diana in ihrem Sterbehospiz und ...
Mutter Teresa war aber auch so etwas wie ein Pop-Star der Wohltäter. Die Ordensschwester empfing Prinzessin Diana in ihrem Sterbehospiz und ... © Reuters | © POOL New / Reuters
... unterhielt sich mit dem britischen Thronfolger Prinz Charles.
... unterhielt sich mit dem britischen Thronfolger Prinz Charles. © imago | ZUMA Press
In der US-Hauptstadt Washington traf sie 1995 mit der damaligen First Lady Hillary Clinton zusammen. Zehn Jahre zuvor hatte sie ...
In der US-Hauptstadt Washington traf sie 1995 mit der damaligen First Lady Hillary Clinton zusammen. Zehn Jahre zuvor hatte sie ... © Reuters | Handout Old
... US-Präsident Ronald Reagan im Weißen Haus begrüßt.
... US-Präsident Ronald Reagan im Weißen Haus begrüßt. © imago stock&people | /UPI Photo
In Indien hatte Palästinenser-Präsident Jassir Arafat die Ordensfrau besucht.
In Indien hatte Palästinenser-Präsident Jassir Arafat die Ordensfrau besucht. © Reuters | Stringer
Unumstritten war Mutter Teresa nicht: Ihre Einstellung zur Abtreibung, die sie den „größten Friedenszerstörer der Welt“ nannte, und ihr Feldzug gegen Verhütung brachte Kritiker gegen sie auf. Der britisch-pakistanische Autor und Filmemacher Tariq Ali nannte die Heiligsprechung „lächerlich“ und „dumm“. 1994 hatte er zusammen mit seinem 2001 verstorbenen Kollegen Christopher Hitchens die Dokumentation „Hell’s Angel“ („Höllenengel“) gedreht und darin Missstände in Mutter Teresas Heimen angeprangert sowie ihre Freundschaft zu Diktatoren wie dem früheren haitianischen Machthaber „Baby Doc“ Jean-Claude Duvalier.
Unumstritten war Mutter Teresa nicht: Ihre Einstellung zur Abtreibung, die sie den „größten Friedenszerstörer der Welt“ nannte, und ihr Feldzug gegen Verhütung brachte Kritiker gegen sie auf. Der britisch-pakistanische Autor und Filmemacher Tariq Ali nannte die Heiligsprechung „lächerlich“ und „dumm“. 1994 hatte er zusammen mit seinem 2001 verstorbenen Kollegen Christopher Hitchens die Dokumentation „Hell’s Angel“ („Höllenengel“) gedreht und darin Missstände in Mutter Teresas Heimen angeprangert sowie ihre Freundschaft zu Diktatoren wie dem früheren haitianischen Machthaber „Baby Doc“ Jean-Claude Duvalier. © reuters | Scanfoto Scanfoto
Am stärksten verehrt wird Mutter Teresa wohl immer noch in Indien und vor allem in Kolkata – das Bild entstand am Tag ihrer Beerdigung – wo sie 1950 ihren Orden gegründet hatte.
Am stärksten verehrt wird Mutter Teresa wohl immer noch in Indien und vor allem in Kolkata – das Bild entstand am Tag ihrer Beerdigung – wo sie 1950 ihren Orden gegründet hatte. © reuters | Reuters Photographer
Anlass dafür war, wie sie selbst erzählte, eine „göttliche Eingebung“ während einer Zugfahrt im Jahr 1946. Auf ihrer jährlichen Fahrt in die nordindische Stadt Darjeeling habe sie den Ruf Gottes gehört, sich fortan um die Armen zu kümmern und die Liebe Jesu zu verbreiten.
Anlass dafür war, wie sie selbst erzählte, eine „göttliche Eingebung“ während einer Zugfahrt im Jahr 1946. Auf ihrer jährlichen Fahrt in die nordindische Stadt Darjeeling habe sie den Ruf Gottes gehört, sich fortan um die Armen zu kümmern und die Liebe Jesu zu verbreiten. © Getty Images | annegeorg
Auch heute, fast 20 Jahre nach ihrem Tod, hat ihr Orden rund 4500 Mitglieder und ist in 133 Ländern vertreten. Mit mehr als 120 Nonnen gehört das Mutterhaus in Kolkata immer noch zu den größten Niederlassungen ihres Ordens.
Auch heute, fast 20 Jahre nach ihrem Tod, hat ihr Orden rund 4500 Mitglieder und ist in 133 Ländern vertreten. Mit mehr als 120 Nonnen gehört das Mutterhaus in Kolkata immer noch zu den größten Niederlassungen ihres Ordens. © reuters | Reuters Photographer
Hunderte Gäste waren am 26. August ihrem Aufruf zum Massengebet gefolgt. An diesem Tag wäre Mutter Teresa 106 Jahre alt geworden.
Hunderte Gäste waren am 26. August ihrem Aufruf zum Massengebet gefolgt. An diesem Tag wäre Mutter Teresa 106 Jahre alt geworden. © imago | ZUMA Press
Am 4. September wird Mutter Teresa in Rom heiliggesprochen.
Am 4. September wird Mutter Teresa in Rom heiliggesprochen. © REUTERS | Paolo Cocco
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Presse nannte sie „Heilige der Gosse“

