Washington. Seit 30 Jahren sitzt der Deutsche Jens Söring in einem US-Gefängnis. Den Mord will er nicht begangen haben. Jetzt hat er neue Hoffnung.

Es geht um Jens Söring. Der bekannteste deutsche Langzeit-Häftling in den Vereinigten Staaten von Amerika. Er sitzt seit mehr als 30 Jahren im US-Bundesstaat Virginia im Gefängnis. Für einen bestialischen Doppelmord, den er nicht begangen haben will. Fast ein Dutzend Mal hat der Diplomaten-Sohn aus dem Rheinland mit Hilfe von Unterstützern, darunter mehr als 50 Bundestagsabgeordnete, seine Freilassung auf Bewährung und Überstellung in die Heimat beantragt – stets erfolglos.

Mit Sisyphos-ähnlichem Krafteinsatz kämpft der 50-Jährige trotzdem immer weiter. Alte Blutspuren, die jetzt in neuem Test-Licht erscheinen, und ein bezwingender Dokumentar-Film, der im Herbst in die deutschen Kinos kommt, treiben ihn hinter Gittern an. Steve Rosenfield, sein Anwalt in Charlottesville, ist sich im Gespräch mit unserer Redaktion sicher, dass „ein Killer am Tatort war, der nicht Jens gewesen sein kann“. Er verlangt von Virginias Gouverneur Terry McAuliffe in einer Petition die „bedingungslose Begnadigung“ Sörings.

Söring bekam lebenslänglich wegen Doppelmordes

Rückblick: Söring wird wegen Mordes an den Eltern seiner damaligen Freundin Elizabeth Haysom 1985 zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt. Nach seiner Festnahme legt der damals 19-Jährige ein Geständnis ab, widerruft später und erklärt, seine psychisch kranke, drogensüchtige Freundin habe ihre Eltern getötet. Mit seinem Geständnis habe er sie vor der Todesstrafe bewahren wollen. Söring geht irrigerweise davon aus, dass er als Sohn eines Diplomaten Immunität beanspruchen kann. Elisabeth Haysom erklärt, sie habe Söring angestiftet. Sie bekommt 90 Jahre Haft und sitzt bis heute ein.

Im Laufe der Jahre häuften sich Berichte über juristisch wie ermittlungstechnisch merkwürdige Umstände über unterschlagene Beweise, Dutzende Verfahrensfehler, fehlende Zeugen und fehlende Spuren Sörings am Tatort. Chuck Reid, ein ehemaliger Ermittler in dem Fall, hat in der vergangene Woche im US-Fernsehen von einem ominösen FBI-Profil gesprochen, wonach eine Frau die Täterin gewesen sein müsse.

Doku als Plädoyer für Sörings Freilassung

Reid kommt gemeinsam mit anderen hochkarätigen Kriminal-Experten in dem Film „Das Versprechen“ von Marcus Vetter und Karin Steinberger vor. Die Dokumentation, die bestechend über die blinden Flecken im Fall Söring berichtet und wie ein eindringliches Plädoyer für die Freilassung des Deutschen wirkt, kommt Ende Oktober in die Kinos. Darin spielt die Hypothese eine Rolle, dass Haysom ihre Eltern Derek (72) und Nancy (55) mit Hilfe eines inzwischen verstorbenen Drogen-Dealers getötet haben könnte.

Dazu kommt die Wissenschaft. Blutproben vom Tatort in der Nähe von Lynchburg aus dem Jahr 1985, die bereits 2009 in Augenschein genommen wurden, sind jetzt im gerichtsmedizinischen Institut von Virginia erneut abgeglichen und auf DNA getestet worden. Resultat laut Untersuchungsleiterin Shelley Edler: Söring muss als Urheber der Blutspuren definitiv ausgeschlossen werden.

Söring ist nur „vorsichtig hoffnungsvoll“

Damit ist der Fall wieder da, wo er am schlechtesten aufgehoben scheint – in der Politik von Virginia, traditionell Kampfgebiet bei amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Hier hat es Gouverneur Terry McAuliffe, ein Demokrat, jetzt in der Hand, Sörings Martyrium zu beenden. Sein Vorvorgänger, Tim Kaine, just als Vizepräsidentschaftskandidat Beifahrer von Hillary Clinton im Rennen um das Weiße Haus, hatte Söring bereits 2010 für die Überstellung nach Deutschland freigegeben.

Als Bob McDonnell ins Amt kam, ein Law-and-Order-Republikaner, wurde die Entscheidung bei hoch emotionaler Begleitmusik in den Medien (Söring gilt manchen noch immer als „German monster“) sofort zurückgenommen. Der über eine Korruptionsaffäre gestolperte McDonnell hatte sich die von Chef-Ermittler Ricky Gardner bis heute geprägte Meinung zu eigen gemacht: Söring war’s, basta. Noch heute versuchen Republikaner, Ex-Gouverneur Tim Kaine wegen seiner Haltung damals als Sicherheits-Risiko darzustellen.

McAuliffe hat angekündigt, den Fall erneut untersuchen zu lassen. Danach werde entschieden, „was das Beste ist für die Gerechtigkeit“. Anwalt Steve Rosenfield erwartet, dass der Gouverneur die Entscheidung wieder in die Hände des Bewährungs- und Begnadigungsausschusses legen wird, der Söring seit Jahren auflaufen lässt. Wegen der Fülle von ähnlichen Gesuchen, so Rosenfield, werde das „parole board“ voraussichtlich nicht vor 2017 an die Sache herangehen. Auch darum nennt Rosenfield den Gemütszustand seines Mandanten nur „vorsichtig hoffnungsvoll“.