„Eine Ikone des barmherzigen Samariters“, nannte Papst Johannes Paul II. Mutter Teresa. Sein Nachfolger Benedikt XVI. lobte sie als „echte Jüngerin Christi“. Und für die Presse war die kleine Ordensfrau in der weiß-blauen Tracht schon lange die „Heilige der Gosse“, die ihr Leben den Ärmsten der Armen in den Elendsvierteln der indischen Metropole Kolkata geweiht hatte. Doch wie viel davon ist Wirklichkeit, wie viel Verklärung?

Zunächst die Fakten. Am 26. August 1910 wird die spätere Mutter Teresa in Skopje im heutigen Mazedonien geboren. Als 18-Jährige tritt sie dem Orden der Loreto-Schwestern bei und lässt sich als Missionarin ausbilden. Ein Jahr später geht sie als Novizin ins indische Darjeeling. Den Namen Schwester Teresa nimmt sie zur Erinnerung an die Heilige Thérèse von Lisieux an. Ab 1937 nennt sie sich Mutter Teresa.

1950 gründete sie einen Frauenorden

1946, so die Legende, hat sie während einer Zugfahrt eine göttliche Eingebung. Sie fasst den Entschluss, einen Missionsorden zu gründen. 1950 ist es so weit, sie ruft den Frauenorden der Missionarinnen der Nächstenliebe ins Leben. Ihr Leben widmet sie Gott und den Elenden der Slums, denen sie wenigstens ein Sterben in Würde geben will. 1979 erhält sie den Friedensnobelpreis, trifft die Mächtigen dieser Welt. 1997 gibt die 87-Jährige die Ordensleitung ab, wenig später stirbt sie.

Dass es nun Papst Franziskus ist, der den „Engel der Armen“ heiligspricht, passt. Der Pontifex, der sich nach Franz von Assisi benannt hat, dem Schutzheiligen der Armen, hat als Papst wie kaum ein anderer vor ihm den Verzicht auf materielle Güter in den Vordergrund gestellt. Es war Franziskus, der 2016 zum „Jahr der Barmherzigkeit“ ausrief, der die Flüchtlingslager auf Lesbos besuchte, inhaftierten Verbrechern die Füße wusch und der die riesige Kluft zwischen Arm und Reich immer wieder ansprach.

Was ihm an Mutter Teresa imponierte? „Sie sagte immer, was sie sagen wollte.“ Voraussetzung für eine Heiligsprechung sind belegte Wunder. Schon 2002 wurde die Krebsheilung einer Inderin als solches anerkannt. Die Frau hatte stets ein Bild von Mutter Teresa bei sich.

Viel Kritik an Mutter Teresa

Doch schon zu ihren Lebzeiten gab es kritische Stimmen über sie. In Wahrheit habe sie in Indien nur für die katholische Kirche missionieren wollen, hieß es immer wieder im Land der Hindus und Muslime. Tariq Ali, ein britisch-pakistanischer Autor, der unter dem Titel „Höllenengel“ eine scharf polemische Dokumentation über Mutter Teresa gedreht hat, wirft den Ordensschwestern einen „Todes- und Leidenskult“ vor. Darin ist auch von der „Verquickung von kitschigem Medienrummel und mittelalterlichem Aberglauben“ die Rede. Viele kritisierten die strikte Ablehnung von Abtreibung und Geburtenkontrolle. So nannte Mutter Teresa die Abtreibung den „größten Zerstörer des Friedens“.

Und die Hallenser Religionspädagogin Ulrike Witten merkte erst kürzlich zu Mutter Teresas Wirken kritisch an: „Es ging um ihre eigene Gotteserfahrung, um ihr eigenes Seelenheil.“ Mit dem Verzicht auf moderne Medizin habe sie „Leiden billigend in Kauf genommen und Heilung zum Teil verhindert“.

Heiligsprechung am Sonntag vor dem Petersdom

All dies wird an diesem Sonntagmorgen vor dem Petersdom in Rom nicht zur Sprache kommen. Dort wird es um die beiden Wunder gehen, die die katholische Kirche ihren Heiligen abverlangt, und um die unumstrittenen Verdienste der „Missionarin der Nächstenliebe“. Für kritische Zwischentöne hat der Vatikan bei seinen Heiligen keinen Platz.